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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Europa und (Lngland
"Lrnst von der Brüg gen von(Schluß)

le Kämpfe, die England zwanzig Jahre lang gegen das republi¬
kanische, dann das imperialistische Frankreich bestand, trugen
ohne Zweifel zur Rettung der alten Ordnung des kontinentalen
Europas sehr viel bei. Aber wenn das die Wirkung nach
dieser Seite hin war, so war das eigentliche Motiv Englands
doch nicht darauf, sondern auf das endliche Niederzwingen Frankreichs in
seiner außerkontineutalen Stellung gerichtet, und da mehr als halb Europa
zu Zeiten in französischer Hand lag, so konnte England seine Seeherrschaft
gegen mehr als halb Europa zu einer dominierenden Hohe erheben. Was es
in Spanien, was es bei Waterloo gethan hat, verliert sehr an Bedeutung im
Vergleich mit dem, was ihm zu Wasser gelang. Während ganz Europa um
seine Freiheit rang, während England in alter Weise dem Kontinent Geld
gab, damit man sich untereinander schwache, betrieb es seine kommerziellen
Geschäfte durch die Zerstörung aller unbequemen fremden Flotten und die
Wegnahme fremder Kolonien. In dreizehn Jahren gelang ihm folgendes:
1794 zerstört es bei Brest eine französische Flotte, 1797 zerstört Sir Jerris
bei Kap Se. Vincent die spanische Seemacht, 1797 zerstört England bei Camper-
down die holländische Flotte, 1798 nimmt Nelson bei Abukir die französische
Flotte weg, 1799 wird bei Texel der Nest der holländischen Flotte weg¬
genommen, 1801 wird die dänische Flotte ans der Reede von Kopenhagen
überfallen, ohne Erfolg, 1805 zerstört Nelson bei Trafalgar die vereinigten
Flotten von Spanien und Frankreich, 1806 wird bei Se. Domingo eine
französische Flotte zerstört, 1807 Wegnahme der dänischen Flotte im Hafen
von Kopenhagen, ohne Kriegserklärung.

Damit waren alle fremden Flotten bis auf einige schwedische und portu¬
giesische Kriegsschiffe aus der Welt geschafft. Als es zum ersten Pariser Frieden
kam, war England die einzige europäische Seemacht und im Besitz aller fran¬
zösischen und holländischen, fast aller dänischen und vieler spanischen Kolonien.
Diese letzten gab England nun freilich, soweit sie in den letzten Kriegen erobert
wurden, bis auf Ceylon und Helgoland wieder heraus, aber es sorgte wenig
Jahre später dafür, basi die grofien romanischen Kolonien in Südamerika und


Grenzboten II 1000 4?


Europa und (Lngland
«Lrnst von der Brüg gen von(Schluß)

le Kämpfe, die England zwanzig Jahre lang gegen das republi¬
kanische, dann das imperialistische Frankreich bestand, trugen
ohne Zweifel zur Rettung der alten Ordnung des kontinentalen
Europas sehr viel bei. Aber wenn das die Wirkung nach
dieser Seite hin war, so war das eigentliche Motiv Englands
doch nicht darauf, sondern auf das endliche Niederzwingen Frankreichs in
seiner außerkontineutalen Stellung gerichtet, und da mehr als halb Europa
zu Zeiten in französischer Hand lag, so konnte England seine Seeherrschaft
gegen mehr als halb Europa zu einer dominierenden Hohe erheben. Was es
in Spanien, was es bei Waterloo gethan hat, verliert sehr an Bedeutung im
Vergleich mit dem, was ihm zu Wasser gelang. Während ganz Europa um
seine Freiheit rang, während England in alter Weise dem Kontinent Geld
gab, damit man sich untereinander schwache, betrieb es seine kommerziellen
Geschäfte durch die Zerstörung aller unbequemen fremden Flotten und die
Wegnahme fremder Kolonien. In dreizehn Jahren gelang ihm folgendes:
1794 zerstört es bei Brest eine französische Flotte, 1797 zerstört Sir Jerris
bei Kap Se. Vincent die spanische Seemacht, 1797 zerstört England bei Camper-
down die holländische Flotte, 1798 nimmt Nelson bei Abukir die französische
Flotte weg, 1799 wird bei Texel der Nest der holländischen Flotte weg¬
genommen, 1801 wird die dänische Flotte ans der Reede von Kopenhagen
überfallen, ohne Erfolg, 1805 zerstört Nelson bei Trafalgar die vereinigten
Flotten von Spanien und Frankreich, 1806 wird bei Se. Domingo eine
französische Flotte zerstört, 1807 Wegnahme der dänischen Flotte im Hafen
von Kopenhagen, ohne Kriegserklärung.

Damit waren alle fremden Flotten bis auf einige schwedische und portu¬
giesische Kriegsschiffe aus der Welt geschafft. Als es zum ersten Pariser Frieden
kam, war England die einzige europäische Seemacht und im Besitz aller fran¬
zösischen und holländischen, fast aller dänischen und vieler spanischen Kolonien.
Diese letzten gab England nun freilich, soweit sie in den letzten Kriegen erobert
wurden, bis auf Ceylon und Helgoland wieder heraus, aber es sorgte wenig
Jahre später dafür, basi die grofien romanischen Kolonien in Südamerika und


Grenzboten II 1000 4?
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[0377] [Abbildung] Europa und (Lngland «Lrnst von der Brüg gen von(Schluß) le Kämpfe, die England zwanzig Jahre lang gegen das republi¬ kanische, dann das imperialistische Frankreich bestand, trugen ohne Zweifel zur Rettung der alten Ordnung des kontinentalen Europas sehr viel bei. Aber wenn das die Wirkung nach dieser Seite hin war, so war das eigentliche Motiv Englands doch nicht darauf, sondern auf das endliche Niederzwingen Frankreichs in seiner außerkontineutalen Stellung gerichtet, und da mehr als halb Europa zu Zeiten in französischer Hand lag, so konnte England seine Seeherrschaft gegen mehr als halb Europa zu einer dominierenden Hohe erheben. Was es in Spanien, was es bei Waterloo gethan hat, verliert sehr an Bedeutung im Vergleich mit dem, was ihm zu Wasser gelang. Während ganz Europa um seine Freiheit rang, während England in alter Weise dem Kontinent Geld gab, damit man sich untereinander schwache, betrieb es seine kommerziellen Geschäfte durch die Zerstörung aller unbequemen fremden Flotten und die Wegnahme fremder Kolonien. In dreizehn Jahren gelang ihm folgendes: 1794 zerstört es bei Brest eine französische Flotte, 1797 zerstört Sir Jerris bei Kap Se. Vincent die spanische Seemacht, 1797 zerstört England bei Camper- down die holländische Flotte, 1798 nimmt Nelson bei Abukir die französische Flotte weg, 1799 wird bei Texel der Nest der holländischen Flotte weg¬ genommen, 1801 wird die dänische Flotte ans der Reede von Kopenhagen überfallen, ohne Erfolg, 1805 zerstört Nelson bei Trafalgar die vereinigten Flotten von Spanien und Frankreich, 1806 wird bei Se. Domingo eine französische Flotte zerstört, 1807 Wegnahme der dänischen Flotte im Hafen von Kopenhagen, ohne Kriegserklärung. Damit waren alle fremden Flotten bis auf einige schwedische und portu¬ giesische Kriegsschiffe aus der Welt geschafft. Als es zum ersten Pariser Frieden kam, war England die einzige europäische Seemacht und im Besitz aller fran¬ zösischen und holländischen, fast aller dänischen und vieler spanischen Kolonien. Diese letzten gab England nun freilich, soweit sie in den letzten Kriegen erobert wurden, bis auf Ceylon und Helgoland wieder heraus, aber es sorgte wenig Jahre später dafür, basi die grofien romanischen Kolonien in Südamerika und Grenzboten II 1000 4?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/377>, abgerufen am 29.06.2024.