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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Thema

für dich. So geh auf die letzte Fahrt!" Sie erschießt ihn und ruft: "Sigurd,
mein Bruder, nun gehören wir einander!" Der sterbende Sigurd: "Jetzt
weniger denn je, hier trennen sich unsre Wege, denn ich bin ein Christ. Ich
bete zu dem weißen Gott. König Ädelsthan hat mich ihn kennen gelehrt, zu
ihm gehe ich jetzt hinauf." Hjvrdis stürzt sich ins Meer. Die andern Per¬
sonen des Stücks sammeln sich um Signrds Leichnam. Gunnar: "Sie hat
ihn getötet, in der Nacht vor dein Zweikampf; sie hat mich also doch geliebt!"
Egil zeigt auf die durch die Luft sausende wilde Jagd: "Vater, sieh dort! All
die schwarzen Pferde!" Gunnar: "Es sind Wolken." Omnis: "Nein, die
Toten reiten nach Walhall." Egil: "Die Mutter ist dabei, dort -- vorauf --
auf dem schwarzen Pferde!"

Auch hier haben wir ein Drama, das durchaus den Anforderungen der
alten idealistischen Grundsätze entspricht. Es endet traurig, aber eine Tragödie
ist eben kein Lustspiel. Dunkler Schrecken waltet von Anfang bis zu Ende,
wie es die nordische Winternacht mit sich bringt, in der es verläuft. Aber
die Personen sind edel; nnr ein schlechter Charakter tritt auf, der Mann von
schlechter Geburt, der Bauer Kore. Hjördis ist ein dämonisches Weib, wie es
ihrer zu allen Zeiten nicht wenige gegeben hat; die Bruuhilden und Kriem-
hilden der Sage wie die der Geschichte haben ärgeres als sie verübt, und die
Heiligkeit und Unlösbarkeit der Ehe tastet sie selbst in der Raserei ihrer Liebes-
leidenschnft nicht um. Von dein Unheil, das geschieht, trügt sie einen Teil der
Schuld, einen andern Teil trägt der tückische Bauer, aber im Grnnde ge¬
nommen ist es "der Rome unselig Gespinst," das sie alle verstrickt und ver¬
dirbt. Und am Schluß wird auf den bevorstehenden Sieg des Christentums
über den heidnischen Aberglauben hingewiesen.

(Fortsetzung folgt)




Thoma

ans Thoma, jetzt ein Sechziger, ist ein Sohn des badischen
Schwarzwaldes; aus engen Verhältnissen heraus fand er seinen
Weg in die Kunst schwer. Er hatte zunächst Uhrenschilder be¬
malt und auch eine Zeit lang in Basel das Lithographieren ge¬
lernt. Da fanden sich freundliche Gönner ein, und der Groß-
^'zog, der schon so vielen Kindern seines Landes ein gütiger Schutzherr ge¬
wesen ist, ermöglichte ihm den Besuch der Karlsruher Akademie. Er war jetzt
^'anzig Jah^ ^ und studierte sieben Winter in Karlsruhe; während der
Sommer malte er in seinem Heimatsort nach der Natur. Die Freiheiten, die
^ sich hier draußen altgewohnte, vertrugen sich schlecht mit der zahmen Manier


Thema

für dich. So geh auf die letzte Fahrt!" Sie erschießt ihn und ruft: „Sigurd,
mein Bruder, nun gehören wir einander!" Der sterbende Sigurd: „Jetzt
weniger denn je, hier trennen sich unsre Wege, denn ich bin ein Christ. Ich
bete zu dem weißen Gott. König Ädelsthan hat mich ihn kennen gelehrt, zu
ihm gehe ich jetzt hinauf." Hjvrdis stürzt sich ins Meer. Die andern Per¬
sonen des Stücks sammeln sich um Signrds Leichnam. Gunnar: „Sie hat
ihn getötet, in der Nacht vor dein Zweikampf; sie hat mich also doch geliebt!"
Egil zeigt auf die durch die Luft sausende wilde Jagd: „Vater, sieh dort! All
die schwarzen Pferde!" Gunnar: „Es sind Wolken." Omnis: „Nein, die
Toten reiten nach Walhall." Egil: „Die Mutter ist dabei, dort — vorauf —
auf dem schwarzen Pferde!"

Auch hier haben wir ein Drama, das durchaus den Anforderungen der
alten idealistischen Grundsätze entspricht. Es endet traurig, aber eine Tragödie
ist eben kein Lustspiel. Dunkler Schrecken waltet von Anfang bis zu Ende,
wie es die nordische Winternacht mit sich bringt, in der es verläuft. Aber
die Personen sind edel; nnr ein schlechter Charakter tritt auf, der Mann von
schlechter Geburt, der Bauer Kore. Hjördis ist ein dämonisches Weib, wie es
ihrer zu allen Zeiten nicht wenige gegeben hat; die Bruuhilden und Kriem-
hilden der Sage wie die der Geschichte haben ärgeres als sie verübt, und die
Heiligkeit und Unlösbarkeit der Ehe tastet sie selbst in der Raserei ihrer Liebes-
leidenschnft nicht um. Von dein Unheil, das geschieht, trügt sie einen Teil der
Schuld, einen andern Teil trägt der tückische Bauer, aber im Grnnde ge¬
nommen ist es „der Rome unselig Gespinst," das sie alle verstrickt und ver¬
dirbt. Und am Schluß wird auf den bevorstehenden Sieg des Christentums
über den heidnischen Aberglauben hingewiesen.

(Fortsetzung folgt)




Thoma

ans Thoma, jetzt ein Sechziger, ist ein Sohn des badischen
Schwarzwaldes; aus engen Verhältnissen heraus fand er seinen
Weg in die Kunst schwer. Er hatte zunächst Uhrenschilder be¬
malt und auch eine Zeit lang in Basel das Lithographieren ge¬
lernt. Da fanden sich freundliche Gönner ein, und der Groß-
^'zog, der schon so vielen Kindern seines Landes ein gütiger Schutzherr ge¬
wesen ist, ermöglichte ihm den Besuch der Karlsruher Akademie. Er war jetzt
^'anzig Jah^ ^ und studierte sieben Winter in Karlsruhe; während der
Sommer malte er in seinem Heimatsort nach der Natur. Die Freiheiten, die
^ sich hier draußen altgewohnte, vertrugen sich schlecht mit der zahmen Manier


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[0351] Thema für dich. So geh auf die letzte Fahrt!" Sie erschießt ihn und ruft: „Sigurd, mein Bruder, nun gehören wir einander!" Der sterbende Sigurd: „Jetzt weniger denn je, hier trennen sich unsre Wege, denn ich bin ein Christ. Ich bete zu dem weißen Gott. König Ädelsthan hat mich ihn kennen gelehrt, zu ihm gehe ich jetzt hinauf." Hjvrdis stürzt sich ins Meer. Die andern Per¬ sonen des Stücks sammeln sich um Signrds Leichnam. Gunnar: „Sie hat ihn getötet, in der Nacht vor dein Zweikampf; sie hat mich also doch geliebt!" Egil zeigt auf die durch die Luft sausende wilde Jagd: „Vater, sieh dort! All die schwarzen Pferde!" Gunnar: „Es sind Wolken." Omnis: „Nein, die Toten reiten nach Walhall." Egil: „Die Mutter ist dabei, dort — vorauf — auf dem schwarzen Pferde!" Auch hier haben wir ein Drama, das durchaus den Anforderungen der alten idealistischen Grundsätze entspricht. Es endet traurig, aber eine Tragödie ist eben kein Lustspiel. Dunkler Schrecken waltet von Anfang bis zu Ende, wie es die nordische Winternacht mit sich bringt, in der es verläuft. Aber die Personen sind edel; nnr ein schlechter Charakter tritt auf, der Mann von schlechter Geburt, der Bauer Kore. Hjördis ist ein dämonisches Weib, wie es ihrer zu allen Zeiten nicht wenige gegeben hat; die Bruuhilden und Kriem- hilden der Sage wie die der Geschichte haben ärgeres als sie verübt, und die Heiligkeit und Unlösbarkeit der Ehe tastet sie selbst in der Raserei ihrer Liebes- leidenschnft nicht um. Von dein Unheil, das geschieht, trügt sie einen Teil der Schuld, einen andern Teil trägt der tückische Bauer, aber im Grnnde ge¬ nommen ist es „der Rome unselig Gespinst," das sie alle verstrickt und ver¬ dirbt. Und am Schluß wird auf den bevorstehenden Sieg des Christentums über den heidnischen Aberglauben hingewiesen. (Fortsetzung folgt) Thoma ans Thoma, jetzt ein Sechziger, ist ein Sohn des badischen Schwarzwaldes; aus engen Verhältnissen heraus fand er seinen Weg in die Kunst schwer. Er hatte zunächst Uhrenschilder be¬ malt und auch eine Zeit lang in Basel das Lithographieren ge¬ lernt. Da fanden sich freundliche Gönner ein, und der Groß- ^'zog, der schon so vielen Kindern seines Landes ein gütiger Schutzherr ge¬ wesen ist, ermöglichte ihm den Besuch der Karlsruher Akademie. Er war jetzt ^'anzig Jah^ ^ und studierte sieben Winter in Karlsruhe; während der Sommer malte er in seinem Heimatsort nach der Natur. Die Freiheiten, die ^ sich hier draußen altgewohnte, vertrugen sich schlecht mit der zahmen Manier

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/351>, abgerufen am 29.06.2024.