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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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dem Vertrage Godehen auf die in langen Kämpfen errungne Stellung zu
Gunsten Englands, worauf dann Clive und Hastings das heutige Niesenreich
von Ostindien zusammenhüinmerten. Frankreich war von der beträchtlichen
Höhe kontinentaler Macht, zu der es sich aufgeschwungen hatte, herabgestürzt
worden. Aber bald darauf bot ihm die Erhebung der nordamerikanischen
Kolonien gegen englische Ausbeutung die Gelegenheit, im Verein mit Spanien
nochmals gegen die britische Gewalt anzustürmen, was den Erfolg hatte, daß
im Versailler Frieden von 1783 nicht weitre koloniale Verluste eintraten; viel¬
mehr kamen Florida und Menorea an Spanien zurück, Tobago an Frankreich.
Freilich kostete der Krieg Frankreich wieder einen Teil seiner Flotte und an
Geld anderthalb Milliarden Franken; aber hatte es auch weder Jamaika noch
Gibraltar den Engländern entreißen können, so war England doch durch den
Verlust der Vereinigten Staaten um ein gutes Stück auf seinen Eroberungs¬
zügen zurückgeworfen worden. Nur zu bald fand es Gelegenheit, nicht nur
den Verlust einzuholen, sondern noch viel Größeres zu erreichen.

(Schluß folgt)




Der Se. Petersburger Hof im Winter ^MMO
(Schluß)

nzwischeu sind mir neuere Nachrichten zugegangen, nach denen
der Kaiser sich für diesen Sommer nach Pawlowsk zurückzieht,
wo er vom Hofe und von den fremden Gesandten vollständig
getrennt ist. Die Gagarin und ihr Mann sind gleichfalls in
Pawlowsk, und die inzwischen vollzogne Verheiratung der
Dame hat an dem Verhältnis, worin sie zum Kaiser steht, nichts geändert.
Es läßt sich absehen, daß dieser nach Temperament und Phantasie liebes¬
bedürftige Monarch von der Kaiserin angewidert ist und immerdar Maitressen
und Günstlinge wird haben müssen. Allein zu diesen Gattungen gehörige
Menschen können über einen Mann Einfluß und Herrschaft gewinnen, der der
Tyrann aller Welt sein will, während er thatsächlich nur der Sklave seiner
Launen ist.

Der Kaiser ist von der Vorstellung seiner Autorität so durchtränkt, daß
er alles aus dem Wege räumt, was als deren Einschränkung angesehen werden
könnte. Demgemäß vermehrt er die Zahl der Zeremonien und Feierlichkeiten,
die ihm Gelegenheit bieten, umgeben von dem Glanz der Majestät öffentlich
zu erscheinen, die Krone aufzusetzen und sich an der Spitze einer glänzenden
und dabei knechtisch ergebner Gefolgschaft zu zeigen. Unaufhörlich werden die
Vorschriften darüber verändert, wie das Publikum Se. Petersburgs sich bei dem


dem Vertrage Godehen auf die in langen Kämpfen errungne Stellung zu
Gunsten Englands, worauf dann Clive und Hastings das heutige Niesenreich
von Ostindien zusammenhüinmerten. Frankreich war von der beträchtlichen
Höhe kontinentaler Macht, zu der es sich aufgeschwungen hatte, herabgestürzt
worden. Aber bald darauf bot ihm die Erhebung der nordamerikanischen
Kolonien gegen englische Ausbeutung die Gelegenheit, im Verein mit Spanien
nochmals gegen die britische Gewalt anzustürmen, was den Erfolg hatte, daß
im Versailler Frieden von 1783 nicht weitre koloniale Verluste eintraten; viel¬
mehr kamen Florida und Menorea an Spanien zurück, Tobago an Frankreich.
Freilich kostete der Krieg Frankreich wieder einen Teil seiner Flotte und an
Geld anderthalb Milliarden Franken; aber hatte es auch weder Jamaika noch
Gibraltar den Engländern entreißen können, so war England doch durch den
Verlust der Vereinigten Staaten um ein gutes Stück auf seinen Eroberungs¬
zügen zurückgeworfen worden. Nur zu bald fand es Gelegenheit, nicht nur
den Verlust einzuholen, sondern noch viel Größeres zu erreichen.

(Schluß folgt)




Der Se. Petersburger Hof im Winter ^MMO
(Schluß)

nzwischeu sind mir neuere Nachrichten zugegangen, nach denen
der Kaiser sich für diesen Sommer nach Pawlowsk zurückzieht,
wo er vom Hofe und von den fremden Gesandten vollständig
getrennt ist. Die Gagarin und ihr Mann sind gleichfalls in
Pawlowsk, und die inzwischen vollzogne Verheiratung der
Dame hat an dem Verhältnis, worin sie zum Kaiser steht, nichts geändert.
Es läßt sich absehen, daß dieser nach Temperament und Phantasie liebes¬
bedürftige Monarch von der Kaiserin angewidert ist und immerdar Maitressen
und Günstlinge wird haben müssen. Allein zu diesen Gattungen gehörige
Menschen können über einen Mann Einfluß und Herrschaft gewinnen, der der
Tyrann aller Welt sein will, während er thatsächlich nur der Sklave seiner
Launen ist.

Der Kaiser ist von der Vorstellung seiner Autorität so durchtränkt, daß
er alles aus dem Wege räumt, was als deren Einschränkung angesehen werden
könnte. Demgemäß vermehrt er die Zahl der Zeremonien und Feierlichkeiten,
die ihm Gelegenheit bieten, umgeben von dem Glanz der Majestät öffentlich
zu erscheinen, die Krone aufzusetzen und sich an der Spitze einer glänzenden
und dabei knechtisch ergebner Gefolgschaft zu zeigen. Unaufhörlich werden die
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[0328] dem Vertrage Godehen auf die in langen Kämpfen errungne Stellung zu Gunsten Englands, worauf dann Clive und Hastings das heutige Niesenreich von Ostindien zusammenhüinmerten. Frankreich war von der beträchtlichen Höhe kontinentaler Macht, zu der es sich aufgeschwungen hatte, herabgestürzt worden. Aber bald darauf bot ihm die Erhebung der nordamerikanischen Kolonien gegen englische Ausbeutung die Gelegenheit, im Verein mit Spanien nochmals gegen die britische Gewalt anzustürmen, was den Erfolg hatte, daß im Versailler Frieden von 1783 nicht weitre koloniale Verluste eintraten; viel¬ mehr kamen Florida und Menorea an Spanien zurück, Tobago an Frankreich. Freilich kostete der Krieg Frankreich wieder einen Teil seiner Flotte und an Geld anderthalb Milliarden Franken; aber hatte es auch weder Jamaika noch Gibraltar den Engländern entreißen können, so war England doch durch den Verlust der Vereinigten Staaten um ein gutes Stück auf seinen Eroberungs¬ zügen zurückgeworfen worden. Nur zu bald fand es Gelegenheit, nicht nur den Verlust einzuholen, sondern noch viel Größeres zu erreichen. (Schluß folgt) Der Se. Petersburger Hof im Winter ^MMO (Schluß) nzwischeu sind mir neuere Nachrichten zugegangen, nach denen der Kaiser sich für diesen Sommer nach Pawlowsk zurückzieht, wo er vom Hofe und von den fremden Gesandten vollständig getrennt ist. Die Gagarin und ihr Mann sind gleichfalls in Pawlowsk, und die inzwischen vollzogne Verheiratung der Dame hat an dem Verhältnis, worin sie zum Kaiser steht, nichts geändert. Es läßt sich absehen, daß dieser nach Temperament und Phantasie liebes¬ bedürftige Monarch von der Kaiserin angewidert ist und immerdar Maitressen und Günstlinge wird haben müssen. Allein zu diesen Gattungen gehörige Menschen können über einen Mann Einfluß und Herrschaft gewinnen, der der Tyrann aller Welt sein will, während er thatsächlich nur der Sklave seiner Launen ist. Der Kaiser ist von der Vorstellung seiner Autorität so durchtränkt, daß er alles aus dem Wege räumt, was als deren Einschränkung angesehen werden könnte. Demgemäß vermehrt er die Zahl der Zeremonien und Feierlichkeiten, die ihm Gelegenheit bieten, umgeben von dem Glanz der Majestät öffentlich zu erscheinen, die Krone aufzusetzen und sich an der Spitze einer glänzenden und dabei knechtisch ergebner Gefolgschaft zu zeigen. Unaufhörlich werden die Vorschriften darüber verändert, wie das Publikum Se. Petersburgs sich bei dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/328>, abgerufen am 29.06.2024.