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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Der Se. Petersburger Hof im Winter ^799/1.300

trägt. Aber wir wollen nicht eine Werkstatt wie England werden, wir wollen
den Erdboden nicht vom Kapital in Latifundien zusammenziehn lassen, und
ebenso wenig ihn mobilisieren lassen für Wucherer und Theoretiker des Geldes.
Gerade dem stürmisch hereinbrechenden Triebe nach industriell-kommerziellen!
Wachstum müssen wir ein gesteigertes Interesse für die Erhaltung gesunder
Volkskraft im Landvolke, sowohl Großbesitzer wie Bauern, entgegensetzen.
Gerade dem alles auf den materiellen Maßstab herabsetzenden Geiste unsrer
Zeit gegenüber dürfen wir nicht die idealen Güter mit in den Strudel reißen
lassen. Und eine ideale Kraft ginge verloren, wenn unser Volk in dem Fluß
des heutigen Verkehrs- und Wanderlebens an der Liebe zum Erdboden ein¬
büßte. Es ist nicht wahr, daß der Erdboden ein Kapital wie ein andres sei,
es ist nicht wahr, daß der Ackerbau ein Erwerb wie jeder andre sei. Gegen
den mobilisierenden, entseelenden, verständnislosen Ansturm der Geldmacht hat
der Landmann den Anspruch auf staatlichen Schutz, soweit er sich nicht selbst
schützen kann. Freilich nur der Landmann, dem der Erdboden mehr ist als
bloßes Geschäftskapital. Wer vom Erdboden nur Coupons schneiden will, gehört
v. d. B. nicht aufs Landgut, sondern an die Börse.




Der Se. Petersburger Hof im Winter WH/MO

le nachstehend wiedergegebnen Ausführungen über den Hof Kaiser
Pauls I. von Rußland sind einer vom März des Jahres 1800
datierten Denkschrift entnommen, die die damalige Lage Rußlands
und Europas zum Gegenstände hatte. I""erhält' der Kreise, die
von ihr Kenntnis erhielten, erregte diese Darlegung ein so nach¬
haltiges Aufsehen, daß Teile davon noch vor einigen Jahren in einer russischen
historischen Zeitschrift abgedruckt worden sind, wobei begreiflicherweise die die
Person des russischen Herrschers betreffenden Mitteilungen außer Betracht
blieben. Diese letzten aber sind von besondern: Interesse, weil sie unbekannt
gebliebne Thatsachen berühren, die auf den Gang der politischen Ereignisse
großen Einfluß gewinnen sollten.

Dmi Abdruck dieses hundert Jahre lang verborgen gebliebner Dokuments
müssen einige Bemerkungen über die damalige Weltlage vorausgeschickt werden.

In der Absicht, der von Frankreich heranstürmenden revolutionären Flut
einen Damm entgegenzusetzen und die bestehenden Rechts- und Besitzverhältnisse
gegen die Vergewaltigungen des Pariser Direktoriums und seiner Generale zu
schützen, hatte sich Kaiser Paul I. im Jahre 1798 mit Österreich und England
über ein gemeinsames Vorgehn gegen die französische Republik verständigt und


Der Se. Petersburger Hof im Winter ^799/1.300

trägt. Aber wir wollen nicht eine Werkstatt wie England werden, wir wollen
den Erdboden nicht vom Kapital in Latifundien zusammenziehn lassen, und
ebenso wenig ihn mobilisieren lassen für Wucherer und Theoretiker des Geldes.
Gerade dem stürmisch hereinbrechenden Triebe nach industriell-kommerziellen!
Wachstum müssen wir ein gesteigertes Interesse für die Erhaltung gesunder
Volkskraft im Landvolke, sowohl Großbesitzer wie Bauern, entgegensetzen.
Gerade dem alles auf den materiellen Maßstab herabsetzenden Geiste unsrer
Zeit gegenüber dürfen wir nicht die idealen Güter mit in den Strudel reißen
lassen. Und eine ideale Kraft ginge verloren, wenn unser Volk in dem Fluß
des heutigen Verkehrs- und Wanderlebens an der Liebe zum Erdboden ein¬
büßte. Es ist nicht wahr, daß der Erdboden ein Kapital wie ein andres sei,
es ist nicht wahr, daß der Ackerbau ein Erwerb wie jeder andre sei. Gegen
den mobilisierenden, entseelenden, verständnislosen Ansturm der Geldmacht hat
der Landmann den Anspruch auf staatlichen Schutz, soweit er sich nicht selbst
schützen kann. Freilich nur der Landmann, dem der Erdboden mehr ist als
bloßes Geschäftskapital. Wer vom Erdboden nur Coupons schneiden will, gehört
v. d. B. nicht aufs Landgut, sondern an die Börse.




Der Se. Petersburger Hof im Winter WH/MO

le nachstehend wiedergegebnen Ausführungen über den Hof Kaiser
Pauls I. von Rußland sind einer vom März des Jahres 1800
datierten Denkschrift entnommen, die die damalige Lage Rußlands
und Europas zum Gegenstände hatte. I»»erhält' der Kreise, die
von ihr Kenntnis erhielten, erregte diese Darlegung ein so nach¬
haltiges Aufsehen, daß Teile davon noch vor einigen Jahren in einer russischen
historischen Zeitschrift abgedruckt worden sind, wobei begreiflicherweise die die
Person des russischen Herrschers betreffenden Mitteilungen außer Betracht
blieben. Diese letzten aber sind von besondern: Interesse, weil sie unbekannt
gebliebne Thatsachen berühren, die auf den Gang der politischen Ereignisse
großen Einfluß gewinnen sollten.

Dmi Abdruck dieses hundert Jahre lang verborgen gebliebner Dokuments
müssen einige Bemerkungen über die damalige Weltlage vorausgeschickt werden.

In der Absicht, der von Frankreich heranstürmenden revolutionären Flut
einen Damm entgegenzusetzen und die bestehenden Rechts- und Besitzverhältnisse
gegen die Vergewaltigungen des Pariser Direktoriums und seiner Generale zu
schützen, hatte sich Kaiser Paul I. im Jahre 1798 mit Österreich und England
über ein gemeinsames Vorgehn gegen die französische Republik verständigt und


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[0280] Der Se. Petersburger Hof im Winter ^799/1.300 trägt. Aber wir wollen nicht eine Werkstatt wie England werden, wir wollen den Erdboden nicht vom Kapital in Latifundien zusammenziehn lassen, und ebenso wenig ihn mobilisieren lassen für Wucherer und Theoretiker des Geldes. Gerade dem stürmisch hereinbrechenden Triebe nach industriell-kommerziellen! Wachstum müssen wir ein gesteigertes Interesse für die Erhaltung gesunder Volkskraft im Landvolke, sowohl Großbesitzer wie Bauern, entgegensetzen. Gerade dem alles auf den materiellen Maßstab herabsetzenden Geiste unsrer Zeit gegenüber dürfen wir nicht die idealen Güter mit in den Strudel reißen lassen. Und eine ideale Kraft ginge verloren, wenn unser Volk in dem Fluß des heutigen Verkehrs- und Wanderlebens an der Liebe zum Erdboden ein¬ büßte. Es ist nicht wahr, daß der Erdboden ein Kapital wie ein andres sei, es ist nicht wahr, daß der Ackerbau ein Erwerb wie jeder andre sei. Gegen den mobilisierenden, entseelenden, verständnislosen Ansturm der Geldmacht hat der Landmann den Anspruch auf staatlichen Schutz, soweit er sich nicht selbst schützen kann. Freilich nur der Landmann, dem der Erdboden mehr ist als bloßes Geschäftskapital. Wer vom Erdboden nur Coupons schneiden will, gehört v. d. B. nicht aufs Landgut, sondern an die Börse. Der Se. Petersburger Hof im Winter WH/MO le nachstehend wiedergegebnen Ausführungen über den Hof Kaiser Pauls I. von Rußland sind einer vom März des Jahres 1800 datierten Denkschrift entnommen, die die damalige Lage Rußlands und Europas zum Gegenstände hatte. I»»erhält' der Kreise, die von ihr Kenntnis erhielten, erregte diese Darlegung ein so nach¬ haltiges Aufsehen, daß Teile davon noch vor einigen Jahren in einer russischen historischen Zeitschrift abgedruckt worden sind, wobei begreiflicherweise die die Person des russischen Herrschers betreffenden Mitteilungen außer Betracht blieben. Diese letzten aber sind von besondern: Interesse, weil sie unbekannt gebliebne Thatsachen berühren, die auf den Gang der politischen Ereignisse großen Einfluß gewinnen sollten. Dmi Abdruck dieses hundert Jahre lang verborgen gebliebner Dokuments müssen einige Bemerkungen über die damalige Weltlage vorausgeschickt werden. In der Absicht, der von Frankreich heranstürmenden revolutionären Flut einen Damm entgegenzusetzen und die bestehenden Rechts- und Besitzverhältnisse gegen die Vergewaltigungen des Pariser Direktoriums und seiner Generale zu schützen, hatte sich Kaiser Paul I. im Jahre 1798 mit Österreich und England über ein gemeinsames Vorgehn gegen die französische Republik verständigt und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/280>, abgerufen am 29.06.2024.