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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Wohin gehen wir?
V Lrnst von der B rüg gen on (Schluß)

"s wäre ungerecht, wenn man die Verarmung mancher Völker,
auf die die Engländer Einfluß gewonnen haben, einfach nur
dem bösen Willen der Engländer, einem systematisch vor¬
bedachten Raub- und Plttnderuugssystcm zur Last legen wollte.
Freilich trug diesen Charakter die berüchtigte Englisch-ostindische
Kompagnie, die von 1600 bis 1858 Zeit genug hatte, das reiche Indien
zu plündern. Und wenn anch das heutige England immer stärker die Züge
dieser Kompnguie annimmt, so sind doch nicht alle Härten des Systems
dem Willen der Regierung zur Last zu legen. Ist einmal Geldgewinn be¬
herrschendes Prinzip, so folgen die Härten von selbst. Der Knufmmm ist
der härtere Teil im Staatsmmm, und die Dampfmaschine kennt wenig
Mitleid. Als im Jahre 1703 der englische Gesandte Methuen in Lissabon
den nach ihm benannten Handelsvertrag abschloß, meinte man auf beiden
Seiten, Vorteile aus ihm zu ziehn. Denn die portugiesischen Weine gingen
fortan mit um ein Drittel geringrer Steuer als die französischen nach Eng¬
land, wogegen die englischen Wollwaren in Portugal einen Zoll von 23 Pro¬
zent vom Wert entrichten mußten. Dennoch hat dieser Vertrag, der erst
1836 aufgehoben wurde, Portugal großen Schaden zugefügt, indem er be¬
wirkte, daß die portugiesische Industrie allmählich von der englischen erstickt
wurde, und das Land in volle wirtschaftliche Abhängigkeit von England geriet.
Es verarmte wie nach ihm Spanien und auch die türkischen Länder, abgesehen
von innerer Mißwirtschaft, unter diesem englischen Druck, aber daran war weder
offne Gewalt, noch hinterlistige Bethörung schuld, sondern die Fabrik, dann
die Dampfmaschine, die Kohle,' kurz die in England erblühende Industrie, der
diese Volker nicht gleichwertige Kräfte entgegenstellen konnten. Die hoch ent¬
wickelte Manufaktur in diesen Ländern siechte hin nnter dem Andrang der


Grenzboten II 1900 28


Wohin gehen wir?
V Lrnst von der B rüg gen on (Schluß)

»s wäre ungerecht, wenn man die Verarmung mancher Völker,
auf die die Engländer Einfluß gewonnen haben, einfach nur
dem bösen Willen der Engländer, einem systematisch vor¬
bedachten Raub- und Plttnderuugssystcm zur Last legen wollte.
Freilich trug diesen Charakter die berüchtigte Englisch-ostindische
Kompagnie, die von 1600 bis 1858 Zeit genug hatte, das reiche Indien
zu plündern. Und wenn anch das heutige England immer stärker die Züge
dieser Kompnguie annimmt, so sind doch nicht alle Härten des Systems
dem Willen der Regierung zur Last zu legen. Ist einmal Geldgewinn be¬
herrschendes Prinzip, so folgen die Härten von selbst. Der Knufmmm ist
der härtere Teil im Staatsmmm, und die Dampfmaschine kennt wenig
Mitleid. Als im Jahre 1703 der englische Gesandte Methuen in Lissabon
den nach ihm benannten Handelsvertrag abschloß, meinte man auf beiden
Seiten, Vorteile aus ihm zu ziehn. Denn die portugiesischen Weine gingen
fortan mit um ein Drittel geringrer Steuer als die französischen nach Eng¬
land, wogegen die englischen Wollwaren in Portugal einen Zoll von 23 Pro¬
zent vom Wert entrichten mußten. Dennoch hat dieser Vertrag, der erst
1836 aufgehoben wurde, Portugal großen Schaden zugefügt, indem er be¬
wirkte, daß die portugiesische Industrie allmählich von der englischen erstickt
wurde, und das Land in volle wirtschaftliche Abhängigkeit von England geriet.
Es verarmte wie nach ihm Spanien und auch die türkischen Länder, abgesehen
von innerer Mißwirtschaft, unter diesem englischen Druck, aber daran war weder
offne Gewalt, noch hinterlistige Bethörung schuld, sondern die Fabrik, dann
die Dampfmaschine, die Kohle,' kurz die in England erblühende Industrie, der
diese Volker nicht gleichwertige Kräfte entgegenstellen konnten. Die hoch ent¬
wickelte Manufaktur in diesen Ländern siechte hin nnter dem Andrang der


Grenzboten II 1900 28
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[0225] [Abbildung] Wohin gehen wir? V Lrnst von der B rüg gen on (Schluß) »s wäre ungerecht, wenn man die Verarmung mancher Völker, auf die die Engländer Einfluß gewonnen haben, einfach nur dem bösen Willen der Engländer, einem systematisch vor¬ bedachten Raub- und Plttnderuugssystcm zur Last legen wollte. Freilich trug diesen Charakter die berüchtigte Englisch-ostindische Kompagnie, die von 1600 bis 1858 Zeit genug hatte, das reiche Indien zu plündern. Und wenn anch das heutige England immer stärker die Züge dieser Kompnguie annimmt, so sind doch nicht alle Härten des Systems dem Willen der Regierung zur Last zu legen. Ist einmal Geldgewinn be¬ herrschendes Prinzip, so folgen die Härten von selbst. Der Knufmmm ist der härtere Teil im Staatsmmm, und die Dampfmaschine kennt wenig Mitleid. Als im Jahre 1703 der englische Gesandte Methuen in Lissabon den nach ihm benannten Handelsvertrag abschloß, meinte man auf beiden Seiten, Vorteile aus ihm zu ziehn. Denn die portugiesischen Weine gingen fortan mit um ein Drittel geringrer Steuer als die französischen nach Eng¬ land, wogegen die englischen Wollwaren in Portugal einen Zoll von 23 Pro¬ zent vom Wert entrichten mußten. Dennoch hat dieser Vertrag, der erst 1836 aufgehoben wurde, Portugal großen Schaden zugefügt, indem er be¬ wirkte, daß die portugiesische Industrie allmählich von der englischen erstickt wurde, und das Land in volle wirtschaftliche Abhängigkeit von England geriet. Es verarmte wie nach ihm Spanien und auch die türkischen Länder, abgesehen von innerer Mißwirtschaft, unter diesem englischen Druck, aber daran war weder offne Gewalt, noch hinterlistige Bethörung schuld, sondern die Fabrik, dann die Dampfmaschine, die Kohle,' kurz die in England erblühende Industrie, der diese Volker nicht gleichwertige Kräfte entgegenstellen konnten. Die hoch ent¬ wickelte Manufaktur in diesen Ländern siechte hin nnter dem Andrang der Grenzboten II 1900 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/225>, abgerufen am 29.06.2024.