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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Auf Sizilien
coelo Uaemmel von (Fortsetzung)

me Art Längsschnitt durch die ganze Entwicklung der palermi-
tanisch-sizilianischen Kultur gewährt das Museum im Kloster
dell' Olivella. Wie schön sind doch diese italienischen Kloster,
abgeschlossen nach außen, daher still inmitten des Lärmes der
Stadt, im Innern durch Säulenhöfe gegliedert, die, indem
sie Schutz vor Sonnenbrand und Unwetter gewähren, den Aufenthalt im
Freien jeder Zeit gestatten, und durch freundliche Gartenanlagen auch von
den langen Gängen und Zellen ringsum dem Auge ein anmutiges Bild
darbieten. So legt sich auch dieses in ein Museum verwandelte Kloster um
zwei Höfe, eiuen kleinen vordem und einen darauf folgenden größern, den
eigentlichen Kreuzgang, einen üppigen Garten mit Palmen und einem Wasser¬
becken in der Mitte, in dem Gruppen hoher Papyrusstnuden aufragen, auch
sie ein Geschenk des fernen Orients. In diesen Höfen, in den Gängen und
Sälen des weitläufigen Gebäudes sind Denkmäler einer Geschichte von zwei-
undeinhalb bis drei Jahrtausenden gesammelt, von den prähistorischen Gräber¬
funden bei Selinus bis zu den Bildern der modernen sizilianischen Malerschule,
Inschriften, Geräte, Gefäße, Statuen, Architekturteile, Münzen, Medaillen, Ge¬
mälde der verschiedensten Zeitalter. Wer sich jemals mit Archäologie beschäftigt
hat, dem ist es wie eine heitere Jugenderinnerung, wenn ihm im Saale von
Selinus von der einen der drei Metopen, die zu den ältesten Werken der
griechischen Plastik gehören (um 600 v. Chr.), die Medusa, der soeben Perseus
den Hals abschneidet, vergnügt entgegen lächelt, die Zunge lang heraussteckend,
und den aus ihrem Blute entsprungnen Pegasus zärtlich an sich drückend, und
man erstaunt über den raschen Fortschritt der Kunst, wenn man damit die nur
noch wenig befangne Zeichnung der Gestalten auf den Metopen aus dem
fünften Jahrhundert an der andern Wand vergleicht. Der Eindruck wird bei
beiden Gruppen dadurch erhöht, daß diese Reliefplatten zwischen den Triglyphen
und den Gesimsen aus gelbem Tuff so eingesetzt sind, wie sie es in Wirklich¬
keit an den Tempeln waren. Etruskische Totenkisten (die mit Sizilien historisch
natürlich nichts zu thun haben), altgriechische, namentlich schwarzfigurige Vasen,
herrliche Bronzen, darunter ein kolossaler Widder von fabelhafter Lebenswahr¬
heit aus Syrcckus, sizilinnische Terrakotten und eine reiche Sammlung der




Auf Sizilien
coelo Uaemmel von (Fortsetzung)

me Art Längsschnitt durch die ganze Entwicklung der palermi-
tanisch-sizilianischen Kultur gewährt das Museum im Kloster
dell' Olivella. Wie schön sind doch diese italienischen Kloster,
abgeschlossen nach außen, daher still inmitten des Lärmes der
Stadt, im Innern durch Säulenhöfe gegliedert, die, indem
sie Schutz vor Sonnenbrand und Unwetter gewähren, den Aufenthalt im
Freien jeder Zeit gestatten, und durch freundliche Gartenanlagen auch von
den langen Gängen und Zellen ringsum dem Auge ein anmutiges Bild
darbieten. So legt sich auch dieses in ein Museum verwandelte Kloster um
zwei Höfe, eiuen kleinen vordem und einen darauf folgenden größern, den
eigentlichen Kreuzgang, einen üppigen Garten mit Palmen und einem Wasser¬
becken in der Mitte, in dem Gruppen hoher Papyrusstnuden aufragen, auch
sie ein Geschenk des fernen Orients. In diesen Höfen, in den Gängen und
Sälen des weitläufigen Gebäudes sind Denkmäler einer Geschichte von zwei-
undeinhalb bis drei Jahrtausenden gesammelt, von den prähistorischen Gräber¬
funden bei Selinus bis zu den Bildern der modernen sizilianischen Malerschule,
Inschriften, Geräte, Gefäße, Statuen, Architekturteile, Münzen, Medaillen, Ge¬
mälde der verschiedensten Zeitalter. Wer sich jemals mit Archäologie beschäftigt
hat, dem ist es wie eine heitere Jugenderinnerung, wenn ihm im Saale von
Selinus von der einen der drei Metopen, die zu den ältesten Werken der
griechischen Plastik gehören (um 600 v. Chr.), die Medusa, der soeben Perseus
den Hals abschneidet, vergnügt entgegen lächelt, die Zunge lang heraussteckend,
und den aus ihrem Blute entsprungnen Pegasus zärtlich an sich drückend, und
man erstaunt über den raschen Fortschritt der Kunst, wenn man damit die nur
noch wenig befangne Zeichnung der Gestalten auf den Metopen aus dem
fünften Jahrhundert an der andern Wand vergleicht. Der Eindruck wird bei
beiden Gruppen dadurch erhöht, daß diese Reliefplatten zwischen den Triglyphen
und den Gesimsen aus gelbem Tuff so eingesetzt sind, wie sie es in Wirklich¬
keit an den Tempeln waren. Etruskische Totenkisten (die mit Sizilien historisch
natürlich nichts zu thun haben), altgriechische, namentlich schwarzfigurige Vasen,
herrliche Bronzen, darunter ein kolossaler Widder von fabelhafter Lebenswahr¬
heit aus Syrcckus, sizilinnische Terrakotten und eine reiche Sammlung der


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[0198] [Abbildung] Auf Sizilien coelo Uaemmel von (Fortsetzung) me Art Längsschnitt durch die ganze Entwicklung der palermi- tanisch-sizilianischen Kultur gewährt das Museum im Kloster dell' Olivella. Wie schön sind doch diese italienischen Kloster, abgeschlossen nach außen, daher still inmitten des Lärmes der Stadt, im Innern durch Säulenhöfe gegliedert, die, indem sie Schutz vor Sonnenbrand und Unwetter gewähren, den Aufenthalt im Freien jeder Zeit gestatten, und durch freundliche Gartenanlagen auch von den langen Gängen und Zellen ringsum dem Auge ein anmutiges Bild darbieten. So legt sich auch dieses in ein Museum verwandelte Kloster um zwei Höfe, eiuen kleinen vordem und einen darauf folgenden größern, den eigentlichen Kreuzgang, einen üppigen Garten mit Palmen und einem Wasser¬ becken in der Mitte, in dem Gruppen hoher Papyrusstnuden aufragen, auch sie ein Geschenk des fernen Orients. In diesen Höfen, in den Gängen und Sälen des weitläufigen Gebäudes sind Denkmäler einer Geschichte von zwei- undeinhalb bis drei Jahrtausenden gesammelt, von den prähistorischen Gräber¬ funden bei Selinus bis zu den Bildern der modernen sizilianischen Malerschule, Inschriften, Geräte, Gefäße, Statuen, Architekturteile, Münzen, Medaillen, Ge¬ mälde der verschiedensten Zeitalter. Wer sich jemals mit Archäologie beschäftigt hat, dem ist es wie eine heitere Jugenderinnerung, wenn ihm im Saale von Selinus von der einen der drei Metopen, die zu den ältesten Werken der griechischen Plastik gehören (um 600 v. Chr.), die Medusa, der soeben Perseus den Hals abschneidet, vergnügt entgegen lächelt, die Zunge lang heraussteckend, und den aus ihrem Blute entsprungnen Pegasus zärtlich an sich drückend, und man erstaunt über den raschen Fortschritt der Kunst, wenn man damit die nur noch wenig befangne Zeichnung der Gestalten auf den Metopen aus dem fünften Jahrhundert an der andern Wand vergleicht. Der Eindruck wird bei beiden Gruppen dadurch erhöht, daß diese Reliefplatten zwischen den Triglyphen und den Gesimsen aus gelbem Tuff so eingesetzt sind, wie sie es in Wirklich¬ keit an den Tempeln waren. Etruskische Totenkisten (die mit Sizilien historisch natürlich nichts zu thun haben), altgriechische, namentlich schwarzfigurige Vasen, herrliche Bronzen, darunter ein kolossaler Widder von fabelhafter Lebenswahr¬ heit aus Syrcckus, sizilinnische Terrakotten und eine reiche Sammlung der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/198>, abgerufen am 29.06.2024.