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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Die Baumwollenhungersnot von Lancashire

bei Radna zu überschreiten, aber als er uns begegnete, steckte er die Brücke
in Brand und zog nach Lugos ab. Ich bitte Ew> Exzellenz nun ganz er¬
gebenste Görgei so schnell als möglich zu verfolgen."

Nach den Gefechten bei Pered, Hethars, Waitzen, Debreczin, Retsag usw.,
wo die russischen Truppen siegreich waren, brachte der österreichische Heerführer
es fertig, folgenden Armeebefehl zu erlassen:

"Armeebefehl vom 18, August 1849. Die siegreiche Armee Seiner Kaiser¬
lich-Königlichen Majestät hat die tausendköpsige Hydra der ungarischen Em¬
pörung vernichtet. Das Hauptkorps der Aufständischen unter Oberbefehl ihres
besten Heerführers Görgei hat sich bedingungslos ergeben; die Festung Arad
ist von den k. k. Truppen wieder eingenommen. Die übrigen Empörer sind
vor unsern siegreichen Truppen davongelaufen! So kann der Krieg denn als
beendet gelten, nachdem Ungarn von unsern Truppen wiedererobert worden ist."




Die Vaumwollenhungersnot von Lancashire

u den merkwürdigsten Ereignissen der Geschichte unsrer modernen
Industrie gehört die Baumwollenhuugersnot von Lancashire, die,
eine direkte Folge der mit dem Sezessivnskrieg der nordameri¬
kanischen Südstaaten verbundnen Blockade, ein am Kriege durch¬
aus unbeteiligtes Land in eigentümlicher Weise in Mitleiden¬
schaft gezogen hat, gerade als ob es selbst direkt um dem Kampfe beteiligt ge¬
wesen würe.

In: Laufe des neunzehnten Jahrhunderts war England und insbesondre
Lancashire zum Sitze der typischen modernen Stapelindustrie, der Baumwoll¬
spinnerei und -Weberei, geworden, und dieser Landesteil hatte sie mehr und
mehr zu seinem Hauptgewerbe gemacht. Ständig stieg die Zahl der hierin be¬
schäftigten Arbeiter, während die Beschäftigung mit den andern Textilgewerben
teils verhältnismäßig, teils absolut zurückging. Von 1851 bis 1861 stieg die
Zahl der Arbeiter in der Baumwollenindustrie von Lancashire von 287000
auf 356000, während die der Seidenarbeiter in derselben Zeit dort von 30000
auf 25000 zurückging, die der Wollarbeiter von 11000 nur auf 12000 stieg.
In Lancashire gab es 1860 nach dem Bericht der Fabrikinspektoren 1979 Baum¬
wollfabriken mit 21530523 Spindeln und 306423 mechanischen Webstühlen;
Kraftmaschinen mit einem Leistungsvermögen von 205827 Pferdekräften wurden
verwandt.

Nach der Volkszählung von 1861 beschäftigten die Baumwoll- und Flachs¬
fabriken Lcmcashires 173008 Männer, 210666 Frauen, im ganzen 383674 Per¬
sonen, die als Repräsentanten von mindestens je 2^/z Einwohnern mehr als


Die Baumwollenhungersnot von Lancashire

bei Radna zu überschreiten, aber als er uns begegnete, steckte er die Brücke
in Brand und zog nach Lugos ab. Ich bitte Ew> Exzellenz nun ganz er¬
gebenste Görgei so schnell als möglich zu verfolgen."

Nach den Gefechten bei Pered, Hethars, Waitzen, Debreczin, Retsag usw.,
wo die russischen Truppen siegreich waren, brachte der österreichische Heerführer
es fertig, folgenden Armeebefehl zu erlassen:

„Armeebefehl vom 18, August 1849. Die siegreiche Armee Seiner Kaiser¬
lich-Königlichen Majestät hat die tausendköpsige Hydra der ungarischen Em¬
pörung vernichtet. Das Hauptkorps der Aufständischen unter Oberbefehl ihres
besten Heerführers Görgei hat sich bedingungslos ergeben; die Festung Arad
ist von den k. k. Truppen wieder eingenommen. Die übrigen Empörer sind
vor unsern siegreichen Truppen davongelaufen! So kann der Krieg denn als
beendet gelten, nachdem Ungarn von unsern Truppen wiedererobert worden ist."




Die Vaumwollenhungersnot von Lancashire

u den merkwürdigsten Ereignissen der Geschichte unsrer modernen
Industrie gehört die Baumwollenhuugersnot von Lancashire, die,
eine direkte Folge der mit dem Sezessivnskrieg der nordameri¬
kanischen Südstaaten verbundnen Blockade, ein am Kriege durch¬
aus unbeteiligtes Land in eigentümlicher Weise in Mitleiden¬
schaft gezogen hat, gerade als ob es selbst direkt um dem Kampfe beteiligt ge¬
wesen würe.

In: Laufe des neunzehnten Jahrhunderts war England und insbesondre
Lancashire zum Sitze der typischen modernen Stapelindustrie, der Baumwoll¬
spinnerei und -Weberei, geworden, und dieser Landesteil hatte sie mehr und
mehr zu seinem Hauptgewerbe gemacht. Ständig stieg die Zahl der hierin be¬
schäftigten Arbeiter, während die Beschäftigung mit den andern Textilgewerben
teils verhältnismäßig, teils absolut zurückging. Von 1851 bis 1861 stieg die
Zahl der Arbeiter in der Baumwollenindustrie von Lancashire von 287000
auf 356000, während die der Seidenarbeiter in derselben Zeit dort von 30000
auf 25000 zurückging, die der Wollarbeiter von 11000 nur auf 12000 stieg.
In Lancashire gab es 1860 nach dem Bericht der Fabrikinspektoren 1979 Baum¬
wollfabriken mit 21530523 Spindeln und 306423 mechanischen Webstühlen;
Kraftmaschinen mit einem Leistungsvermögen von 205827 Pferdekräften wurden
verwandt.

Nach der Volkszählung von 1861 beschäftigten die Baumwoll- und Flachs¬
fabriken Lcmcashires 173008 Männer, 210666 Frauen, im ganzen 383674 Per¬
sonen, die als Repräsentanten von mindestens je 2^/z Einwohnern mehr als


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/190>, abgerufen am 29.06.2024.