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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Die Bamnwollenhungersnot von Lancashire

1065000 vom Baumwollgewerbe direkt abhängige Menschen darstellen. -- Nach
den spätern Berichten des Zentralhilfskomitees wurden im ganzen 535750 Baum¬
wollindustriearbeiter gezählt, doch schließen diese Zahlen Fabriken in Cheshire,
Derbyshire und Dorkshire, sowie die Hilfsgewerbe der Färber, Kattundrucker usw.
ein, deren der Zensus von Lancashire z. B, 7640 als "sonstige Hilfsarbeiter"
aufführt; außerdem gab es dort noch einige Handweber irischen Ursprungs.
Die ganze Baumwollenindustrie von England war ungefähr sechsmal so stark
wie die amerikanische entwickelt, man schätzte, daß etwa ein Siebentel der eng¬
lischen Bevölkerung direkt oder indirekt von ihr abhänge.*)

Das Rohmaterial für die Baumwollindustrie war in früherer Zeit aus
verschiednen Ländern gekommen; Brasilien, Westindien, Mexiko und das übrige
Südamerika, Indien und das übrige Asien haben im achtzehnten und im An¬
fang des neunzehnten Jahrhunderts große Mengen geliefert, als die Vereinigten
Staaten in ihrer Produktion noch weit zurückstanden. Im Jahre 1821 aber
hatten diese die Spitze erreicht, und 1860 lieferten sie von der gesamten Baum-
wollenprodnktion der Erde in der Höhe von 2500 Millionen Pfund allein
1650 Millionen Pfund, während von dem Nest Indien und Asien einen großen
Teil zu Hause konsumierten.

"Die amerikanische Baumwolle war auf dem Weltmarkt bei Ausbruch des
Sezessionskriegs völlig dominierend, schreibt Ernst von Halle,**) 1786/90 be¬
trug die Einfuhr aus den Vereinigten Staaten nur ^z,. der Gesamtbaum¬
wolleneinfuhr Großbritanniens; 1846/50 machte sie 81,13 Prozent der Ge¬
samteinfuhr aus und betrug 1856/60 77 Prozent." -- 1860 wurden in Eng¬
land wöchentlich 41094 Sack amerikanischer Baumwolle oder 85 Prozent der
Gesamtkonsumtion verbraucht, gegenüber 3968 Sack ägyptischer und brasilia¬
nischer und 3461 Sack, etwa je 7 Prozent, oft- und westindischer Baumwolle.
Der Wert dieser Baumwolle war 33^ Millionen Pfund Sterling, davon ent¬
fielen rund 30 Millionen auf die amerikanischen Zufuhren. "Bereits früh
hatte man in England das Gefühl, die Baumwollenproduktion würde in ab¬
sehbarer Zeit der Nachfrage nicht mehr gewachsen sein. Namentlich die Ab¬
hängigkeit von den Vereinigten Staaten, einem fremden Lande, für einen so
großen Teil des Bedarfs erfüllte die Fabrikanten mit Bangen."

Die Zufuhren aus den meisten Staaten waren relativ an Bedeutung
zurückgegangen, "nur Ostindien gewann beträchtlich, und im Vergleich mit
1796/1800 hat sich sein Beitrag zur englischen Einfuhr mehr als verfünfzig-
facht. ... Die ostindische Kompagnie hat unausgesetzt mit großem Nach¬
druck auf eine Ausdehnung der Banmwollenproduktion hingearbeitet, doch war
der Erfolg nur ein mäßiger."

In Manchester wurde 1858 die Cotton Supply Association mit Agenten




*) ^sonn VÄt8, rks I'hors ot. eng votwri ?annis. London, 1866.
Baumwollproduktion und Pflanzungswirtschaft in den nordamerikanischen Südstaaten,
Bd. i, Leipzig, 1897.
Die Bamnwollenhungersnot von Lancashire

1065000 vom Baumwollgewerbe direkt abhängige Menschen darstellen. — Nach
den spätern Berichten des Zentralhilfskomitees wurden im ganzen 535750 Baum¬
wollindustriearbeiter gezählt, doch schließen diese Zahlen Fabriken in Cheshire,
Derbyshire und Dorkshire, sowie die Hilfsgewerbe der Färber, Kattundrucker usw.
ein, deren der Zensus von Lancashire z. B, 7640 als „sonstige Hilfsarbeiter"
aufführt; außerdem gab es dort noch einige Handweber irischen Ursprungs.
Die ganze Baumwollenindustrie von England war ungefähr sechsmal so stark
wie die amerikanische entwickelt, man schätzte, daß etwa ein Siebentel der eng¬
lischen Bevölkerung direkt oder indirekt von ihr abhänge.*)

Das Rohmaterial für die Baumwollindustrie war in früherer Zeit aus
verschiednen Ländern gekommen; Brasilien, Westindien, Mexiko und das übrige
Südamerika, Indien und das übrige Asien haben im achtzehnten und im An¬
fang des neunzehnten Jahrhunderts große Mengen geliefert, als die Vereinigten
Staaten in ihrer Produktion noch weit zurückstanden. Im Jahre 1821 aber
hatten diese die Spitze erreicht, und 1860 lieferten sie von der gesamten Baum-
wollenprodnktion der Erde in der Höhe von 2500 Millionen Pfund allein
1650 Millionen Pfund, während von dem Nest Indien und Asien einen großen
Teil zu Hause konsumierten.

„Die amerikanische Baumwolle war auf dem Weltmarkt bei Ausbruch des
Sezessionskriegs völlig dominierend, schreibt Ernst von Halle,**) 1786/90 be¬
trug die Einfuhr aus den Vereinigten Staaten nur ^z,. der Gesamtbaum¬
wolleneinfuhr Großbritanniens; 1846/50 machte sie 81,13 Prozent der Ge¬
samteinfuhr aus und betrug 1856/60 77 Prozent." — 1860 wurden in Eng¬
land wöchentlich 41094 Sack amerikanischer Baumwolle oder 85 Prozent der
Gesamtkonsumtion verbraucht, gegenüber 3968 Sack ägyptischer und brasilia¬
nischer und 3461 Sack, etwa je 7 Prozent, oft- und westindischer Baumwolle.
Der Wert dieser Baumwolle war 33^ Millionen Pfund Sterling, davon ent¬
fielen rund 30 Millionen auf die amerikanischen Zufuhren. „Bereits früh
hatte man in England das Gefühl, die Baumwollenproduktion würde in ab¬
sehbarer Zeit der Nachfrage nicht mehr gewachsen sein. Namentlich die Ab¬
hängigkeit von den Vereinigten Staaten, einem fremden Lande, für einen so
großen Teil des Bedarfs erfüllte die Fabrikanten mit Bangen."

Die Zufuhren aus den meisten Staaten waren relativ an Bedeutung
zurückgegangen, „nur Ostindien gewann beträchtlich, und im Vergleich mit
1796/1800 hat sich sein Beitrag zur englischen Einfuhr mehr als verfünfzig-
facht. ... Die ostindische Kompagnie hat unausgesetzt mit großem Nach¬
druck auf eine Ausdehnung der Banmwollenproduktion hingearbeitet, doch war
der Erfolg nur ein mäßiger."

In Manchester wurde 1858 die Cotton Supply Association mit Agenten




*) ^sonn VÄt8, rks I'hors ot. eng votwri ?annis. London, 1866.
Baumwollproduktion und Pflanzungswirtschaft in den nordamerikanischen Südstaaten,
Bd. i, Leipzig, 1897.
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[0191] Die Bamnwollenhungersnot von Lancashire 1065000 vom Baumwollgewerbe direkt abhängige Menschen darstellen. — Nach den spätern Berichten des Zentralhilfskomitees wurden im ganzen 535750 Baum¬ wollindustriearbeiter gezählt, doch schließen diese Zahlen Fabriken in Cheshire, Derbyshire und Dorkshire, sowie die Hilfsgewerbe der Färber, Kattundrucker usw. ein, deren der Zensus von Lancashire z. B, 7640 als „sonstige Hilfsarbeiter" aufführt; außerdem gab es dort noch einige Handweber irischen Ursprungs. Die ganze Baumwollenindustrie von England war ungefähr sechsmal so stark wie die amerikanische entwickelt, man schätzte, daß etwa ein Siebentel der eng¬ lischen Bevölkerung direkt oder indirekt von ihr abhänge.*) Das Rohmaterial für die Baumwollindustrie war in früherer Zeit aus verschiednen Ländern gekommen; Brasilien, Westindien, Mexiko und das übrige Südamerika, Indien und das übrige Asien haben im achtzehnten und im An¬ fang des neunzehnten Jahrhunderts große Mengen geliefert, als die Vereinigten Staaten in ihrer Produktion noch weit zurückstanden. Im Jahre 1821 aber hatten diese die Spitze erreicht, und 1860 lieferten sie von der gesamten Baum- wollenprodnktion der Erde in der Höhe von 2500 Millionen Pfund allein 1650 Millionen Pfund, während von dem Nest Indien und Asien einen großen Teil zu Hause konsumierten. „Die amerikanische Baumwolle war auf dem Weltmarkt bei Ausbruch des Sezessionskriegs völlig dominierend, schreibt Ernst von Halle,**) 1786/90 be¬ trug die Einfuhr aus den Vereinigten Staaten nur ^z,. der Gesamtbaum¬ wolleneinfuhr Großbritanniens; 1846/50 machte sie 81,13 Prozent der Ge¬ samteinfuhr aus und betrug 1856/60 77 Prozent." — 1860 wurden in Eng¬ land wöchentlich 41094 Sack amerikanischer Baumwolle oder 85 Prozent der Gesamtkonsumtion verbraucht, gegenüber 3968 Sack ägyptischer und brasilia¬ nischer und 3461 Sack, etwa je 7 Prozent, oft- und westindischer Baumwolle. Der Wert dieser Baumwolle war 33^ Millionen Pfund Sterling, davon ent¬ fielen rund 30 Millionen auf die amerikanischen Zufuhren. „Bereits früh hatte man in England das Gefühl, die Baumwollenproduktion würde in ab¬ sehbarer Zeit der Nachfrage nicht mehr gewachsen sein. Namentlich die Ab¬ hängigkeit von den Vereinigten Staaten, einem fremden Lande, für einen so großen Teil des Bedarfs erfüllte die Fabrikanten mit Bangen." Die Zufuhren aus den meisten Staaten waren relativ an Bedeutung zurückgegangen, „nur Ostindien gewann beträchtlich, und im Vergleich mit 1796/1800 hat sich sein Beitrag zur englischen Einfuhr mehr als verfünfzig- facht. ... Die ostindische Kompagnie hat unausgesetzt mit großem Nach¬ druck auf eine Ausdehnung der Banmwollenproduktion hingearbeitet, doch war der Erfolg nur ein mäßiger." In Manchester wurde 1858 die Cotton Supply Association mit Agenten *) ^sonn VÄt8, rks I'hors ot. eng votwri ?annis. London, 1866. Baumwollproduktion und Pflanzungswirtschaft in den nordamerikanischen Südstaaten, Bd. i, Leipzig, 1897.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/191>, abgerufen am 01.07.2024.