Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.Wohin gehen wir? Lrnst von der Brügger von1 eit der Thronbesteigung Kaiser Wilhelms II. kommt unser öffent¬ Daß der deutsche Junge wächst, überraschend schnell wächst, bemerken wir Grenzboten II 1900 21
Wohin gehen wir? Lrnst von der Brügger von1 eit der Thronbesteigung Kaiser Wilhelms II. kommt unser öffent¬ Daß der deutsche Junge wächst, überraschend schnell wächst, bemerken wir Grenzboten II 1900 21
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0169" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290580"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341871_290410/figures/grenzboten_341871_290410_290580_000.jpg"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Wohin gehen wir?<lb/><note type="byline"> Lrnst von der Brügger</note> von1</head><lb/> <p xml:id="ID_730"> eit der Thronbesteigung Kaiser Wilhelms II. kommt unser öffent¬<lb/> liches Leben aus dem Wogendrang immer neuer, weittragender<lb/> Aufgaben nicht mehr heraus. Kaum ist eine Wolke an dem<lb/> Himmel des Ruhe pflegenden Staatsbürgers vorübergezogen, so<lb/> ballt sich am Horizont etwas neues zusammen, das ihn nötigt,<lb/> munter zu werden und sich eine Meinung zu bilden, sei es über die Sozial¬<lb/> demokratie im allgemeinen oder über die rechtlichen Grenzen des Streiks<lb/> insbesondre, sei es über Getreidezölle oder über Flottenbau, Und im ganzen<lb/> mag die Wirkung dieser etwas stürmischen Thätigkeit unsrer Reichsregierung<lb/> auf unser ethisch-nationales Volksleben die sein, daß wir verhindert werden,<lb/> uns zu behaglich in der frühern Weise den persönlichen oder lokalen Interessen<lb/> zu überlassen, und daß sich die Arbeitskraft und das nationale Gemein¬<lb/> gefühl stärken an den großen nationalen Aufgaben, die uns zugewiesen<lb/> werden. Wenn nur der blinde Subjektivismus der Parteien nicht wäre.<lb/> Wem aber die Fülle der an uns herantretenden tief einschneidenden Fragen<lb/> des praktischen Staatslebens gar zu groß erscheint, der soll nur das Tempo<lb/> beobachten, worin sich das Volk selbst auf dem Wege seiner materiellen wie<lb/> immateriellen Entwicklung vorwärts bewegt. Er wird bald einsehen, daß wenn<lb/> ein Junge so erstaunlich hurtig in die Höhe schießt, wie wir heute, nur ein<lb/> schlechter oder armer Vater versäumen darf, die Hose recht oft ändern zu lassen,<lb/> auch wenn die Schneiderrechnung gelegentlich etwas lang wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_731" next="#ID_732"> Daß der deutsche Junge wächst, überraschend schnell wächst, bemerken wir<lb/> und bemerken die andern auch. Er ist in die Jahre gekommen, wo man fragt,<lb/> welchen Beruf er ergreifen werde, oder er ist richtiger schon so weit gefestigt,<lb/> daß mau an seinem Beruf nicht mehr zweifeln kann. Noch vor zwanzig,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1900 21</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0169]
[Abbildung]
Wohin gehen wir?
Lrnst von der Brügger von1
eit der Thronbesteigung Kaiser Wilhelms II. kommt unser öffent¬
liches Leben aus dem Wogendrang immer neuer, weittragender
Aufgaben nicht mehr heraus. Kaum ist eine Wolke an dem
Himmel des Ruhe pflegenden Staatsbürgers vorübergezogen, so
ballt sich am Horizont etwas neues zusammen, das ihn nötigt,
munter zu werden und sich eine Meinung zu bilden, sei es über die Sozial¬
demokratie im allgemeinen oder über die rechtlichen Grenzen des Streiks
insbesondre, sei es über Getreidezölle oder über Flottenbau, Und im ganzen
mag die Wirkung dieser etwas stürmischen Thätigkeit unsrer Reichsregierung
auf unser ethisch-nationales Volksleben die sein, daß wir verhindert werden,
uns zu behaglich in der frühern Weise den persönlichen oder lokalen Interessen
zu überlassen, und daß sich die Arbeitskraft und das nationale Gemein¬
gefühl stärken an den großen nationalen Aufgaben, die uns zugewiesen
werden. Wenn nur der blinde Subjektivismus der Parteien nicht wäre.
Wem aber die Fülle der an uns herantretenden tief einschneidenden Fragen
des praktischen Staatslebens gar zu groß erscheint, der soll nur das Tempo
beobachten, worin sich das Volk selbst auf dem Wege seiner materiellen wie
immateriellen Entwicklung vorwärts bewegt. Er wird bald einsehen, daß wenn
ein Junge so erstaunlich hurtig in die Höhe schießt, wie wir heute, nur ein
schlechter oder armer Vater versäumen darf, die Hose recht oft ändern zu lassen,
auch wenn die Schneiderrechnung gelegentlich etwas lang wird.
Daß der deutsche Junge wächst, überraschend schnell wächst, bemerken wir
und bemerken die andern auch. Er ist in die Jahre gekommen, wo man fragt,
welchen Beruf er ergreifen werde, oder er ist richtiger schon so weit gefestigt,
daß mau an seinem Beruf nicht mehr zweifeln kann. Noch vor zwanzig,
Grenzboten II 1900 21
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |