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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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wie mein Hans Ohm Minister wurde

das Thor zwischen beiden die Porta Garibaldi. An ihn erinnert auch noch
eine Marmortafel am Municipio, und unmittelbar gegenüber dein Fort Castel-
lammare am Hafen, das in jenen Maitagen zum letztenmale seine Geschütze
gegen die aufständische Stadt richtete, jetzt aber in Trümmern liegt, erhebt sich
auf der Piazza delle Vittime ein kleiner Obelisk zum Andenken an die drei¬
zehn "Opfer" der vorhergehenden verunglückten Erhebung, die hier am
14. April 1860 standrechtlich erschossen wurden.

(Fortsetzung folgt)




Wie mein Hans Ohm Minister wurde
Timm Kröger von(Schluß)

r hatte schon eine Weile geschlafen, da hörte er eine Stimme: Steh
auf, Michel, und folge mir! Und als er die Augen öffnete, sah er
einen Engel vor sich stehn.

Wer bist du, fragte Michel.

Ein Engel.

Das seh ich an den Flügeln, aber deine Flügel sind groß und
schwarz.

Ich bin der Engel des Todes. Gott fordert deine Seele von dir.

Aha, sagte Michel, das kann mir Passen. Wenn auf das Heringsgericht kein
Verlaß mehr ist, dann gehe ich lieber gleich zur ewigen Seligkeit. Der liebe Gott
hat natürlich eingesehen, daß ich in den letzten Tagen schlecht weggekommen bin.

Der Engel schwieg.

Ist es nicht so?

Darüber zu urteilen ist nicht meines Amtes, der heilige Petrus wird es sagen.

Und als sie beim heiligen Petrus im Himmelsvorhof ankamen, fanden sie ihn
ganz allein.

Ist das der Heriugsauerulant? fragte er.

Das ist er, erwiderte der Todesengel.

Der heilige Petrus in seinem Faltengewand mit langem Bart, die Schlüssel
zu den Himmelskammern an der Hüfte, die Brille auf die Stirn zurückgeschoben,
sah prächtig und hoheitsvoll und doch milde aus. Aber trotz aller Milde lag in
diesem Augenblick doch ein verdrießlicher Zug auf seinem Gesicht. Den Michel
durchdringend ansehend, ließ er seine großen, grauen Augen an der armen Knechts¬
gestalt auf- und niedergehn.

Wir haben deine Klage gehört, sagte er.

Und für gerecht befunden. Nicht wahr? fragte der immer getroste Michel.

Petrus antwortete nicht darauf.

Du hast mit Gott gehadert, sagte er strenge.

Daß ich nicht wüßte, erwiderte Michel. Ich bin nur unzufrieden gewesen,
daß die Wölfe den kleinen Hein gefressen haben.

Weil du dadurch um dein Heringsgericht gekommen bist.


Grenzboten II 1900 13
wie mein Hans Ohm Minister wurde

das Thor zwischen beiden die Porta Garibaldi. An ihn erinnert auch noch
eine Marmortafel am Municipio, und unmittelbar gegenüber dein Fort Castel-
lammare am Hafen, das in jenen Maitagen zum letztenmale seine Geschütze
gegen die aufständische Stadt richtete, jetzt aber in Trümmern liegt, erhebt sich
auf der Piazza delle Vittime ein kleiner Obelisk zum Andenken an die drei¬
zehn „Opfer" der vorhergehenden verunglückten Erhebung, die hier am
14. April 1860 standrechtlich erschossen wurden.

(Fortsetzung folgt)




Wie mein Hans Ohm Minister wurde
Timm Kröger von(Schluß)

r hatte schon eine Weile geschlafen, da hörte er eine Stimme: Steh
auf, Michel, und folge mir! Und als er die Augen öffnete, sah er
einen Engel vor sich stehn.

Wer bist du, fragte Michel.

Ein Engel.

Das seh ich an den Flügeln, aber deine Flügel sind groß und
schwarz.

Ich bin der Engel des Todes. Gott fordert deine Seele von dir.

Aha, sagte Michel, das kann mir Passen. Wenn auf das Heringsgericht kein
Verlaß mehr ist, dann gehe ich lieber gleich zur ewigen Seligkeit. Der liebe Gott
hat natürlich eingesehen, daß ich in den letzten Tagen schlecht weggekommen bin.

Der Engel schwieg.

Ist es nicht so?

Darüber zu urteilen ist nicht meines Amtes, der heilige Petrus wird es sagen.

Und als sie beim heiligen Petrus im Himmelsvorhof ankamen, fanden sie ihn
ganz allein.

Ist das der Heriugsauerulant? fragte er.

Das ist er, erwiderte der Todesengel.

Der heilige Petrus in seinem Faltengewand mit langem Bart, die Schlüssel
zu den Himmelskammern an der Hüfte, die Brille auf die Stirn zurückgeschoben,
sah prächtig und hoheitsvoll und doch milde aus. Aber trotz aller Milde lag in
diesem Augenblick doch ein verdrießlicher Zug auf seinem Gesicht. Den Michel
durchdringend ansehend, ließ er seine großen, grauen Augen an der armen Knechts¬
gestalt auf- und niedergehn.

Wir haben deine Klage gehört, sagte er.

Und für gerecht befunden. Nicht wahr? fragte der immer getroste Michel.

Petrus antwortete nicht darauf.

Du hast mit Gott gehadert, sagte er strenge.

Daß ich nicht wüßte, erwiderte Michel. Ich bin nur unzufrieden gewesen,
daß die Wölfe den kleinen Hein gefressen haben.

Weil du dadurch um dein Heringsgericht gekommen bist.


Grenzboten II 1900 13
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[0105] wie mein Hans Ohm Minister wurde das Thor zwischen beiden die Porta Garibaldi. An ihn erinnert auch noch eine Marmortafel am Municipio, und unmittelbar gegenüber dein Fort Castel- lammare am Hafen, das in jenen Maitagen zum letztenmale seine Geschütze gegen die aufständische Stadt richtete, jetzt aber in Trümmern liegt, erhebt sich auf der Piazza delle Vittime ein kleiner Obelisk zum Andenken an die drei¬ zehn „Opfer" der vorhergehenden verunglückten Erhebung, die hier am 14. April 1860 standrechtlich erschossen wurden. (Fortsetzung folgt) Wie mein Hans Ohm Minister wurde Timm Kröger von(Schluß) r hatte schon eine Weile geschlafen, da hörte er eine Stimme: Steh auf, Michel, und folge mir! Und als er die Augen öffnete, sah er einen Engel vor sich stehn. Wer bist du, fragte Michel. Ein Engel. Das seh ich an den Flügeln, aber deine Flügel sind groß und schwarz. Ich bin der Engel des Todes. Gott fordert deine Seele von dir. Aha, sagte Michel, das kann mir Passen. Wenn auf das Heringsgericht kein Verlaß mehr ist, dann gehe ich lieber gleich zur ewigen Seligkeit. Der liebe Gott hat natürlich eingesehen, daß ich in den letzten Tagen schlecht weggekommen bin. Der Engel schwieg. Ist es nicht so? Darüber zu urteilen ist nicht meines Amtes, der heilige Petrus wird es sagen. Und als sie beim heiligen Petrus im Himmelsvorhof ankamen, fanden sie ihn ganz allein. Ist das der Heriugsauerulant? fragte er. Das ist er, erwiderte der Todesengel. Der heilige Petrus in seinem Faltengewand mit langem Bart, die Schlüssel zu den Himmelskammern an der Hüfte, die Brille auf die Stirn zurückgeschoben, sah prächtig und hoheitsvoll und doch milde aus. Aber trotz aller Milde lag in diesem Augenblick doch ein verdrießlicher Zug auf seinem Gesicht. Den Michel durchdringend ansehend, ließ er seine großen, grauen Augen an der armen Knechts¬ gestalt auf- und niedergehn. Wir haben deine Klage gehört, sagte er. Und für gerecht befunden. Nicht wahr? fragte der immer getroste Michel. Petrus antwortete nicht darauf. Du hast mit Gott gehadert, sagte er strenge. Daß ich nicht wüßte, erwiderte Michel. Ich bin nur unzufrieden gewesen, daß die Wölfe den kleinen Hein gefressen haben. Weil du dadurch um dein Heringsgericht gekommen bist. Grenzboten II 1900 13

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/105>, abgerufen am 29.06.2024.