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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Herbstbilder aus Italien

in deutsches Wesen hineinzuziehn. Hier dient wirklich das sonst so bedenklich
ausgewachsene Vereinsleben einer guten Sache; hier wird ein Gemeingeist er¬
zeugt, der mehr und mehr auch einen nationalen Charakter gewinnen muß,
wie sich ja auch die über das ganze Land verbreiteten Kricgcrvereine ihrer
vaterländischen Aufgabe mit besonder," Eifer und stetig wachsendem Erfolge
widmen.

Wer aber solche und ähnliche Zeichen nicht günstig auszulegen weiß, der
versteht sich auf Zeit- und Zeichendeutung ebensowenig wie der, der aus ihnen
gleich die baldige Verwirklichung seiner Germanisiernngstränme herauslesen
möchte. Dessen aber dürfen wir zuversichtlich froh sein, das; sich das geistige
Leben des Elsasses gegenwärtig freudig entfaltet, und daß diese Entwicklung mit
wachsender Triebkraft unwillkürlich in die Bahnen deutscher Sinnesart drängen
muß. Der Elsässer kann sich allmählich immer weniger der Einsicht verschließen,
daß für diese Entwicklung, deren er sich selber mit gerechtem Stolz bewußt ist,
Deutschtum Förderung, Frnnzosentnm aber Hemmung bedeutet. Solche Förde¬
rung muß ihm aber auch weiterhin in vielseitigster Weise zugewandt, und jeder
Trieb muß gepflegt werden, der sich hier aus dem Kern hervor ans Licht ringt.




Herbstbilder aus Italien
von Btto Kaeinmel (Schluß)
K. Allerseelen in Neapel

capel, das ich zum erstenmale vier Jahre vorher gesehen hatte,
fand ich wenig verändert. Von oben, vom Corso Vittorio Emannele
oder vom Castel sunt' Elmo aus, und von unten, von der Villa
nazionale oder vom Golfe, kurz, von außen her gesehen war es
im goldnen Glänze der Herbstsonne so herrlich wie je, aber in
den alten Teilen gab es noch immer viel Unrat und viel Gestank, in den Haupt¬
straßen prachtvolle Läden, namentlich ungeheure Konfektionsgeschäfte in wahren
Geschäftspalüsten, die um Abend glänzend illuminiert waren, überall tosenden
Lärm, rasselnde Wagen, schreiende Kutscher, halbsingende Verkäufer, Geldwechsler
und Citronenbudcn mit frischem Trinkwasser an den Ecken, waschende Frauen
und fleißige Handwerker vor den Häusern, flatternde Wäsche ein den Ballons
und auf den Altären, in den Thüren der Parterrcwohnungeu pickende Hühner
und, mit einem Strick am Beine irgendwo festgebunden, stattliche Truthähne,
die ihrer Bestimmung, als Weihnachtsbraten zu dienen, würdig entgegcnreiften,
am Vormittage Milchkühe mit Kälbern und Herden von braunen langöhrigen


Herbstbilder aus Italien

in deutsches Wesen hineinzuziehn. Hier dient wirklich das sonst so bedenklich
ausgewachsene Vereinsleben einer guten Sache; hier wird ein Gemeingeist er¬
zeugt, der mehr und mehr auch einen nationalen Charakter gewinnen muß,
wie sich ja auch die über das ganze Land verbreiteten Kricgcrvereine ihrer
vaterländischen Aufgabe mit besonder,« Eifer und stetig wachsendem Erfolge
widmen.

Wer aber solche und ähnliche Zeichen nicht günstig auszulegen weiß, der
versteht sich auf Zeit- und Zeichendeutung ebensowenig wie der, der aus ihnen
gleich die baldige Verwirklichung seiner Germanisiernngstränme herauslesen
möchte. Dessen aber dürfen wir zuversichtlich froh sein, das; sich das geistige
Leben des Elsasses gegenwärtig freudig entfaltet, und daß diese Entwicklung mit
wachsender Triebkraft unwillkürlich in die Bahnen deutscher Sinnesart drängen
muß. Der Elsässer kann sich allmählich immer weniger der Einsicht verschließen,
daß für diese Entwicklung, deren er sich selber mit gerechtem Stolz bewußt ist,
Deutschtum Förderung, Frnnzosentnm aber Hemmung bedeutet. Solche Förde¬
rung muß ihm aber auch weiterhin in vielseitigster Weise zugewandt, und jeder
Trieb muß gepflegt werden, der sich hier aus dem Kern hervor ans Licht ringt.




Herbstbilder aus Italien
von Btto Kaeinmel (Schluß)
K. Allerseelen in Neapel

capel, das ich zum erstenmale vier Jahre vorher gesehen hatte,
fand ich wenig verändert. Von oben, vom Corso Vittorio Emannele
oder vom Castel sunt' Elmo aus, und von unten, von der Villa
nazionale oder vom Golfe, kurz, von außen her gesehen war es
im goldnen Glänze der Herbstsonne so herrlich wie je, aber in
den alten Teilen gab es noch immer viel Unrat und viel Gestank, in den Haupt¬
straßen prachtvolle Läden, namentlich ungeheure Konfektionsgeschäfte in wahren
Geschäftspalüsten, die um Abend glänzend illuminiert waren, überall tosenden
Lärm, rasselnde Wagen, schreiende Kutscher, halbsingende Verkäufer, Geldwechsler
und Citronenbudcn mit frischem Trinkwasser an den Ecken, waschende Frauen
und fleißige Handwerker vor den Häusern, flatternde Wäsche ein den Ballons
und auf den Altären, in den Thüren der Parterrcwohnungeu pickende Hühner
und, mit einem Strick am Beine irgendwo festgebunden, stattliche Truthähne,
die ihrer Bestimmung, als Weihnachtsbraten zu dienen, würdig entgegcnreiften,
am Vormittage Milchkühe mit Kälbern und Herden von braunen langöhrigen


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[0608] Herbstbilder aus Italien in deutsches Wesen hineinzuziehn. Hier dient wirklich das sonst so bedenklich ausgewachsene Vereinsleben einer guten Sache; hier wird ein Gemeingeist er¬ zeugt, der mehr und mehr auch einen nationalen Charakter gewinnen muß, wie sich ja auch die über das ganze Land verbreiteten Kricgcrvereine ihrer vaterländischen Aufgabe mit besonder,« Eifer und stetig wachsendem Erfolge widmen. Wer aber solche und ähnliche Zeichen nicht günstig auszulegen weiß, der versteht sich auf Zeit- und Zeichendeutung ebensowenig wie der, der aus ihnen gleich die baldige Verwirklichung seiner Germanisiernngstränme herauslesen möchte. Dessen aber dürfen wir zuversichtlich froh sein, das; sich das geistige Leben des Elsasses gegenwärtig freudig entfaltet, und daß diese Entwicklung mit wachsender Triebkraft unwillkürlich in die Bahnen deutscher Sinnesart drängen muß. Der Elsässer kann sich allmählich immer weniger der Einsicht verschließen, daß für diese Entwicklung, deren er sich selber mit gerechtem Stolz bewußt ist, Deutschtum Förderung, Frnnzosentnm aber Hemmung bedeutet. Solche Förde¬ rung muß ihm aber auch weiterhin in vielseitigster Weise zugewandt, und jeder Trieb muß gepflegt werden, der sich hier aus dem Kern hervor ans Licht ringt. Herbstbilder aus Italien von Btto Kaeinmel (Schluß) K. Allerseelen in Neapel capel, das ich zum erstenmale vier Jahre vorher gesehen hatte, fand ich wenig verändert. Von oben, vom Corso Vittorio Emannele oder vom Castel sunt' Elmo aus, und von unten, von der Villa nazionale oder vom Golfe, kurz, von außen her gesehen war es im goldnen Glänze der Herbstsonne so herrlich wie je, aber in den alten Teilen gab es noch immer viel Unrat und viel Gestank, in den Haupt¬ straßen prachtvolle Läden, namentlich ungeheure Konfektionsgeschäfte in wahren Geschäftspalüsten, die um Abend glänzend illuminiert waren, überall tosenden Lärm, rasselnde Wagen, schreiende Kutscher, halbsingende Verkäufer, Geldwechsler und Citronenbudcn mit frischem Trinkwasser an den Ecken, waschende Frauen und fleißige Handwerker vor den Häusern, flatternde Wäsche ein den Ballons und auf den Altären, in den Thüren der Parterrcwohnungeu pickende Hühner und, mit einem Strick am Beine irgendwo festgebunden, stattliche Truthähne, die ihrer Bestimmung, als Weihnachtsbraten zu dienen, würdig entgegcnreiften, am Vormittage Milchkühe mit Kälbern und Herden von braunen langöhrigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/608>, abgerufen am 05.12.2024.