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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Chinesen und sehen vor allem darauf, daß ein Zopf so lang ist wie der andre.
Dies sehen müssen und nicht lindern können, ja selbst mitmachen zu müssen, das
ist zum auf die Pappelbäume steigen.

Damit stülpte der Professor seinen Hut auf den Kopf und rannte davon, ohne
Gute Nacht zu sagen. Die zurückbleibenden lachten. -- Heute hat er sich aber eine
Güte gethan, sagte Kollege Fritsche.

Das ist immer so, erwiderte Kollege Schliephake; wenn er mehr als fünf
Gläser Glühwein weg hat, so fängt er an zu lästern.

Zu Ostern wurde Max Frosch gegen alle Erwartung versetzt. Es soll seinet¬
wegen in der Versctzungskonferenz böse Auseinandersetzungen zwischen dem Direktor
und dem Kollegen Hirschhorn gegeben haben, und eine längere ernste Verstimmung
zwischen beiden die Folge gewesen sein. Max Frosch ging aber dennoch ab. Als
ich neulich in Witzeuhauseu war, um die dortige Kolonialschnle, über die ich be¬
richten sollte, anzusehen, fand ich Max Frosch unter den Zöglingen. Er sah in
seiner schmucken Tropentracht ganz menschlich aus, hatte die Trübsalsmiene ab¬
gelegt und war wieder der alte Pfarrsch-Max. Ans dem Studium wird freilich
nichts werden, auch Postsekretär wird er nicht werden, vielleicht wird aber doch
etwas Erfreuliches und Brauchbares aus ihm.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Unsre taktischen Vorschriften.

Mit dem im vorigen Jahre erschienenen
Exerzierreglement für die Feldartillerie schließt die Reihe der Vorschriften für die
drei Hauptwaffen ab. Den Anfang machte das Exerzierreglement für die Infanterie
vom 1. September 1838, dann folgte das für die Kavallerie vom 16. Sep¬
tember 1895. Sie sind geraume Zeit bei den Truppen als sogenannte Entwürfe
gebraucht worden, damit sie noch eine gewisse Läuterung durchmachen sollten, ehe
sie durch die Bestätigung des Allerhöchsten Kriegsherrn zum Gesetz erhoben würden.
In der Einsührnngsordre ist der ganz bestimmte Wille ausgedrückt worden, daß
künftig nur diese Bestimmungen maßgebend sein sollen. Wie wir in einem an
dieser Stelle gebrachten Aufsatze "Die Offiziere des Beurlanbtenstnndes" hervor¬
gehoben haben, sind ohne das Studium der Reglements und der Vorschriften die
höhern Anordnungen nicht zu versteh". Auf dem Wissen ruht das Selbstvertrauen,
und dieses ist die wahre Quelle des selbständigen Handelns, das schließlich den
Erfolg gewährleistet. Denken wir an die Massenaufgebote für künftige Kriege, so
möchten wir noch einen Schritt weitergehn und sagen: dieses Verständnis für
militärische Grundsätze muß noch über die berufnen Führerkreise hinaufdringen und
in den gebildeten breiten Volksschichten Wurzel fassen; es muß gewissermaßen zum
Genieingnt des Volkes werden.

Die Einleitung dieser drei Vorschriften lautet, abgesehn von den besondern
Eigentümlichkeiten der Truppengattung, beinahe gleich; so heißt es unter Ur. 1-
"Das Exerzieren bezweckt Schulung der Führer und Mannschaften für den Krieg.
Alle Übungen müssen deshalb auf den Krieg berechnet sein. Die wichtigsten An¬
forderungen aber, die der Krieg stellt, sind strengste Mannszucht und Ordnung
bei höchster Anspannung aller Kräfte. Diese Eigenschaften der Truppe so anzn-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Chinesen und sehen vor allem darauf, daß ein Zopf so lang ist wie der andre.
Dies sehen müssen und nicht lindern können, ja selbst mitmachen zu müssen, das
ist zum auf die Pappelbäume steigen.

Damit stülpte der Professor seinen Hut auf den Kopf und rannte davon, ohne
Gute Nacht zu sagen. Die zurückbleibenden lachten. — Heute hat er sich aber eine
Güte gethan, sagte Kollege Fritsche.

Das ist immer so, erwiderte Kollege Schliephake; wenn er mehr als fünf
Gläser Glühwein weg hat, so fängt er an zu lästern.

Zu Ostern wurde Max Frosch gegen alle Erwartung versetzt. Es soll seinet¬
wegen in der Versctzungskonferenz böse Auseinandersetzungen zwischen dem Direktor
und dem Kollegen Hirschhorn gegeben haben, und eine längere ernste Verstimmung
zwischen beiden die Folge gewesen sein. Max Frosch ging aber dennoch ab. Als
ich neulich in Witzeuhauseu war, um die dortige Kolonialschnle, über die ich be¬
richten sollte, anzusehen, fand ich Max Frosch unter den Zöglingen. Er sah in
seiner schmucken Tropentracht ganz menschlich aus, hatte die Trübsalsmiene ab¬
gelegt und war wieder der alte Pfarrsch-Max. Ans dem Studium wird freilich
nichts werden, auch Postsekretär wird er nicht werden, vielleicht wird aber doch
etwas Erfreuliches und Brauchbares aus ihm.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Unsre taktischen Vorschriften.

Mit dem im vorigen Jahre erschienenen
Exerzierreglement für die Feldartillerie schließt die Reihe der Vorschriften für die
drei Hauptwaffen ab. Den Anfang machte das Exerzierreglement für die Infanterie
vom 1. September 1838, dann folgte das für die Kavallerie vom 16. Sep¬
tember 1895. Sie sind geraume Zeit bei den Truppen als sogenannte Entwürfe
gebraucht worden, damit sie noch eine gewisse Läuterung durchmachen sollten, ehe
sie durch die Bestätigung des Allerhöchsten Kriegsherrn zum Gesetz erhoben würden.
In der Einsührnngsordre ist der ganz bestimmte Wille ausgedrückt worden, daß
künftig nur diese Bestimmungen maßgebend sein sollen. Wie wir in einem an
dieser Stelle gebrachten Aufsatze „Die Offiziere des Beurlanbtenstnndes" hervor¬
gehoben haben, sind ohne das Studium der Reglements und der Vorschriften die
höhern Anordnungen nicht zu versteh». Auf dem Wissen ruht das Selbstvertrauen,
und dieses ist die wahre Quelle des selbständigen Handelns, das schließlich den
Erfolg gewährleistet. Denken wir an die Massenaufgebote für künftige Kriege, so
möchten wir noch einen Schritt weitergehn und sagen: dieses Verständnis für
militärische Grundsätze muß noch über die berufnen Führerkreise hinaufdringen und
in den gebildeten breiten Volksschichten Wurzel fassen; es muß gewissermaßen zum
Genieingnt des Volkes werden.

Die Einleitung dieser drei Vorschriften lautet, abgesehn von den besondern
Eigentümlichkeiten der Truppengattung, beinahe gleich; so heißt es unter Ur. 1-
„Das Exerzieren bezweckt Schulung der Führer und Mannschaften für den Krieg.
Alle Übungen müssen deshalb auf den Krieg berechnet sein. Die wichtigsten An¬
forderungen aber, die der Krieg stellt, sind strengste Mannszucht und Ordnung
bei höchster Anspannung aller Kräfte. Diese Eigenschaften der Truppe so anzn-


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[0518] Maßgebliches und Unmaßgebliches Chinesen und sehen vor allem darauf, daß ein Zopf so lang ist wie der andre. Dies sehen müssen und nicht lindern können, ja selbst mitmachen zu müssen, das ist zum auf die Pappelbäume steigen. Damit stülpte der Professor seinen Hut auf den Kopf und rannte davon, ohne Gute Nacht zu sagen. Die zurückbleibenden lachten. — Heute hat er sich aber eine Güte gethan, sagte Kollege Fritsche. Das ist immer so, erwiderte Kollege Schliephake; wenn er mehr als fünf Gläser Glühwein weg hat, so fängt er an zu lästern. Zu Ostern wurde Max Frosch gegen alle Erwartung versetzt. Es soll seinet¬ wegen in der Versctzungskonferenz böse Auseinandersetzungen zwischen dem Direktor und dem Kollegen Hirschhorn gegeben haben, und eine längere ernste Verstimmung zwischen beiden die Folge gewesen sein. Max Frosch ging aber dennoch ab. Als ich neulich in Witzeuhauseu war, um die dortige Kolonialschnle, über die ich be¬ richten sollte, anzusehen, fand ich Max Frosch unter den Zöglingen. Er sah in seiner schmucken Tropentracht ganz menschlich aus, hatte die Trübsalsmiene ab¬ gelegt und war wieder der alte Pfarrsch-Max. Ans dem Studium wird freilich nichts werden, auch Postsekretär wird er nicht werden, vielleicht wird aber doch etwas Erfreuliches und Brauchbares aus ihm. Maßgebliches und Unmaßgebliches Unsre taktischen Vorschriften. Mit dem im vorigen Jahre erschienenen Exerzierreglement für die Feldartillerie schließt die Reihe der Vorschriften für die drei Hauptwaffen ab. Den Anfang machte das Exerzierreglement für die Infanterie vom 1. September 1838, dann folgte das für die Kavallerie vom 16. Sep¬ tember 1895. Sie sind geraume Zeit bei den Truppen als sogenannte Entwürfe gebraucht worden, damit sie noch eine gewisse Läuterung durchmachen sollten, ehe sie durch die Bestätigung des Allerhöchsten Kriegsherrn zum Gesetz erhoben würden. In der Einsührnngsordre ist der ganz bestimmte Wille ausgedrückt worden, daß künftig nur diese Bestimmungen maßgebend sein sollen. Wie wir in einem an dieser Stelle gebrachten Aufsatze „Die Offiziere des Beurlanbtenstnndes" hervor¬ gehoben haben, sind ohne das Studium der Reglements und der Vorschriften die höhern Anordnungen nicht zu versteh». Auf dem Wissen ruht das Selbstvertrauen, und dieses ist die wahre Quelle des selbständigen Handelns, das schließlich den Erfolg gewährleistet. Denken wir an die Massenaufgebote für künftige Kriege, so möchten wir noch einen Schritt weitergehn und sagen: dieses Verständnis für militärische Grundsätze muß noch über die berufnen Führerkreise hinaufdringen und in den gebildeten breiten Volksschichten Wurzel fassen; es muß gewissermaßen zum Genieingnt des Volkes werden. Die Einleitung dieser drei Vorschriften lautet, abgesehn von den besondern Eigentümlichkeiten der Truppengattung, beinahe gleich; so heißt es unter Ur. 1- „Das Exerzieren bezweckt Schulung der Führer und Mannschaften für den Krieg. Alle Übungen müssen deshalb auf den Krieg berechnet sein. Die wichtigsten An¬ forderungen aber, die der Krieg stellt, sind strengste Mannszucht und Ordnung bei höchster Anspannung aller Kräfte. Diese Eigenschaften der Truppe so anzn-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/518>, abgerufen am 05.12.2024.