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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Hcrbstbilder aus Italien

Welches Panorama! Nach Osten und Süden im violetten Dust die Gebirge,
ganz nahe das Albanergcbirgc mit seinen weißschimmernden Städten: Frascati,
Rocca ti Papa, Castel Gandvlfo, etwas ferner die Sabinerberge mit dem
hohen Monte Genaro über Tivoli und dem trotzigen Felsenklotz von Präneste
(Palestrina), zwischen beiden Gebirgen das breite Thal des Sacco (Trerus),
durch das die moderne Straße und die Eisenbahn nach Neapel läuft, ringsum
die weite wellige Ebne der Campngnn, sie durchziehend die Gräber der Via
Appia, die langen Bogenreihen der Acqua Claudia und der Acqua Marein,
im Hintergrunde die ewige Stadt, das alles im klarsten Abendlicht in jeder
Linie erkennbar. In Pnrpurglnteu ging im Westen die Sonne unter, und
blaue Schatten verdrängten die leuchtenden Farben. Schweigend stiegen Nur
hinunter und suchten unsre Wagen auf zur Heimfahrt nach Rom, das jedem,
wenn er danach ist, so rasch wie zu einem Stück Heimat wird. Es war schon
völlig dunkel und empfindlich kühl, als wir durch die hallende Wölbung der
Poren San Sebastiano wieder einzogen und dein Kapitol zuführen.

^. An der ladinischen Aüste

Rom hat jetzt keinen Seehorizont. Man sieht das Meer bei Heller Be¬
leuchtung von der Petersknppel aus, und Küstenfahrer kommen noch heute die
Tiber aufwärts bis Rom, wo sie an der Ripetta dem Aventin gegenüber liegen;
über wer in Rom ist, dem ist das Meer merkwürdig fern, obwohl die antike
Stadt gerade durch ihre Bedeutung als Hafen, als Endpunkt der Seeschiffahrt
und Ausgangspunkt der Flußschiffahrt, also als Umschlagplntz emporgekommen
ist und die alten Städte der Latinertuste allmählich überflügelt hat. Daher
ist die Geschichte Lntiums und Roms ohne seine Küste nicht völlig verständlich.
Auch als jene Häfen aufgehört hatten, seemächtige Plätze zu sein, blieben sie
für Rom wichtig als Villcgginturen der römischen Großen, später auch der
Kaiser, wie weiter südwärts die Ortschaften am Meerbusen von Neapel und
BajA. Erst im Mittelalter verödeten sie meist, als ihre Häfen versandeten und
arabische Seeräuber diese Küste bedrohten, die keine Flotte mehr schützte. Seit
dem Ende des siebzehnten Jahrhunderts kamen dann manche von ihnen aber¬
mals empor, wieder vor allem als Sommerfrischen des römischen Adels und
als Ausgangspunkte eines bescheidnen Küstenhandels.

Der Typus dieser Entwicklung ist das alte Antium, das heutige Porto
d'Anzio, zugleich die unter diesen Städten, die von Rom aus am leichtesten zu
^reichn, ist und die anmutigste Lage hat. Ein schöner Sonntagmorgen lockte
mich deshalb hinaus. Auf dem großen Bahnhöfe an den Dioklctiansthermcn
herrschte reges Leben, denn auch die Einheimischen benutzten die Gunst des
Otters, um vor allem nach dem nahen Albanergebirge nuszufliegen, und die
^'thiu führende Linie ist auch die bequemste nach Antium. Der Zug war
^so stark besetzt, als er durch die Campagnn rollte, vorüber auch an der Via
^PPia, dem Ziele unsers gestrigen Ausflugs. Nach kaum einer Stunde begann
langsam ins rebenbepflanzte Gebirge emporzusteigen und gelaugte hinter


Grenzboten I 1900 50
Hcrbstbilder aus Italien

Welches Panorama! Nach Osten und Süden im violetten Dust die Gebirge,
ganz nahe das Albanergcbirgc mit seinen weißschimmernden Städten: Frascati,
Rocca ti Papa, Castel Gandvlfo, etwas ferner die Sabinerberge mit dem
hohen Monte Genaro über Tivoli und dem trotzigen Felsenklotz von Präneste
(Palestrina), zwischen beiden Gebirgen das breite Thal des Sacco (Trerus),
durch das die moderne Straße und die Eisenbahn nach Neapel läuft, ringsum
die weite wellige Ebne der Campngnn, sie durchziehend die Gräber der Via
Appia, die langen Bogenreihen der Acqua Claudia und der Acqua Marein,
im Hintergrunde die ewige Stadt, das alles im klarsten Abendlicht in jeder
Linie erkennbar. In Pnrpurglnteu ging im Westen die Sonne unter, und
blaue Schatten verdrängten die leuchtenden Farben. Schweigend stiegen Nur
hinunter und suchten unsre Wagen auf zur Heimfahrt nach Rom, das jedem,
wenn er danach ist, so rasch wie zu einem Stück Heimat wird. Es war schon
völlig dunkel und empfindlich kühl, als wir durch die hallende Wölbung der
Poren San Sebastiano wieder einzogen und dein Kapitol zuführen.

^. An der ladinischen Aüste

Rom hat jetzt keinen Seehorizont. Man sieht das Meer bei Heller Be¬
leuchtung von der Petersknppel aus, und Küstenfahrer kommen noch heute die
Tiber aufwärts bis Rom, wo sie an der Ripetta dem Aventin gegenüber liegen;
über wer in Rom ist, dem ist das Meer merkwürdig fern, obwohl die antike
Stadt gerade durch ihre Bedeutung als Hafen, als Endpunkt der Seeschiffahrt
und Ausgangspunkt der Flußschiffahrt, also als Umschlagplntz emporgekommen
ist und die alten Städte der Latinertuste allmählich überflügelt hat. Daher
ist die Geschichte Lntiums und Roms ohne seine Küste nicht völlig verständlich.
Auch als jene Häfen aufgehört hatten, seemächtige Plätze zu sein, blieben sie
für Rom wichtig als Villcgginturen der römischen Großen, später auch der
Kaiser, wie weiter südwärts die Ortschaften am Meerbusen von Neapel und
BajA. Erst im Mittelalter verödeten sie meist, als ihre Häfen versandeten und
arabische Seeräuber diese Küste bedrohten, die keine Flotte mehr schützte. Seit
dem Ende des siebzehnten Jahrhunderts kamen dann manche von ihnen aber¬
mals empor, wieder vor allem als Sommerfrischen des römischen Adels und
als Ausgangspunkte eines bescheidnen Küstenhandels.

Der Typus dieser Entwicklung ist das alte Antium, das heutige Porto
d'Anzio, zugleich die unter diesen Städten, die von Rom aus am leichtesten zu
^reichn, ist und die anmutigste Lage hat. Ein schöner Sonntagmorgen lockte
mich deshalb hinaus. Auf dem großen Bahnhöfe an den Dioklctiansthermcn
herrschte reges Leben, denn auch die Einheimischen benutzten die Gunst des
Otters, um vor allem nach dem nahen Albanergebirge nuszufliegen, und die
^'thiu führende Linie ist auch die bequemste nach Antium. Der Zug war
^so stark besetzt, als er durch die Campagnn rollte, vorüber auch an der Via
^PPia, dem Ziele unsers gestrigen Ausflugs. Nach kaum einer Stunde begann
langsam ins rebenbepflanzte Gebirge emporzusteigen und gelaugte hinter


Grenzboten I 1900 50
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[0401] Hcrbstbilder aus Italien Welches Panorama! Nach Osten und Süden im violetten Dust die Gebirge, ganz nahe das Albanergcbirgc mit seinen weißschimmernden Städten: Frascati, Rocca ti Papa, Castel Gandvlfo, etwas ferner die Sabinerberge mit dem hohen Monte Genaro über Tivoli und dem trotzigen Felsenklotz von Präneste (Palestrina), zwischen beiden Gebirgen das breite Thal des Sacco (Trerus), durch das die moderne Straße und die Eisenbahn nach Neapel läuft, ringsum die weite wellige Ebne der Campngnn, sie durchziehend die Gräber der Via Appia, die langen Bogenreihen der Acqua Claudia und der Acqua Marein, im Hintergrunde die ewige Stadt, das alles im klarsten Abendlicht in jeder Linie erkennbar. In Pnrpurglnteu ging im Westen die Sonne unter, und blaue Schatten verdrängten die leuchtenden Farben. Schweigend stiegen Nur hinunter und suchten unsre Wagen auf zur Heimfahrt nach Rom, das jedem, wenn er danach ist, so rasch wie zu einem Stück Heimat wird. Es war schon völlig dunkel und empfindlich kühl, als wir durch die hallende Wölbung der Poren San Sebastiano wieder einzogen und dein Kapitol zuführen. ^. An der ladinischen Aüste Rom hat jetzt keinen Seehorizont. Man sieht das Meer bei Heller Be¬ leuchtung von der Petersknppel aus, und Küstenfahrer kommen noch heute die Tiber aufwärts bis Rom, wo sie an der Ripetta dem Aventin gegenüber liegen; über wer in Rom ist, dem ist das Meer merkwürdig fern, obwohl die antike Stadt gerade durch ihre Bedeutung als Hafen, als Endpunkt der Seeschiffahrt und Ausgangspunkt der Flußschiffahrt, also als Umschlagplntz emporgekommen ist und die alten Städte der Latinertuste allmählich überflügelt hat. Daher ist die Geschichte Lntiums und Roms ohne seine Küste nicht völlig verständlich. Auch als jene Häfen aufgehört hatten, seemächtige Plätze zu sein, blieben sie für Rom wichtig als Villcgginturen der römischen Großen, später auch der Kaiser, wie weiter südwärts die Ortschaften am Meerbusen von Neapel und BajA. Erst im Mittelalter verödeten sie meist, als ihre Häfen versandeten und arabische Seeräuber diese Küste bedrohten, die keine Flotte mehr schützte. Seit dem Ende des siebzehnten Jahrhunderts kamen dann manche von ihnen aber¬ mals empor, wieder vor allem als Sommerfrischen des römischen Adels und als Ausgangspunkte eines bescheidnen Küstenhandels. Der Typus dieser Entwicklung ist das alte Antium, das heutige Porto d'Anzio, zugleich die unter diesen Städten, die von Rom aus am leichtesten zu ^reichn, ist und die anmutigste Lage hat. Ein schöner Sonntagmorgen lockte mich deshalb hinaus. Auf dem großen Bahnhöfe an den Dioklctiansthermcn herrschte reges Leben, denn auch die Einheimischen benutzten die Gunst des Otters, um vor allem nach dem nahen Albanergebirge nuszufliegen, und die ^'thiu führende Linie ist auch die bequemste nach Antium. Der Zug war ^so stark besetzt, als er durch die Campagnn rollte, vorüber auch an der Via ^PPia, dem Ziele unsers gestrigen Ausflugs. Nach kaum einer Stunde begann langsam ins rebenbepflanzte Gebirge emporzusteigen und gelaugte hinter Grenzboten I 1900 50

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/401>, abgerufen am 05.12.2024.