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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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I^erbstbilder aus Italien
vo>l Otto Aaemmel (Fortsetzung)

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ar fast Mittag und in der Sonne beinahe heiß geworden,
als die Wandergenossen wieder ans der Unterwelt auftauchten,
und alles die draußen haltenden Wagen bestieg. Zunächst ging
es nicht auf der Via Appia weiter, sondern einen links ab¬
biegenden Nebenweg, die Via Appin Pignntelli hinein, die nach
der Via Appia nuova hinüberführt. Rechts davon liegen mitten im Felde
die ansehnlichen Neste vom Zirkus des Maxentius noch so wohl erhalten,
daß sie einen guten Begriff von dieser Art Anlagen geben, links führt ein
Fußpfad nach sunt' Urbano. Früher als ein Baechustempel betrachtet, ist dieses
Gebäude thatsächlich ein großes Grabmal aus der Zeit der Antonine in Form
eines kleinen Tempels, dessen vier die Vorhalle bildende schlanke korinthische
Säulen bei der Verwandlung in eine Kirche (im nennten Jahrhundert) in die
Vorderwnnd eingemauert wordeu sind. Auch das schlichte Innere zeigt an den
Wänden korinthische Pfeilerstellungen unter dem kassettierten hohen Tonnen¬
gewölbe; nnter dein Fußboden liegt die jetzt unzugängliche Gruft. Wenige
hundert Schritt weiter nordwärts den Abhang nach der Balle Cciffnrella hinab
sind es von Sant' Urbano nach der sogenannten Quelle der Egeria, die freilich
erst die Humanisten hier gesucht haben, und zwar irrtümlicherweise, denn die
echte Quelle hat unmittelbar vor der alten Porta Capena am Fuße des Cälius
gelegen. Was man jetzt so nennt, ist thatsächlich ein antikes Nhmphüum in
einer Aushöhlung der südlichen Thalwand: von der geglättete!? Felswand
sprudelt aus drei Röhren klares Wasser in ein bemoostes Mnrmorbeckeu,
darüber liegt die verwitterte Gestalt eines Flnßgottes, zwischen movsbekleidetcn,
epheuübersponnenen, wasserrieselnden Felswänden und Gewölben ein kühler,
schattiger Platz selbst beim heißen Mittag. Der sogenannte Hain der Egeria
hat in frühern Jahrzehnten bis an dieses Nymphäum gereicht; jetzt ist er auf
ein kleines Wäldchen prächtiger dunkler Steineichen auf der Höhe zusammen¬
geschmolzen, eine Bauminsel inmitten der blühenden, von Thymian lind Minze
duftenden Grassteppe, zugleich ein herrlicher Aussichtspunkt, von dem man
hinaus in die Nieitc Campagna und über die Thnlsenkung des Almo hinweg
nach der braunen Stadtmauer und den ragenden Türmen der Porta San
Sebastiane" sieht. An solchen Thalnngen und noch besser an künstlichen Ein¬
schnitten kann man den geologischen Bau der Campagna besonders gut er-




I^erbstbilder aus Italien
vo>l Otto Aaemmel (Fortsetzung)

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ar fast Mittag und in der Sonne beinahe heiß geworden,
als die Wandergenossen wieder ans der Unterwelt auftauchten,
und alles die draußen haltenden Wagen bestieg. Zunächst ging
es nicht auf der Via Appia weiter, sondern einen links ab¬
biegenden Nebenweg, die Via Appin Pignntelli hinein, die nach
der Via Appia nuova hinüberführt. Rechts davon liegen mitten im Felde
die ansehnlichen Neste vom Zirkus des Maxentius noch so wohl erhalten,
daß sie einen guten Begriff von dieser Art Anlagen geben, links führt ein
Fußpfad nach sunt' Urbano. Früher als ein Baechustempel betrachtet, ist dieses
Gebäude thatsächlich ein großes Grabmal aus der Zeit der Antonine in Form
eines kleinen Tempels, dessen vier die Vorhalle bildende schlanke korinthische
Säulen bei der Verwandlung in eine Kirche (im nennten Jahrhundert) in die
Vorderwnnd eingemauert wordeu sind. Auch das schlichte Innere zeigt an den
Wänden korinthische Pfeilerstellungen unter dem kassettierten hohen Tonnen¬
gewölbe; nnter dein Fußboden liegt die jetzt unzugängliche Gruft. Wenige
hundert Schritt weiter nordwärts den Abhang nach der Balle Cciffnrella hinab
sind es von Sant' Urbano nach der sogenannten Quelle der Egeria, die freilich
erst die Humanisten hier gesucht haben, und zwar irrtümlicherweise, denn die
echte Quelle hat unmittelbar vor der alten Porta Capena am Fuße des Cälius
gelegen. Was man jetzt so nennt, ist thatsächlich ein antikes Nhmphüum in
einer Aushöhlung der südlichen Thalwand: von der geglättete!? Felswand
sprudelt aus drei Röhren klares Wasser in ein bemoostes Mnrmorbeckeu,
darüber liegt die verwitterte Gestalt eines Flnßgottes, zwischen movsbekleidetcn,
epheuübersponnenen, wasserrieselnden Felswänden und Gewölben ein kühler,
schattiger Platz selbst beim heißen Mittag. Der sogenannte Hain der Egeria
hat in frühern Jahrzehnten bis an dieses Nymphäum gereicht; jetzt ist er auf
ein kleines Wäldchen prächtiger dunkler Steineichen auf der Höhe zusammen¬
geschmolzen, eine Bauminsel inmitten der blühenden, von Thymian lind Minze
duftenden Grassteppe, zugleich ein herrlicher Aussichtspunkt, von dem man
hinaus in die Nieitc Campagna und über die Thnlsenkung des Almo hinweg
nach der braunen Stadtmauer und den ragenden Türmen der Porta San
Sebastiane» sieht. An solchen Thalnngen und noch besser an künstlichen Ein¬
schnitten kann man den geologischen Bau der Campagna besonders gut er-


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[0398] [Abbildung] I^erbstbilder aus Italien vo>l Otto Aaemmel (Fortsetzung) s w ar fast Mittag und in der Sonne beinahe heiß geworden, als die Wandergenossen wieder ans der Unterwelt auftauchten, und alles die draußen haltenden Wagen bestieg. Zunächst ging es nicht auf der Via Appia weiter, sondern einen links ab¬ biegenden Nebenweg, die Via Appin Pignntelli hinein, die nach der Via Appia nuova hinüberführt. Rechts davon liegen mitten im Felde die ansehnlichen Neste vom Zirkus des Maxentius noch so wohl erhalten, daß sie einen guten Begriff von dieser Art Anlagen geben, links führt ein Fußpfad nach sunt' Urbano. Früher als ein Baechustempel betrachtet, ist dieses Gebäude thatsächlich ein großes Grabmal aus der Zeit der Antonine in Form eines kleinen Tempels, dessen vier die Vorhalle bildende schlanke korinthische Säulen bei der Verwandlung in eine Kirche (im nennten Jahrhundert) in die Vorderwnnd eingemauert wordeu sind. Auch das schlichte Innere zeigt an den Wänden korinthische Pfeilerstellungen unter dem kassettierten hohen Tonnen¬ gewölbe; nnter dein Fußboden liegt die jetzt unzugängliche Gruft. Wenige hundert Schritt weiter nordwärts den Abhang nach der Balle Cciffnrella hinab sind es von Sant' Urbano nach der sogenannten Quelle der Egeria, die freilich erst die Humanisten hier gesucht haben, und zwar irrtümlicherweise, denn die echte Quelle hat unmittelbar vor der alten Porta Capena am Fuße des Cälius gelegen. Was man jetzt so nennt, ist thatsächlich ein antikes Nhmphüum in einer Aushöhlung der südlichen Thalwand: von der geglättete!? Felswand sprudelt aus drei Röhren klares Wasser in ein bemoostes Mnrmorbeckeu, darüber liegt die verwitterte Gestalt eines Flnßgottes, zwischen movsbekleidetcn, epheuübersponnenen, wasserrieselnden Felswänden und Gewölben ein kühler, schattiger Platz selbst beim heißen Mittag. Der sogenannte Hain der Egeria hat in frühern Jahrzehnten bis an dieses Nymphäum gereicht; jetzt ist er auf ein kleines Wäldchen prächtiger dunkler Steineichen auf der Höhe zusammen¬ geschmolzen, eine Bauminsel inmitten der blühenden, von Thymian lind Minze duftenden Grassteppe, zugleich ein herrlicher Aussichtspunkt, von dem man hinaus in die Nieitc Campagna und über die Thnlsenkung des Almo hinweg nach der braunen Stadtmauer und den ragenden Türmen der Porta San Sebastiane» sieht. An solchen Thalnngen und noch besser an künstlichen Ein¬ schnitten kann man den geologischen Bau der Campagna besonders gut er-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/398>, abgerufen am 27.06.2024.