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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Heri'stbilder aus Italien

ein Professor bürgerlicher Abkunft und von bescheidnen Vermögen erster
Minister und Vertrauter des Monarchen werde konnte. Am höchsten schätzt
Bunge die deutschen Nationalökonomen, und am allerhöchsten Schmoller. Er
sagt, es sei falsch, ihn den sogenannten Kathedersozialisten bciznzühlen, er sei
vielmehr, obwohl er kein System aufgestellt, kein Lehrbuch geschrieben habe,
der eigentliche Begründer der "fortschrittlichen historisch-statistischen Schule."
In seinen Einzelsorschuugen zeige er, wie man die Materialien sammeln und
verwenden, die Erscheinungen beobachten müsse. Er schreibe keine Rezepte zu
allgemeiner Menschheitsbeglückung, sondern zeige, in welchen Beziehungen die
Erscheinungen des Wirtschaftslebens zu denen der übrigen Lcbensgebiete stehn;
er suche die Ergebnisse der Geschichte und der Statistik nicht in die Schubfächer
eines Systems einznzwängeu, sondern er benütze sie dazu, die wirklichen Ur¬
sachen der herrschenden Zustände klar zu machen und daraus die Mittel ab¬
zuleiten, womit die erhaltenswerten erhalten, die unerwünschten bekämpft werden
können. Bunge lobt auch die Zeitschriften und Sammelwerke, die im Sinne
Schmollers wirken und zum Teil von ihm gegründet oder wenigstens angeregt
sind: die Jahrbücher für Nationalökonomie, die Zeitschrift für die gesamten
Staatswissenschaften, das Archiv für soziale Gesetzgebung und Statistik, die
Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Franckcnsteins Hand- und Lehrbuch
der Staatswissenschaften und besonders das Handwörterbuch der Staatswissen-
schaften von Conrad und Lexis, das er oft zitiert.

Ein Professor, der leitender Minister einer Weltmacht wird, sich in dieser
hohen Stellung seines Lehrerberufs nicht schämt, sogar ihm treu bleibt und
noch wenige Wochen vor seinem Tode die Studenten mit einem brauchbaren
Handbuche beschenkt -- denn das sind die Nsciuissss --, das ist eine so merk¬
würdige und nach unserm Geschmack so tröstliche Erscheinung, das; wir sie unsern
Lesern nicht vorenthalten durften. Der französische Übersetzer, der sich nicht
nennt (er zeichnet das Vorwort A. Z.), hat seine Sache sehr gut gemacht.




Herbstbilder aus Italien
von Veto Uaemmel (Fortsetzung)

n de
n Untergang des Bürgerstaats erinnern gleich beim Eintritt
in Siena die Promenade della Lizza, die erst gegen das Ende
des achtzehnten Jahrhunderts an die Stelle der spanischen Festung
Karls V. getreten ist, und die moderne "Festung" (Fortezza), die
Cosimo I. nach der Eroberung in der Form eines bastionierten
Rechtecks als Zwingburg derart anlegte, daß sie von ihrer aussichtsreichen


Heri'stbilder aus Italien

ein Professor bürgerlicher Abkunft und von bescheidnen Vermögen erster
Minister und Vertrauter des Monarchen werde konnte. Am höchsten schätzt
Bunge die deutschen Nationalökonomen, und am allerhöchsten Schmoller. Er
sagt, es sei falsch, ihn den sogenannten Kathedersozialisten bciznzühlen, er sei
vielmehr, obwohl er kein System aufgestellt, kein Lehrbuch geschrieben habe,
der eigentliche Begründer der „fortschrittlichen historisch-statistischen Schule."
In seinen Einzelsorschuugen zeige er, wie man die Materialien sammeln und
verwenden, die Erscheinungen beobachten müsse. Er schreibe keine Rezepte zu
allgemeiner Menschheitsbeglückung, sondern zeige, in welchen Beziehungen die
Erscheinungen des Wirtschaftslebens zu denen der übrigen Lcbensgebiete stehn;
er suche die Ergebnisse der Geschichte und der Statistik nicht in die Schubfächer
eines Systems einznzwängeu, sondern er benütze sie dazu, die wirklichen Ur¬
sachen der herrschenden Zustände klar zu machen und daraus die Mittel ab¬
zuleiten, womit die erhaltenswerten erhalten, die unerwünschten bekämpft werden
können. Bunge lobt auch die Zeitschriften und Sammelwerke, die im Sinne
Schmollers wirken und zum Teil von ihm gegründet oder wenigstens angeregt
sind: die Jahrbücher für Nationalökonomie, die Zeitschrift für die gesamten
Staatswissenschaften, das Archiv für soziale Gesetzgebung und Statistik, die
Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Franckcnsteins Hand- und Lehrbuch
der Staatswissenschaften und besonders das Handwörterbuch der Staatswissen-
schaften von Conrad und Lexis, das er oft zitiert.

Ein Professor, der leitender Minister einer Weltmacht wird, sich in dieser
hohen Stellung seines Lehrerberufs nicht schämt, sogar ihm treu bleibt und
noch wenige Wochen vor seinem Tode die Studenten mit einem brauchbaren
Handbuche beschenkt — denn das sind die Nsciuissss —, das ist eine so merk¬
würdige und nach unserm Geschmack so tröstliche Erscheinung, das; wir sie unsern
Lesern nicht vorenthalten durften. Der französische Übersetzer, der sich nicht
nennt (er zeichnet das Vorwort A. Z.), hat seine Sache sehr gut gemacht.




Herbstbilder aus Italien
von Veto Uaemmel (Fortsetzung)

n de
n Untergang des Bürgerstaats erinnern gleich beim Eintritt
in Siena die Promenade della Lizza, die erst gegen das Ende
des achtzehnten Jahrhunderts an die Stelle der spanischen Festung
Karls V. getreten ist, und die moderne „Festung" (Fortezza), die
Cosimo I. nach der Eroberung in der Form eines bastionierten
Rechtecks als Zwingburg derart anlegte, daß sie von ihrer aussichtsreichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/348>, abgerufen am 22.07.2024.