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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Gin russischer Minister als Nationalökonom

der Leibeigenschaft, Vernichtung der dentschen Beziehungen zum' Weltmarkt
durch Zollkriege und Beseitigung der Handelsverträge, Beschränkung der poli¬
tischen und der geistigen Freiheit usw. Es wäre unverständlich, daß eine wirt¬
schaftliche Vereinigung zu so harten reaktionären Mitteln greift, wenn mau
nicht wüßte, daß damit zugleich eine kleine Gruppe ihren politischen Thron
wieder sichern will, von dem sie zu stürzen droht. Diese Tendenz, die der
Bund der Landwirte verfolgt, zwingt jeden, der den Schutz und die Erhaltung
der deutscheu Übersceinteressen für notwendig hält, den Blind der Landwirte
als antinational zu bekämpfen. Das genügt nicht, daß man eine Mitgliedskarte
zur Kolouialgesellschnft oder zum Flottenvereine nimmt; mancher "Kolonial¬
politiker" läßt sich allerdings genügen, damit seine "nationale Gesinnung" zu
bethätigen, und wenn er ein übriges thun will, dünn schimpft er noch auf
Eugen Richter oder Bebel, weil das gesellschaftlich keinen Schaden bringt.
Aber den Bund der Landwirte, der nicht weniger gefährlich ist als diese, zu
bekämpfen, kann gesellschaftliche Nachteile bringen. Dn werden diese Herren
sich hüten, ihren "nationalen Sinn" ernsthaft zu bethätigen. Es geht aber
heutzutage nicht mehr, daß mau die Kolonialpolitik als Zeitvertreib oder
Sport und Quelle für mehr oder minder niedliche Orden betrachtet. Die Welt¬
politik ist eine Frage geworden, von deren Lösung die Existenz vieler Millionen
Menschen abhängt. Und die Vereine, die die Forderung der Kolonial- und
Weltpolitik auf ihre Fahnen schreiben, dürfen sich nicht um allerhand mehr oder
minder zwecklosen Resolutiöucheu begnügen, die Kinderspiel sind im Vergleich
zu der Große der Sache, fondern sie müssen aktiv vorgehn gegen die Feinde
ihrer Sache, die die Sache der Gesamtheit ist. Aber freilich, das ist ja nicht
zu verlangen, so lange allerhand welke Größen ihren geheimrütlichen oder
exzellenten Perückenstanb auf das grüne Laub der kolonialen Sache schütteln
dürfen.




Gin russischer Minister als Nationalökonom

i
n Abriß der Geschichte der Nationalvkonomik -- dein: das ist
mit dem Titel des uns vorliegenden Buchs") gemeint -- wäre
ein sich kein für ausführliche Besprechung um dieser Stelle ge¬
eigneter Gegenstand, denn jeder leidlich Unterrichtete weiß ja im
voraus, was darin steht; aber wenn der Leser erführe, daß der
Versasser russischer Finanzminister gewesen ist, so wird ihn die Neugier locken,



Kön^isss" Ah littsraturs xolitioo-soonomiiiiis Mi' Omi'. I'ungo,
anoion xrokosssur ü, I'rmivorsitv as Xisv, auvisv mioistrv äos Knimoos se pzMcksnt an
Vowitü ass miiüstro". D'kniend Kusss. L.ovo "Q portrmt as t'autoni'. MIs se Sonvvo,
cisorA se vu., 1898.
Gin russischer Minister als Nationalökonom

der Leibeigenschaft, Vernichtung der dentschen Beziehungen zum' Weltmarkt
durch Zollkriege und Beseitigung der Handelsverträge, Beschränkung der poli¬
tischen und der geistigen Freiheit usw. Es wäre unverständlich, daß eine wirt¬
schaftliche Vereinigung zu so harten reaktionären Mitteln greift, wenn mau
nicht wüßte, daß damit zugleich eine kleine Gruppe ihren politischen Thron
wieder sichern will, von dem sie zu stürzen droht. Diese Tendenz, die der
Bund der Landwirte verfolgt, zwingt jeden, der den Schutz und die Erhaltung
der deutscheu Übersceinteressen für notwendig hält, den Blind der Landwirte
als antinational zu bekämpfen. Das genügt nicht, daß man eine Mitgliedskarte
zur Kolouialgesellschnft oder zum Flottenvereine nimmt; mancher „Kolonial¬
politiker" läßt sich allerdings genügen, damit seine „nationale Gesinnung" zu
bethätigen, und wenn er ein übriges thun will, dünn schimpft er noch auf
Eugen Richter oder Bebel, weil das gesellschaftlich keinen Schaden bringt.
Aber den Bund der Landwirte, der nicht weniger gefährlich ist als diese, zu
bekämpfen, kann gesellschaftliche Nachteile bringen. Dn werden diese Herren
sich hüten, ihren „nationalen Sinn" ernsthaft zu bethätigen. Es geht aber
heutzutage nicht mehr, daß mau die Kolonialpolitik als Zeitvertreib oder
Sport und Quelle für mehr oder minder niedliche Orden betrachtet. Die Welt¬
politik ist eine Frage geworden, von deren Lösung die Existenz vieler Millionen
Menschen abhängt. Und die Vereine, die die Forderung der Kolonial- und
Weltpolitik auf ihre Fahnen schreiben, dürfen sich nicht um allerhand mehr oder
minder zwecklosen Resolutiöucheu begnügen, die Kinderspiel sind im Vergleich
zu der Große der Sache, fondern sie müssen aktiv vorgehn gegen die Feinde
ihrer Sache, die die Sache der Gesamtheit ist. Aber freilich, das ist ja nicht
zu verlangen, so lange allerhand welke Größen ihren geheimrütlichen oder
exzellenten Perückenstanb auf das grüne Laub der kolonialen Sache schütteln
dürfen.




Gin russischer Minister als Nationalökonom

i
n Abriß der Geschichte der Nationalvkonomik — dein: das ist
mit dem Titel des uns vorliegenden Buchs") gemeint — wäre
ein sich kein für ausführliche Besprechung um dieser Stelle ge¬
eigneter Gegenstand, denn jeder leidlich Unterrichtete weiß ja im
voraus, was darin steht; aber wenn der Leser erführe, daß der
Versasser russischer Finanzminister gewesen ist, so wird ihn die Neugier locken,



Kön^isss« Ah littsraturs xolitioo-soonomiiiiis Mi' Omi'. I'ungo,
anoion xrokosssur ü, I'rmivorsitv as Xisv, auvisv mioistrv äos Knimoos se pzMcksnt an
Vowitü ass miiüstro». D'kniend Kusss. L.ovo «Q portrmt as t'autoni'. MIs se Sonvvo,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/338>, abgerufen am 03.07.2024.