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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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einen Herrn zu verschaffen, der imstande wäre, dieses Glacis von Siebenbürgen
westeuropäischer Kultur anzugliedern und dieses Land zu der auch militärischen
Tüchtigkeit heranzuziehn, die es in dem russisch-türkischen 5!!riege von 1878, vor
allem in den ruhmvollen Kämpfen um Plevna gezeigt hat. Die Lebensfähig¬
keit, die Rumänien damals bewiesen hat, verhinderte nicht nur, daß es selber
von Rußland in das ihm zugedachte Vasallenverhältnis hinabgedrückt wurde,
sondern daß neben ihm und dem vergrößerten und zum Königtum erhobnen
Serbien ein dritter Pufferstaat, Bulgarien, auf der Bnlknnhnlbinset entstand.
Der Religion nach, wie Griechenland, russisch-katholisch und damit dem Orient
angehörig und nach dem Bildungsstand der Massen und der Solidität der
regierenden Klassen noch keineswegs der europäischen Zivilisation angegliedert,
sind alle diese Staaten doch als Verfassungsländer in die Reihe der euro¬
päischen Kulturstaaten eingetreten. Wären ihnen allen dauernd ebenso kraft¬
volle und kluge und redliche Fürsten beschieden, wie Rumänien eiuen in seinem
König hat, so könnte man hoffen, daß sich unter dem Schuhe der Ver¬
fassungen und nnter einer ehrlichen Verwaltung diese Länder im Laufe eines
Menschenalters geistig und sittlich vollkommen der westeuropäischen Kultur ein-
gliedern würden, während sie heute noch Zwittergebilde von dieser und orien¬
talischem Wesen sind. Damit würde die Schwelle des Orients nicht mehr von
der Donau auf ihrem Laufe zwischen Belgrad und Orsova dargestellt werden,
sondern südwärts bis vor die Thore Konstantinopels gerückt sein. Inwieweit
jedoch der maurische Kronprinz, wie man es hoffen und wünschen möchte,
Mann dazu sein wird, die von seinem Oheim ruhmvoll begonnene Arbeit
weiterzuführen, ob es Serbien beschieden sein wird, anstatt der allein Anschein
nach dem Untergang geweihten Dhnastie der Obrenowitsche ein geeignetes
Fürstenhaus zu bekommen, ob nicht der drohende Zusammenbruch von Österreich-
Ungarn schließlich doch noch der neuen orientalischen Vormacht die ganze
Balkanhalbinsel in den Schoß wirft, das kann heute niemand sagen.




Die Verdopplung der deutschen ^chlachtflotte

"Unsre Zukunft liegt nuf dem Wasser,"

enden der Kaiser am 18, Oktober v. I, im Hamburger Rathause
nach dem Stapellnufe des Linienschiffs "Kaiser Karl der Große"
in schwungvoller Ansprache auf die Notwendigkeit einer aber¬
maligen Verstärkung der deutschen Flotte hingewiesen hat, ist
eine mächtige Bewegung durch das deutsche Volk gegangen. Mit
der Kraft einer Naturgewalt hat sich die Überzeugung Bahn gebrochen, daß
die deutsche Weltpvlitik nicht einer persönlichen Laune, auch nicht politischem.


einen Herrn zu verschaffen, der imstande wäre, dieses Glacis von Siebenbürgen
westeuropäischer Kultur anzugliedern und dieses Land zu der auch militärischen
Tüchtigkeit heranzuziehn, die es in dem russisch-türkischen 5!!riege von 1878, vor
allem in den ruhmvollen Kämpfen um Plevna gezeigt hat. Die Lebensfähig¬
keit, die Rumänien damals bewiesen hat, verhinderte nicht nur, daß es selber
von Rußland in das ihm zugedachte Vasallenverhältnis hinabgedrückt wurde,
sondern daß neben ihm und dem vergrößerten und zum Königtum erhobnen
Serbien ein dritter Pufferstaat, Bulgarien, auf der Bnlknnhnlbinset entstand.
Der Religion nach, wie Griechenland, russisch-katholisch und damit dem Orient
angehörig und nach dem Bildungsstand der Massen und der Solidität der
regierenden Klassen noch keineswegs der europäischen Zivilisation angegliedert,
sind alle diese Staaten doch als Verfassungsländer in die Reihe der euro¬
päischen Kulturstaaten eingetreten. Wären ihnen allen dauernd ebenso kraft¬
volle und kluge und redliche Fürsten beschieden, wie Rumänien eiuen in seinem
König hat, so könnte man hoffen, daß sich unter dem Schuhe der Ver¬
fassungen und nnter einer ehrlichen Verwaltung diese Länder im Laufe eines
Menschenalters geistig und sittlich vollkommen der westeuropäischen Kultur ein-
gliedern würden, während sie heute noch Zwittergebilde von dieser und orien¬
talischem Wesen sind. Damit würde die Schwelle des Orients nicht mehr von
der Donau auf ihrem Laufe zwischen Belgrad und Orsova dargestellt werden,
sondern südwärts bis vor die Thore Konstantinopels gerückt sein. Inwieweit
jedoch der maurische Kronprinz, wie man es hoffen und wünschen möchte,
Mann dazu sein wird, die von seinem Oheim ruhmvoll begonnene Arbeit
weiterzuführen, ob es Serbien beschieden sein wird, anstatt der allein Anschein
nach dem Untergang geweihten Dhnastie der Obrenowitsche ein geeignetes
Fürstenhaus zu bekommen, ob nicht der drohende Zusammenbruch von Österreich-
Ungarn schließlich doch noch der neuen orientalischen Vormacht die ganze
Balkanhalbinsel in den Schoß wirft, das kann heute niemand sagen.




Die Verdopplung der deutschen ^chlachtflotte

„Unsre Zukunft liegt nuf dem Wasser,"

enden der Kaiser am 18, Oktober v. I, im Hamburger Rathause
nach dem Stapellnufe des Linienschiffs „Kaiser Karl der Große"
in schwungvoller Ansprache auf die Notwendigkeit einer aber¬
maligen Verstärkung der deutschen Flotte hingewiesen hat, ist
eine mächtige Bewegung durch das deutsche Volk gegangen. Mit
der Kraft einer Naturgewalt hat sich die Überzeugung Bahn gebrochen, daß
die deutsche Weltpvlitik nicht einer persönlichen Laune, auch nicht politischem.


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[0312] einen Herrn zu verschaffen, der imstande wäre, dieses Glacis von Siebenbürgen westeuropäischer Kultur anzugliedern und dieses Land zu der auch militärischen Tüchtigkeit heranzuziehn, die es in dem russisch-türkischen 5!!riege von 1878, vor allem in den ruhmvollen Kämpfen um Plevna gezeigt hat. Die Lebensfähig¬ keit, die Rumänien damals bewiesen hat, verhinderte nicht nur, daß es selber von Rußland in das ihm zugedachte Vasallenverhältnis hinabgedrückt wurde, sondern daß neben ihm und dem vergrößerten und zum Königtum erhobnen Serbien ein dritter Pufferstaat, Bulgarien, auf der Bnlknnhnlbinset entstand. Der Religion nach, wie Griechenland, russisch-katholisch und damit dem Orient angehörig und nach dem Bildungsstand der Massen und der Solidität der regierenden Klassen noch keineswegs der europäischen Zivilisation angegliedert, sind alle diese Staaten doch als Verfassungsländer in die Reihe der euro¬ päischen Kulturstaaten eingetreten. Wären ihnen allen dauernd ebenso kraft¬ volle und kluge und redliche Fürsten beschieden, wie Rumänien eiuen in seinem König hat, so könnte man hoffen, daß sich unter dem Schuhe der Ver¬ fassungen und nnter einer ehrlichen Verwaltung diese Länder im Laufe eines Menschenalters geistig und sittlich vollkommen der westeuropäischen Kultur ein- gliedern würden, während sie heute noch Zwittergebilde von dieser und orien¬ talischem Wesen sind. Damit würde die Schwelle des Orients nicht mehr von der Donau auf ihrem Laufe zwischen Belgrad und Orsova dargestellt werden, sondern südwärts bis vor die Thore Konstantinopels gerückt sein. Inwieweit jedoch der maurische Kronprinz, wie man es hoffen und wünschen möchte, Mann dazu sein wird, die von seinem Oheim ruhmvoll begonnene Arbeit weiterzuführen, ob es Serbien beschieden sein wird, anstatt der allein Anschein nach dem Untergang geweihten Dhnastie der Obrenowitsche ein geeignetes Fürstenhaus zu bekommen, ob nicht der drohende Zusammenbruch von Österreich- Ungarn schließlich doch noch der neuen orientalischen Vormacht die ganze Balkanhalbinsel in den Schoß wirft, das kann heute niemand sagen. Die Verdopplung der deutschen ^chlachtflotte „Unsre Zukunft liegt nuf dem Wasser," enden der Kaiser am 18, Oktober v. I, im Hamburger Rathause nach dem Stapellnufe des Linienschiffs „Kaiser Karl der Große" in schwungvoller Ansprache auf die Notwendigkeit einer aber¬ maligen Verstärkung der deutschen Flotte hingewiesen hat, ist eine mächtige Bewegung durch das deutsche Volk gegangen. Mit der Kraft einer Naturgewalt hat sich die Überzeugung Bahn gebrochen, daß die deutsche Weltpvlitik nicht einer persönlichen Laune, auch nicht politischem.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/312>, abgerufen am 05.12.2024.