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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Herbstbilder aus Italien

beruht, hat sich vermindert, gewöhnliche moderne Zugstücke, auf die eine Bühne
mit diesen Mitteln und diesem festen Publikum nicht angewiesen sein müßte,
werden bis zur Erschöpfung ihrer Zugkraft aufgeführt, das bessere Moderne
aber, das neben dem Alten und Klassischen sein Recht hat, wird äußerst selten
geboten. Der Tantiemenvoranschlng wird überschritten (die Klassiker sind ja
tmitiemenfrei), das Hoftheater, das das Höchste pflegen könnte, wetteifert mit
dem Volkstheater, und die festen Abonnements des guten Stammpublikums
vermindern sich. WaL dagegen mit dem klassischen Repertoire zu gewinne"
wäre, zeigt der Umstand, daß noch jetzt jedes klassische Stück gute Einnahmen
bringt. Aber der Direktor müßte ein Bearbeiter und ein Regisseur sein. Vor
dieser Aufgabe steht Schlenther rat- und hilflos da. Nur in einem übertrifft
er alle seine Vorgänger, er ist der geschickteste Höfling, der zu allem und nach
allen Seiten hin Ja und Amen sagt. Eben so unfähig wie dem Repertoire
gegenüber hat er sich gezeigt, das Ensemble der Schauspieler auf der Höhe zu
halten, es von außen zu ergänzen und neue Kräfte zu bilden. Er scheint der
Totengräber des Burgtheatcrs zu sein, wenn nicht bald Hilfe kommt. Mau
sieht, die Anklage ist deutlich, und keiner wird gegen die folgende prinzipielle
Behauptung etwas einwenden wollen. Ein Hoftheater kann kein Litteratur-
theater mehr sein wie ehemals, für die Einführung des Neuen haben wir jetzt
andre Bühnen und zwar mehr als genug, aber es kann noch eine Muster-
anstalt der Schauspielkunst sein, und das war das Burgtheater früher, es
konnte dem Publikum das gute Alte bieten in einer Darstellung und Ausstattn"^
wie keine andre Bühne. Hierin liegt seine Zukunft, wenn es eine hat!

(Schluß folgt)




Herbstbilder aus Italien
Von Gelo Uaeminel
i^. Der italienische Herbst

s ist eine alte
, immer wieder ausgeworfne und viel erörterte
Frage: In welcher Jahreszeit reist man am besten nach Italie",
ist der Frühling schöner oder der Herbst? Die meisten werde"
darauf antworten: Der Frühling! Wenn in Deutschland noch
alles im Schnee begraben liegt, oder die Vegetation wenigfw^
noch tot und leblos ist, die Bäume und Sträucher noch unbekandt stehn, M'b
ein trüber Wolkenhimmel über dem Lande liegt, trifft der Reisende, sobald
er die von Eis und Schnee starrenden Alpen überschritten hat, den südliche"
Frühling an. Alles grünt und blüht; in den Berge" sprießen Tazette"


Herbstbilder aus Italien

beruht, hat sich vermindert, gewöhnliche moderne Zugstücke, auf die eine Bühne
mit diesen Mitteln und diesem festen Publikum nicht angewiesen sein müßte,
werden bis zur Erschöpfung ihrer Zugkraft aufgeführt, das bessere Moderne
aber, das neben dem Alten und Klassischen sein Recht hat, wird äußerst selten
geboten. Der Tantiemenvoranschlng wird überschritten (die Klassiker sind ja
tmitiemenfrei), das Hoftheater, das das Höchste pflegen könnte, wetteifert mit
dem Volkstheater, und die festen Abonnements des guten Stammpublikums
vermindern sich. WaL dagegen mit dem klassischen Repertoire zu gewinne»
wäre, zeigt der Umstand, daß noch jetzt jedes klassische Stück gute Einnahmen
bringt. Aber der Direktor müßte ein Bearbeiter und ein Regisseur sein. Vor
dieser Aufgabe steht Schlenther rat- und hilflos da. Nur in einem übertrifft
er alle seine Vorgänger, er ist der geschickteste Höfling, der zu allem und nach
allen Seiten hin Ja und Amen sagt. Eben so unfähig wie dem Repertoire
gegenüber hat er sich gezeigt, das Ensemble der Schauspieler auf der Höhe zu
halten, es von außen zu ergänzen und neue Kräfte zu bilden. Er scheint der
Totengräber des Burgtheatcrs zu sein, wenn nicht bald Hilfe kommt. Mau
sieht, die Anklage ist deutlich, und keiner wird gegen die folgende prinzipielle
Behauptung etwas einwenden wollen. Ein Hoftheater kann kein Litteratur-
theater mehr sein wie ehemals, für die Einführung des Neuen haben wir jetzt
andre Bühnen und zwar mehr als genug, aber es kann noch eine Muster-
anstalt der Schauspielkunst sein, und das war das Burgtheater früher, es
konnte dem Publikum das gute Alte bieten in einer Darstellung und Ausstattn»^
wie keine andre Bühne. Hierin liegt seine Zukunft, wenn es eine hat!

(Schluß folgt)




Herbstbilder aus Italien
Von Gelo Uaeminel
i^. Der italienische Herbst

s ist eine alte
, immer wieder ausgeworfne und viel erörterte
Frage: In welcher Jahreszeit reist man am besten nach Italie»,
ist der Frühling schöner oder der Herbst? Die meisten werde»
darauf antworten: Der Frühling! Wenn in Deutschland noch
alles im Schnee begraben liegt, oder die Vegetation wenigfw^
noch tot und leblos ist, die Bäume und Sträucher noch unbekandt stehn, M'b
ein trüber Wolkenhimmel über dem Lande liegt, trifft der Reisende, sobald
er die von Eis und Schnee starrenden Alpen überschritten hat, den südliche»
Frühling an. Alles grünt und blüht; in den Berge» sprießen Tazette»


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[0250] Herbstbilder aus Italien beruht, hat sich vermindert, gewöhnliche moderne Zugstücke, auf die eine Bühne mit diesen Mitteln und diesem festen Publikum nicht angewiesen sein müßte, werden bis zur Erschöpfung ihrer Zugkraft aufgeführt, das bessere Moderne aber, das neben dem Alten und Klassischen sein Recht hat, wird äußerst selten geboten. Der Tantiemenvoranschlng wird überschritten (die Klassiker sind ja tmitiemenfrei), das Hoftheater, das das Höchste pflegen könnte, wetteifert mit dem Volkstheater, und die festen Abonnements des guten Stammpublikums vermindern sich. WaL dagegen mit dem klassischen Repertoire zu gewinne» wäre, zeigt der Umstand, daß noch jetzt jedes klassische Stück gute Einnahmen bringt. Aber der Direktor müßte ein Bearbeiter und ein Regisseur sein. Vor dieser Aufgabe steht Schlenther rat- und hilflos da. Nur in einem übertrifft er alle seine Vorgänger, er ist der geschickteste Höfling, der zu allem und nach allen Seiten hin Ja und Amen sagt. Eben so unfähig wie dem Repertoire gegenüber hat er sich gezeigt, das Ensemble der Schauspieler auf der Höhe zu halten, es von außen zu ergänzen und neue Kräfte zu bilden. Er scheint der Totengräber des Burgtheatcrs zu sein, wenn nicht bald Hilfe kommt. Mau sieht, die Anklage ist deutlich, und keiner wird gegen die folgende prinzipielle Behauptung etwas einwenden wollen. Ein Hoftheater kann kein Litteratur- theater mehr sein wie ehemals, für die Einführung des Neuen haben wir jetzt andre Bühnen und zwar mehr als genug, aber es kann noch eine Muster- anstalt der Schauspielkunst sein, und das war das Burgtheater früher, es konnte dem Publikum das gute Alte bieten in einer Darstellung und Ausstattn»^ wie keine andre Bühne. Hierin liegt seine Zukunft, wenn es eine hat! (Schluß folgt) Herbstbilder aus Italien Von Gelo Uaeminel i^. Der italienische Herbst s ist eine alte , immer wieder ausgeworfne und viel erörterte Frage: In welcher Jahreszeit reist man am besten nach Italie», ist der Frühling schöner oder der Herbst? Die meisten werde» darauf antworten: Der Frühling! Wenn in Deutschland noch alles im Schnee begraben liegt, oder die Vegetation wenigfw^ noch tot und leblos ist, die Bäume und Sträucher noch unbekandt stehn, M'b ein trüber Wolkenhimmel über dem Lande liegt, trifft der Reisende, sobald er die von Eis und Schnee starrenden Alpen überschritten hat, den südliche» Frühling an. Alles grünt und blüht; in den Berge» sprießen Tazette»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/250>, abgerufen am 27.06.2024.