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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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polnische Politik

einen Kaiser haben, der sein Volk mit weitem Blick lind fester Hand die
neuen Bahnen führt. Er teilt jetzt das Geschick Bismarcks in seiner größten
Zeit, im eignen Volke verkannt und verspottet zu werdeu, weil es dem deutschen
Eigensinn immer schwer wird, einen bedeutenden Mann zu ertragen, so sehr
gerade wir seiner bedürfen, wahrend das Ausland ihn willig anerkennt. Die
Zeit wird kommen, wo auch sein Volk ihn besser zu würdigen weiß, als heute im
allgemeinen geschieht. Ihn selbst ficht das alles wenig an, weder Verkennung
noch Bewundrung, wir aber rufen ihm als seine treuen' Gefolgsmannen ein
" der Jahrhundertwende freudig zu: In deinem Lager ist Deutschland!




polnische Politik
^. Deutsche und Polen

ekler als der Hader in Nordschleswig ist unsre staatlich-nationale
Sorge in den polnischen Landesteilen. Über hundert Jahre lang
haben wir Posen und wissen noch immer nicht, wie wir es an¬
fangen sollen, dieser Provinz für immer und nnter allen Um¬
ständen sicher zu werden. Denn Posen bedeutet in Wirklichkeit für
uns eine Frage der nußern Sicherheit, eine Frage, die mit unsrer äußern Politik in
Zusammenhang stehle Mag eine Aussöhnung der Polen mit den Russen bellte
noch so fern liegen, so bleibt sie doch möglich, und in jedem ernsten Zusammen¬
stoß wird es für uns von sehr realer Bedeutung sein, ob wir auf 200 Kilometer
von Berlin eine Provinz mit völlig staatssicherer Bevölkerung, oder ob wir
dort ein paar Millionen von Leute" habe", die durch das Versprechen der
Errichtung eines polnischen Staats in feindliche Bahnen hineingerissen werden
können. Wir sind darin i" einer schlechter" Lage als Rußland, das im um
gekehrten Falle durch eine Erhebung seiner Polen lange nicht so bedroht wäre,
vielmehr seine polnischen Länder verlieren könnte, ohne in seinem staatlichen
Bestände dadurch gefährdet zu werden. Und die Polen haben uns leider nnr
zu oft laut daran erinnert, daß eine Wiederherstellung Polens als Staat mit
dem Wiedererwache" der Ansprüche ans die durch Preußen erworbnen Gebiete
der frühem Republik notwendig verbunden sei. Das mag sehr thöricht sein,
weil, falls die Frage einer mit deutscher Hilfe zu beiverkslelligende" Errichtung
eines polnischen Zwischenstaats einmal an Deutschland herantreten sollte, die
Antwort denn doch kann, anders lauten könnte als: nie, solange ein Fußbreit
deutschen Bodens damit gefährdet würde. Aber ob thöricht oder nicht, die
Polen bleiben bei ihren Wünschen, lind wir haben damit zu rechnen.

Um das Ziel zu erreichen, suchen wir die polnische" Landesteile, ihre


polnische Politik

einen Kaiser haben, der sein Volk mit weitem Blick lind fester Hand die
neuen Bahnen führt. Er teilt jetzt das Geschick Bismarcks in seiner größten
Zeit, im eignen Volke verkannt und verspottet zu werdeu, weil es dem deutschen
Eigensinn immer schwer wird, einen bedeutenden Mann zu ertragen, so sehr
gerade wir seiner bedürfen, wahrend das Ausland ihn willig anerkennt. Die
Zeit wird kommen, wo auch sein Volk ihn besser zu würdigen weiß, als heute im
allgemeinen geschieht. Ihn selbst ficht das alles wenig an, weder Verkennung
noch Bewundrung, wir aber rufen ihm als seine treuen' Gefolgsmannen ein
" der Jahrhundertwende freudig zu: In deinem Lager ist Deutschland!




polnische Politik
^. Deutsche und Polen

ekler als der Hader in Nordschleswig ist unsre staatlich-nationale
Sorge in den polnischen Landesteilen. Über hundert Jahre lang
haben wir Posen und wissen noch immer nicht, wie wir es an¬
fangen sollen, dieser Provinz für immer und nnter allen Um¬
ständen sicher zu werden. Denn Posen bedeutet in Wirklichkeit für
uns eine Frage der nußern Sicherheit, eine Frage, die mit unsrer äußern Politik in
Zusammenhang stehle Mag eine Aussöhnung der Polen mit den Russen bellte
noch so fern liegen, so bleibt sie doch möglich, und in jedem ernsten Zusammen¬
stoß wird es für uns von sehr realer Bedeutung sein, ob wir auf 200 Kilometer
von Berlin eine Provinz mit völlig staatssicherer Bevölkerung, oder ob wir
dort ein paar Millionen von Leute» habe», die durch das Versprechen der
Errichtung eines polnischen Staats in feindliche Bahnen hineingerissen werden
können. Wir sind darin i» einer schlechter» Lage als Rußland, das im um
gekehrten Falle durch eine Erhebung seiner Polen lange nicht so bedroht wäre,
vielmehr seine polnischen Länder verlieren könnte, ohne in seinem staatlichen
Bestände dadurch gefährdet zu werden. Und die Polen haben uns leider nnr
zu oft laut daran erinnert, daß eine Wiederherstellung Polens als Staat mit
dem Wiedererwache» der Ansprüche ans die durch Preußen erworbnen Gebiete
der frühem Republik notwendig verbunden sei. Das mag sehr thöricht sein,
weil, falls die Frage einer mit deutscher Hilfe zu beiverkslelligende» Errichtung
eines polnischen Zwischenstaats einmal an Deutschland herantreten sollte, die
Antwort denn doch kann, anders lauten könnte als: nie, solange ein Fußbreit
deutschen Bodens damit gefährdet würde. Aber ob thöricht oder nicht, die
Polen bleiben bei ihren Wünschen, lind wir haben damit zu rechnen.

Um das Ziel zu erreichen, suchen wir die polnische» Landesteile, ihre


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[0016] polnische Politik einen Kaiser haben, der sein Volk mit weitem Blick lind fester Hand die neuen Bahnen führt. Er teilt jetzt das Geschick Bismarcks in seiner größten Zeit, im eignen Volke verkannt und verspottet zu werdeu, weil es dem deutschen Eigensinn immer schwer wird, einen bedeutenden Mann zu ertragen, so sehr gerade wir seiner bedürfen, wahrend das Ausland ihn willig anerkennt. Die Zeit wird kommen, wo auch sein Volk ihn besser zu würdigen weiß, als heute im allgemeinen geschieht. Ihn selbst ficht das alles wenig an, weder Verkennung noch Bewundrung, wir aber rufen ihm als seine treuen' Gefolgsmannen ein " der Jahrhundertwende freudig zu: In deinem Lager ist Deutschland! polnische Politik ^. Deutsche und Polen ekler als der Hader in Nordschleswig ist unsre staatlich-nationale Sorge in den polnischen Landesteilen. Über hundert Jahre lang haben wir Posen und wissen noch immer nicht, wie wir es an¬ fangen sollen, dieser Provinz für immer und nnter allen Um¬ ständen sicher zu werden. Denn Posen bedeutet in Wirklichkeit für uns eine Frage der nußern Sicherheit, eine Frage, die mit unsrer äußern Politik in Zusammenhang stehle Mag eine Aussöhnung der Polen mit den Russen bellte noch so fern liegen, so bleibt sie doch möglich, und in jedem ernsten Zusammen¬ stoß wird es für uns von sehr realer Bedeutung sein, ob wir auf 200 Kilometer von Berlin eine Provinz mit völlig staatssicherer Bevölkerung, oder ob wir dort ein paar Millionen von Leute» habe», die durch das Versprechen der Errichtung eines polnischen Staats in feindliche Bahnen hineingerissen werden können. Wir sind darin i» einer schlechter» Lage als Rußland, das im um gekehrten Falle durch eine Erhebung seiner Polen lange nicht so bedroht wäre, vielmehr seine polnischen Länder verlieren könnte, ohne in seinem staatlichen Bestände dadurch gefährdet zu werden. Und die Polen haben uns leider nnr zu oft laut daran erinnert, daß eine Wiederherstellung Polens als Staat mit dem Wiedererwache» der Ansprüche ans die durch Preußen erworbnen Gebiete der frühem Republik notwendig verbunden sei. Das mag sehr thöricht sein, weil, falls die Frage einer mit deutscher Hilfe zu beiverkslelligende» Errichtung eines polnischen Zwischenstaats einmal an Deutschland herantreten sollte, die Antwort denn doch kann, anders lauten könnte als: nie, solange ein Fußbreit deutschen Bodens damit gefährdet würde. Aber ob thöricht oder nicht, die Polen bleiben bei ihren Wünschen, lind wir haben damit zu rechnen. Um das Ziel zu erreichen, suchen wir die polnische» Landesteile, ihre

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/16>, abgerufen am 27.06.2024.