Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Altsächsisches Runstgewerbe

auch eine Fessel sür den Lehrer. Umfaßt das Lesebuch nun einmal, wie es
jetzt thut, alle Gebiete des Weltlebens, dann wird der Lehrer auch gern aus
einer reichen Auswahl schöpfen wollen, um bald an dies bald an jenes an¬
knüpfend die Kinder auch an eigner Hand weiter zu führen. Hier tritt uns
überhaupt ueben der großen Bedeutung des Lesebuchs die noch viel größere
des behandelnden Lehrers deutlich entgegen: der eine kann in einer Stunde
den Kindern zu unverlierbaren Eigentum einprägen, was der andre mit tage¬
langer Besprechung nicht in sie hineinpredigt. Diesem nützt ein kurzes Lesebuch
nichts, den ersten schränkt es nutzlos ein.

Im allgemeinen haben uns aber die ernsten Grundgedanken Bürgers über
die rechte geistige Nahrung des Volks, deuen er oft in begeistertem Tone Aus¬
druck giebt, sehr erfreut: man hört eine solche Sprache in der heutigen Lehrer¬
welt nicht überall. Gerade deshalb bedauern wir etwas, daß die Gestalt des
ganzen Buches, das übrigens, einige Sprachversehen abgerechnet, auch durchaus
angenehm zu lesen ist, nicht ganz geeignet scheint, ihm ausdauernde Leser zu
gewinnen. Daß ein gewisser Schematismus bei dem sehr schwer zu ordnenden
Stoffe unvermeidlich war, ist gewiß; aber die rund hundertfünfzig Kapitel des
gegen sechshundert Seiten starken Bandes, dazu die fortwährende Unterbrechung
durch die eingefügten kleinen Biographien der Lesebuchverfasfer geben dem
Werke etwas zu sehr den Charakter eines Nachschlagebuchs, nicht eines "Lese¬
buchs." Für einen kleinen Kreis mag das Buch in der vorliegenden Gestalt
ein großes Bedürfnis gewesen und nun ein dauernd wertvoller Besitz sein.
Entschlösse sich aber Vüuger vielleicht, noch einmal in einem bedeutend knappern
Werke die Hauptergebnisse seiner umfangreichen Forschungen zusammenzufassen,
so könnte er uns wohl ein Werk schenken, das nicht nur ein kleiner Teil der
Lehrerwelt mit Genuß und Vorteil lesen würde.




Altsächsisches Kunstgewerbe
in. B. von Munterbach von

is König Geisa II. um die Mitte des zwölften Jahrhunderts
deutsche Kulturarbeiter aus dem Laude zwischen Mosel und Rhein
nach Siebenbürgen in das clösgrwro. rief, brachten die Ein¬
wandrer die blühenden Schütze abendländischer Errungenschaften in
das verödete Waldland jenseits der Karpnteu. Galt es hier nun
zuerst für die Kolonisten, sich die notwendigsten Lebensbedingungen
mühsam zu verschaffen, so wurde es bald ihre andre und größere Sorge, die
einmal ausgesäte Kultur der Heimat zu sichern, auszubauen und zu verbreiten.
Gerade wie die Przcmisliden in Böhmen wußten auch die Arpaden in Ungarn,
daß nur deutsche Ansiedler die staatliche Macht zu stärken und den wirtschaft¬
lichen Zustand zu heben vermochten. Natürlich mußte überall da, wo Hand
und Geist deutscher Kolonisten zu Werke gingen, alles bald ein ausgesprochen
deutsches Gepräge aufweisen. So konnten die überlegne Bildung und der


Altsächsisches Runstgewerbe

auch eine Fessel sür den Lehrer. Umfaßt das Lesebuch nun einmal, wie es
jetzt thut, alle Gebiete des Weltlebens, dann wird der Lehrer auch gern aus
einer reichen Auswahl schöpfen wollen, um bald an dies bald an jenes an¬
knüpfend die Kinder auch an eigner Hand weiter zu führen. Hier tritt uns
überhaupt ueben der großen Bedeutung des Lesebuchs die noch viel größere
des behandelnden Lehrers deutlich entgegen: der eine kann in einer Stunde
den Kindern zu unverlierbaren Eigentum einprägen, was der andre mit tage¬
langer Besprechung nicht in sie hineinpredigt. Diesem nützt ein kurzes Lesebuch
nichts, den ersten schränkt es nutzlos ein.

Im allgemeinen haben uns aber die ernsten Grundgedanken Bürgers über
die rechte geistige Nahrung des Volks, deuen er oft in begeistertem Tone Aus¬
druck giebt, sehr erfreut: man hört eine solche Sprache in der heutigen Lehrer¬
welt nicht überall. Gerade deshalb bedauern wir etwas, daß die Gestalt des
ganzen Buches, das übrigens, einige Sprachversehen abgerechnet, auch durchaus
angenehm zu lesen ist, nicht ganz geeignet scheint, ihm ausdauernde Leser zu
gewinnen. Daß ein gewisser Schematismus bei dem sehr schwer zu ordnenden
Stoffe unvermeidlich war, ist gewiß; aber die rund hundertfünfzig Kapitel des
gegen sechshundert Seiten starken Bandes, dazu die fortwährende Unterbrechung
durch die eingefügten kleinen Biographien der Lesebuchverfasfer geben dem
Werke etwas zu sehr den Charakter eines Nachschlagebuchs, nicht eines „Lese¬
buchs." Für einen kleinen Kreis mag das Buch in der vorliegenden Gestalt
ein großes Bedürfnis gewesen und nun ein dauernd wertvoller Besitz sein.
Entschlösse sich aber Vüuger vielleicht, noch einmal in einem bedeutend knappern
Werke die Hauptergebnisse seiner umfangreichen Forschungen zusammenzufassen,
so könnte er uns wohl ein Werk schenken, das nicht nur ein kleiner Teil der
Lehrerwelt mit Genuß und Vorteil lesen würde.




Altsächsisches Kunstgewerbe
in. B. von Munterbach von

is König Geisa II. um die Mitte des zwölften Jahrhunderts
deutsche Kulturarbeiter aus dem Laude zwischen Mosel und Rhein
nach Siebenbürgen in das clösgrwro. rief, brachten die Ein¬
wandrer die blühenden Schütze abendländischer Errungenschaften in
das verödete Waldland jenseits der Karpnteu. Galt es hier nun
zuerst für die Kolonisten, sich die notwendigsten Lebensbedingungen
mühsam zu verschaffen, so wurde es bald ihre andre und größere Sorge, die
einmal ausgesäte Kultur der Heimat zu sichern, auszubauen und zu verbreiten.
Gerade wie die Przcmisliden in Böhmen wußten auch die Arpaden in Ungarn,
daß nur deutsche Ansiedler die staatliche Macht zu stärken und den wirtschaft¬
lichen Zustand zu heben vermochten. Natürlich mußte überall da, wo Hand
und Geist deutscher Kolonisten zu Werke gingen, alles bald ein ausgesprochen
deutsches Gepräge aufweisen. So konnten die überlegne Bildung und der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0576" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231746"/>
          <fw type="header" place="top"> Altsächsisches Runstgewerbe</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1886" prev="#ID_1885"> auch eine Fessel sür den Lehrer. Umfaßt das Lesebuch nun einmal, wie es<lb/>
jetzt thut, alle Gebiete des Weltlebens, dann wird der Lehrer auch gern aus<lb/>
einer reichen Auswahl schöpfen wollen, um bald an dies bald an jenes an¬<lb/>
knüpfend die Kinder auch an eigner Hand weiter zu führen. Hier tritt uns<lb/>
überhaupt ueben der großen Bedeutung des Lesebuchs die noch viel größere<lb/>
des behandelnden Lehrers deutlich entgegen: der eine kann in einer Stunde<lb/>
den Kindern zu unverlierbaren Eigentum einprägen, was der andre mit tage¬<lb/>
langer Besprechung nicht in sie hineinpredigt. Diesem nützt ein kurzes Lesebuch<lb/>
nichts, den ersten schränkt es nutzlos ein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1887"> Im allgemeinen haben uns aber die ernsten Grundgedanken Bürgers über<lb/>
die rechte geistige Nahrung des Volks, deuen er oft in begeistertem Tone Aus¬<lb/>
druck giebt, sehr erfreut: man hört eine solche Sprache in der heutigen Lehrer¬<lb/>
welt nicht überall. Gerade deshalb bedauern wir etwas, daß die Gestalt des<lb/>
ganzen Buches, das übrigens, einige Sprachversehen abgerechnet, auch durchaus<lb/>
angenehm zu lesen ist, nicht ganz geeignet scheint, ihm ausdauernde Leser zu<lb/>
gewinnen. Daß ein gewisser Schematismus bei dem sehr schwer zu ordnenden<lb/>
Stoffe unvermeidlich war, ist gewiß; aber die rund hundertfünfzig Kapitel des<lb/>
gegen sechshundert Seiten starken Bandes, dazu die fortwährende Unterbrechung<lb/>
durch die eingefügten kleinen Biographien der Lesebuchverfasfer geben dem<lb/>
Werke etwas zu sehr den Charakter eines Nachschlagebuchs, nicht eines &#x201E;Lese¬<lb/>
buchs." Für einen kleinen Kreis mag das Buch in der vorliegenden Gestalt<lb/>
ein großes Bedürfnis gewesen und nun ein dauernd wertvoller Besitz sein.<lb/>
Entschlösse sich aber Vüuger vielleicht, noch einmal in einem bedeutend knappern<lb/>
Werke die Hauptergebnisse seiner umfangreichen Forschungen zusammenzufassen,<lb/>
so könnte er uns wohl ein Werk schenken, das nicht nur ein kleiner Teil der<lb/>
Lehrerwelt mit Genuß und Vorteil lesen würde.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Altsächsisches Kunstgewerbe<lb/><note type="byline"> in. B. von Munterbach</note> von</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1888" next="#ID_1889"> is König Geisa II. um die Mitte des zwölften Jahrhunderts<lb/>
deutsche Kulturarbeiter aus dem Laude zwischen Mosel und Rhein<lb/>
nach Siebenbürgen in das clösgrwro. rief, brachten die Ein¬<lb/>
wandrer die blühenden Schütze abendländischer Errungenschaften in<lb/>
das verödete Waldland jenseits der Karpnteu. Galt es hier nun<lb/>
zuerst für die Kolonisten, sich die notwendigsten Lebensbedingungen<lb/>
mühsam zu verschaffen, so wurde es bald ihre andre und größere Sorge, die<lb/>
einmal ausgesäte Kultur der Heimat zu sichern, auszubauen und zu verbreiten.<lb/>
Gerade wie die Przcmisliden in Böhmen wußten auch die Arpaden in Ungarn,<lb/>
daß nur deutsche Ansiedler die staatliche Macht zu stärken und den wirtschaft¬<lb/>
lichen Zustand zu heben vermochten. Natürlich mußte überall da, wo Hand<lb/>
und Geist deutscher Kolonisten zu Werke gingen, alles bald ein ausgesprochen<lb/>
deutsches Gepräge aufweisen.  So konnten die überlegne Bildung und der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0576] Altsächsisches Runstgewerbe auch eine Fessel sür den Lehrer. Umfaßt das Lesebuch nun einmal, wie es jetzt thut, alle Gebiete des Weltlebens, dann wird der Lehrer auch gern aus einer reichen Auswahl schöpfen wollen, um bald an dies bald an jenes an¬ knüpfend die Kinder auch an eigner Hand weiter zu führen. Hier tritt uns überhaupt ueben der großen Bedeutung des Lesebuchs die noch viel größere des behandelnden Lehrers deutlich entgegen: der eine kann in einer Stunde den Kindern zu unverlierbaren Eigentum einprägen, was der andre mit tage¬ langer Besprechung nicht in sie hineinpredigt. Diesem nützt ein kurzes Lesebuch nichts, den ersten schränkt es nutzlos ein. Im allgemeinen haben uns aber die ernsten Grundgedanken Bürgers über die rechte geistige Nahrung des Volks, deuen er oft in begeistertem Tone Aus¬ druck giebt, sehr erfreut: man hört eine solche Sprache in der heutigen Lehrer¬ welt nicht überall. Gerade deshalb bedauern wir etwas, daß die Gestalt des ganzen Buches, das übrigens, einige Sprachversehen abgerechnet, auch durchaus angenehm zu lesen ist, nicht ganz geeignet scheint, ihm ausdauernde Leser zu gewinnen. Daß ein gewisser Schematismus bei dem sehr schwer zu ordnenden Stoffe unvermeidlich war, ist gewiß; aber die rund hundertfünfzig Kapitel des gegen sechshundert Seiten starken Bandes, dazu die fortwährende Unterbrechung durch die eingefügten kleinen Biographien der Lesebuchverfasfer geben dem Werke etwas zu sehr den Charakter eines Nachschlagebuchs, nicht eines „Lese¬ buchs." Für einen kleinen Kreis mag das Buch in der vorliegenden Gestalt ein großes Bedürfnis gewesen und nun ein dauernd wertvoller Besitz sein. Entschlösse sich aber Vüuger vielleicht, noch einmal in einem bedeutend knappern Werke die Hauptergebnisse seiner umfangreichen Forschungen zusammenzufassen, so könnte er uns wohl ein Werk schenken, das nicht nur ein kleiner Teil der Lehrerwelt mit Genuß und Vorteil lesen würde. Altsächsisches Kunstgewerbe in. B. von Munterbach von is König Geisa II. um die Mitte des zwölften Jahrhunderts deutsche Kulturarbeiter aus dem Laude zwischen Mosel und Rhein nach Siebenbürgen in das clösgrwro. rief, brachten die Ein¬ wandrer die blühenden Schütze abendländischer Errungenschaften in das verödete Waldland jenseits der Karpnteu. Galt es hier nun zuerst für die Kolonisten, sich die notwendigsten Lebensbedingungen mühsam zu verschaffen, so wurde es bald ihre andre und größere Sorge, die einmal ausgesäte Kultur der Heimat zu sichern, auszubauen und zu verbreiten. Gerade wie die Przcmisliden in Böhmen wußten auch die Arpaden in Ungarn, daß nur deutsche Ansiedler die staatliche Macht zu stärken und den wirtschaft¬ lichen Zustand zu heben vermochten. Natürlich mußte überall da, wo Hand und Geist deutscher Kolonisten zu Werke gingen, alles bald ein ausgesprochen deutsches Gepräge aufweisen. So konnten die überlegne Bildung und der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/576
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/576>, abgerufen am 15.01.2025.