Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Litteratur Hohe Politik. Ottomar Schuchardt gehört als Schüler von Kon¬ Unter dem Titel Da, Lonikaxio VIII a>ä ^rrisso VII schildert der bekannte Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh, Grunow in Leipzig, -- Druck von Carl Marquart in Leipzig Litteratur Hohe Politik. Ottomar Schuchardt gehört als Schüler von Kon¬ Unter dem Titel Da, Lonikaxio VIII a>ä ^rrisso VII schildert der bekannte Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh, Grunow in Leipzig, — Druck von Carl Marquart in Leipzig <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0440" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231610"/> </div> <div n="1"> <head> Litteratur</head><lb/> <p xml:id="ID_1469"> Hohe Politik. Ottomar Schuchardt gehört als Schüler von Kon¬<lb/> stantin Frantz zu den Anhängern der großdeutschen Idee, die Deutschlands<lb/> Bestimmung in der Beherrschung und Zivilisieruug des europäischen Ostens und<lb/> Vorderasiens sehen. Von einem andern Großdentschen, der dieses Programm zeit¬<lb/> weilig in den Grenzboten vertreten hat, unterscheidet er sich durch seine Vorliebe<lb/> für Österreich und den alten Bund und dadurch, daß er die Bismarckische Politik<lb/> nicht als eine unumgängliche Etappe zum Ziel, sondern als eine Abweichung vom<lb/> Wege dahin auffaßt. Neuerdings hat er unter dem Titel: Die deutsche Politik<lb/> der Zukunft (Celle, Verlag der Schulbuchhnndlnng, 1899) aus dem litterarischen<lb/> Nachlaß von Constantin Frantz einen Aufsatz „Die Gefahr aus Osten" — gemeint<lb/> ist natürlich die russische — herausgegeben und als Ergänzung einige eigne Auf¬<lb/> sätze beigefügt, die er durch reichliches statistisches Material beweiskräftig zu macheu<lb/> sucht. — Bei dieser Gelegenheit wollen wir ein schon vor zwei Jahren im Kritik-<lb/> Verlag in Berlin erschienenes Schriftchen von Professor or. Ritter erwähnen,<lb/> den wir (S. S98 des 1. Bandes des Jahrgangs 1893 der Grenzboten) als geist¬<lb/> vollen und idealistisch gestimmten Geschichtsphilosophen schätzen gelernt haben: Der<lb/> Weltzug der Kultur. Die Weltgeschichte wird darin aufgefaßt als ein Ringen<lb/> der Kultur mit der durch die innerasiatischen Horden vertretnen Unkultur, wobei die<lb/> Kultur bald vordringt, bald zurückweichen muß, bald sich ostwärts, bald westwärts<lb/> wendet und zuletzt, seit der Entdeckung Amerikas, den Feind von vorn und von<lb/> hinten zugleich packt. Mit der Wiedereroberung des Euphratthals, die Ritter<lb/> voraussieht, obwohl vor zwei Jahre» der Plan der Euphratbahn, die jetzt eben<lb/> traciert wird, noch nicht bekannt war, hat die Kultur — ihren Kreislauf kann<lb/> man nicht gut sagen — ihren vielgewundnen Weg vollendet und kehrt an ihren<lb/> Ausgangspunkt, Babylonien, zurück.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_1470"> Unter dem Titel Da, Lonikaxio VIII a>ä ^rrisso VII schildert der bekannte<lb/> Danteforscher Jsidoro del Lungo in einem schön ausgestatteten, im Verlage von<lb/> Ulricv Höpli in Mailand erschienenen Werke die politischen Verhältnisse von Florenz<lb/> zu Dantes Zeit in höchst anschaulicher und interessanter Weise. Wir werden auf<lb/> Grund ausgebreiteter und tief eindringender Studien der Protokolle der Florentiner<lb/> Behörden und sonstiger Dokumente in die Parteikämpfe und die Art der Verwal¬<lb/> tung und Negierung eingeführt, die denen als das Ideal republikanischen Staats¬<lb/> wesens und Staatslebens gelten kann, die es in dem bis aufs höchste getriebnen<lb/> Mißtrauen gegen jeden Beamten finden will — natürlich ist hier nicht von be¬<lb/> zahlten Beamten, sondern nur von den durch das Volk von Florenz zu kurzer<lb/> ehrenamtlicher Thätigkeit gewählten Bürgern die Rede. Läßt man die lebendigen<lb/> Schilderungen des Verfassers auf sich wirken, so wird man zu dem Ergebnis<lb/> kommen, daß es kaum zu begreifen ist, daß sich eine derartig künstliche Verfassung,<lb/> deren innerstes Prinzip eigentlich nur der organisierte Argwohn gewesen ist, über¬<lb/> haupt jahrhundertelang, wenn auch unter fortwährenden schweren und blutigen<lb/> Kämpfen, hat halten können.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig<lb/> Verlag von Fr. Wilh, Grunow in Leipzig, — Druck von Carl Marquart in Leipzig</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0440]
Litteratur
Hohe Politik. Ottomar Schuchardt gehört als Schüler von Kon¬
stantin Frantz zu den Anhängern der großdeutschen Idee, die Deutschlands
Bestimmung in der Beherrschung und Zivilisieruug des europäischen Ostens und
Vorderasiens sehen. Von einem andern Großdentschen, der dieses Programm zeit¬
weilig in den Grenzboten vertreten hat, unterscheidet er sich durch seine Vorliebe
für Österreich und den alten Bund und dadurch, daß er die Bismarckische Politik
nicht als eine unumgängliche Etappe zum Ziel, sondern als eine Abweichung vom
Wege dahin auffaßt. Neuerdings hat er unter dem Titel: Die deutsche Politik
der Zukunft (Celle, Verlag der Schulbuchhnndlnng, 1899) aus dem litterarischen
Nachlaß von Constantin Frantz einen Aufsatz „Die Gefahr aus Osten" — gemeint
ist natürlich die russische — herausgegeben und als Ergänzung einige eigne Auf¬
sätze beigefügt, die er durch reichliches statistisches Material beweiskräftig zu macheu
sucht. — Bei dieser Gelegenheit wollen wir ein schon vor zwei Jahren im Kritik-
Verlag in Berlin erschienenes Schriftchen von Professor or. Ritter erwähnen,
den wir (S. S98 des 1. Bandes des Jahrgangs 1893 der Grenzboten) als geist¬
vollen und idealistisch gestimmten Geschichtsphilosophen schätzen gelernt haben: Der
Weltzug der Kultur. Die Weltgeschichte wird darin aufgefaßt als ein Ringen
der Kultur mit der durch die innerasiatischen Horden vertretnen Unkultur, wobei die
Kultur bald vordringt, bald zurückweichen muß, bald sich ostwärts, bald westwärts
wendet und zuletzt, seit der Entdeckung Amerikas, den Feind von vorn und von
hinten zugleich packt. Mit der Wiedereroberung des Euphratthals, die Ritter
voraussieht, obwohl vor zwei Jahre» der Plan der Euphratbahn, die jetzt eben
traciert wird, noch nicht bekannt war, hat die Kultur — ihren Kreislauf kann
man nicht gut sagen — ihren vielgewundnen Weg vollendet und kehrt an ihren
Ausgangspunkt, Babylonien, zurück.
Unter dem Titel Da, Lonikaxio VIII a>ä ^rrisso VII schildert der bekannte
Danteforscher Jsidoro del Lungo in einem schön ausgestatteten, im Verlage von
Ulricv Höpli in Mailand erschienenen Werke die politischen Verhältnisse von Florenz
zu Dantes Zeit in höchst anschaulicher und interessanter Weise. Wir werden auf
Grund ausgebreiteter und tief eindringender Studien der Protokolle der Florentiner
Behörden und sonstiger Dokumente in die Parteikämpfe und die Art der Verwal¬
tung und Negierung eingeführt, die denen als das Ideal republikanischen Staats¬
wesens und Staatslebens gelten kann, die es in dem bis aufs höchste getriebnen
Mißtrauen gegen jeden Beamten finden will — natürlich ist hier nicht von be¬
zahlten Beamten, sondern nur von den durch das Volk von Florenz zu kurzer
ehrenamtlicher Thätigkeit gewählten Bürgern die Rede. Läßt man die lebendigen
Schilderungen des Verfassers auf sich wirken, so wird man zu dem Ergebnis
kommen, daß es kaum zu begreifen ist, daß sich eine derartig künstliche Verfassung,
deren innerstes Prinzip eigentlich nur der organisierte Argwohn gewesen ist, über¬
haupt jahrhundertelang, wenn auch unter fortwährenden schweren und blutigen
Kämpfen, hat halten können.
Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh, Grunow in Leipzig, — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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