Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.Aus den schwarzen Bergen schon jetzt wird man im Deutschen Reiche wohl daran thun, den Dreibund Aus den schwarzen Bergen i eorge Henry Lewes erzählt in seinem Leben Goethes am Anfang Es scheint, die Zeiten haben sich seit dem Erscheinen des berühmten Aus den schwarzen Bergen schon jetzt wird man im Deutschen Reiche wohl daran thun, den Dreibund Aus den schwarzen Bergen i eorge Henry Lewes erzählt in seinem Leben Goethes am Anfang Es scheint, die Zeiten haben sich seit dem Erscheinen des berühmten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0351" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/230781"/> <fw type="header" place="top"> Aus den schwarzen Bergen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1172" prev="#ID_1171"> schon jetzt wird man im Deutschen Reiche wohl daran thun, den Dreibund<lb/> und Zweibund angesichts der drohenden Entwicklung mit andern Augen als<lb/> bish<note type="byline"> Lin alter Parlamentarier</note> er anzusehen. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Aus den schwarzen Bergen<lb/> i</head><lb/> <p xml:id="ID_1173"> eorge Henry Lewes erzählt in seinem Leben Goethes am Anfang<lb/> des Kapitels über Wilhelm Meister eine kleine Geschichte, die sein<lb/> Übersetzer, Frese, ich weiß nicht, aus welchem Grunde, unterdrückt<lb/> hat: Ein Franzose, ein Engländer und ein Deutscher erhielten<lb/> den Auftrag, der Welt die Beschreibung des interessanten Tieres,<lb/> das man Kamel nennt, zu liefern. Der Franzose eilte schnell nach seinem<lb/> ^raun ass Mutes, verbrachte dort eine Stunde in oberflächlicher Betrachtung,<lb/> ging nach Hause und schrieb ein wohlstilisiertes Feuilleton. Es enthielt keine<lb/> einzige Phrase, gegen die die Akademie hätte etwas einwenden können, aber<lb/> auch nichts, das die allgemeine Kenntnis des Gegenstandes erweiterte. Der<lb/> Franzose war jedoch äußerst zufrieden und verkündete der Welt laut: I/s vonn,,<lb/> «zlmmskm! Der Engländer packte seinen Theekessel und einen ganzen Koffer<lb/> voll andre ihm notwendigen Reiseesfekten, schlug dann sein Zelt in der Wüste auf,<lb/> verbrachte dort zwei Jahre mit der Beobachtung des Kamels, worauf er heim¬<lb/> kehrte, beschwert mit einem dicken Bande Notizen, die, obwohl ohne jede Über¬<lb/> sicht angeordnet, dennoch jedem Nachfolger gutes Material über das Kamel<lb/> darboten. Der Deutsche aber, der die Frivolität des Franzosen wie die un¬<lb/> philosophische Behandlungsart des Engländers verachtete, zog sich in sein<lb/> Studierzimmer zurück, um dort die Idee des Kamels aus der Tiefe seines<lb/> moralischen Bewußtseins herauszuentwickeln.</p><lb/> <p xml:id="ID_1174" next="#ID_1175"> Es scheint, die Zeiten haben sich seit dem Erscheinen des berühmten<lb/> Buches geändert. Nicht mehr so ganz sind Wolkenkuckucksheime, Sentimentalität<lb/> und philosophische Goetheforschung — und gegen die philosophische Kritik, die<lb/> aus Faust und Wilhelm Meister alles mögliche herauslesen wollen, richtete<lb/> sich der Vorwurf des Engländers — in Alldeutschland in Ehren, Mondschein¬<lb/> nacht und Nachtigallengetriller nehmen nicht mehr Herz und Ohr des gefühl¬<lb/> vollen Michel gefangen, seitdem er seinen Blick auf die ganze Welt gerichtet<lb/> hält, und es ist nicht mehr ganz so leicht wie ehedem, ihm, während er dem<lb/> Wellengeflüster und dem Rauschen hoher Eichbüume lauschte, die Taschen zu<lb/> leeren; und was die Studierstube im Gegensatz zum Kofferpacken und Reisen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0351]
Aus den schwarzen Bergen
schon jetzt wird man im Deutschen Reiche wohl daran thun, den Dreibund
und Zweibund angesichts der drohenden Entwicklung mit andern Augen als
bish Lin alter Parlamentarier er anzusehen.
Aus den schwarzen Bergen
i
eorge Henry Lewes erzählt in seinem Leben Goethes am Anfang
des Kapitels über Wilhelm Meister eine kleine Geschichte, die sein
Übersetzer, Frese, ich weiß nicht, aus welchem Grunde, unterdrückt
hat: Ein Franzose, ein Engländer und ein Deutscher erhielten
den Auftrag, der Welt die Beschreibung des interessanten Tieres,
das man Kamel nennt, zu liefern. Der Franzose eilte schnell nach seinem
^raun ass Mutes, verbrachte dort eine Stunde in oberflächlicher Betrachtung,
ging nach Hause und schrieb ein wohlstilisiertes Feuilleton. Es enthielt keine
einzige Phrase, gegen die die Akademie hätte etwas einwenden können, aber
auch nichts, das die allgemeine Kenntnis des Gegenstandes erweiterte. Der
Franzose war jedoch äußerst zufrieden und verkündete der Welt laut: I/s vonn,,
«zlmmskm! Der Engländer packte seinen Theekessel und einen ganzen Koffer
voll andre ihm notwendigen Reiseesfekten, schlug dann sein Zelt in der Wüste auf,
verbrachte dort zwei Jahre mit der Beobachtung des Kamels, worauf er heim¬
kehrte, beschwert mit einem dicken Bande Notizen, die, obwohl ohne jede Über¬
sicht angeordnet, dennoch jedem Nachfolger gutes Material über das Kamel
darboten. Der Deutsche aber, der die Frivolität des Franzosen wie die un¬
philosophische Behandlungsart des Engländers verachtete, zog sich in sein
Studierzimmer zurück, um dort die Idee des Kamels aus der Tiefe seines
moralischen Bewußtseins herauszuentwickeln.
Es scheint, die Zeiten haben sich seit dem Erscheinen des berühmten
Buches geändert. Nicht mehr so ganz sind Wolkenkuckucksheime, Sentimentalität
und philosophische Goetheforschung — und gegen die philosophische Kritik, die
aus Faust und Wilhelm Meister alles mögliche herauslesen wollen, richtete
sich der Vorwurf des Engländers — in Alldeutschland in Ehren, Mondschein¬
nacht und Nachtigallengetriller nehmen nicht mehr Herz und Ohr des gefühl¬
vollen Michel gefangen, seitdem er seinen Blick auf die ganze Welt gerichtet
hält, und es ist nicht mehr ganz so leicht wie ehedem, ihm, während er dem
Wellengeflüster und dem Rauschen hoher Eichbüume lauschte, die Taschen zu
leeren; und was die Studierstube im Gegensatz zum Kofferpacken und Reisen
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