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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Übelstände bei der Rentenbewilligung

Krieg und ein Blatt Papier schon erlangt worden. Auch sind wir nicht
Slawen noch Gallier. Separatismus, Sonderbündelei scheinen uns im Blute
zu liegen. Bei Slawen und Galliern sind die Staatensplitter weggefegt worden i
bei uns sind sie geblieben. Zeit, gemeinsame Arbeit, gemeinsame Geschicke
müssen das übrige thun, um in uns die nationale Kraft zu stählen, die heute
nötig ist im Daseinskampf der Völker.

(Schluß folgt)




Adelstände bei der Rentenbewilligung
Lrnst Äirchberg von

n seiner vor anderthalb Jahrzehnten erschienenen Abhandlung
über "Die Unfallversicherung in den europäischen Staaten" hat
Bödiker, der frühere Präsident des Neichsversicherungsamts, darauf
hingewiesen, wie schwer es unter der Geltung des Haftpflichtgesetzes
dem einzelnen Arbeiter bei seinem Vermögens- und Bildungsstande
gemacht war, einen Entschädigungsanspruch für einen Betriebsunfall durch
einen Prozeß gegen seinen Arbeitgeber oder gegen die mit den reichsten Mitteln
ausgestatteten privaten Versicherungsgesellschaften durchzufechten. Das Haft¬
pflichtgesetz mit seinen offenkundiger Mängeln gehört zum Glück längst der
Vergangenheit an, und seitdem ist mit der Durchführung der sozialpolitischen
Gesetzgebung bei uns in Deutschland ein großer Teil der sozialen Frage gelöst
worden. Heute erhält jeder Lohnarbeiter im Falle der Erkrankung zum min¬
desten dreizehn Wochen hindurch eine ausreichende Krankenunterstützung, und
seit dem Bestehen der Arbeiterversicherungsgesetze sind bis zum Schluß des
Jahres 1897 an Unfall-, Invaliden- und Altersrenten und sonstigen Ent¬
schädigungsbeträgen zusammen schon über sechshundert Millionen Mark aus¬
gezahlt worden. Im Jahre 1897 allein haben die Ausgaben 122 Millionen
Mark betragen für 485732 Unfall-. 452300 Invaliden- und Altersrentner.
während außerdem bei der Unfallversicherung 29599, bei der Jnvaliditäts- und
Altersversicherung 212983 Personen vorübergehende Unterstützungen oder Bei¬
tragserstattungen bei der Verheiratung und im Todesfalle erhalten haben.

Wenn diese Zahlen auch keines weitern Kommentars bedürfen, wenn man
auch bemüht gewesen ist, in der sozialpolitischen Gesetzgebung etwas brauch¬
bares zu schaffen und den Arbeiter nach Möglichkeit gegen die wirtschaftlichen
Folgen des Alters und der unverschuldeten Erwerbsunfähigkeit sicher zu stellen,


Übelstände bei der Rentenbewilligung

Krieg und ein Blatt Papier schon erlangt worden. Auch sind wir nicht
Slawen noch Gallier. Separatismus, Sonderbündelei scheinen uns im Blute
zu liegen. Bei Slawen und Galliern sind die Staatensplitter weggefegt worden i
bei uns sind sie geblieben. Zeit, gemeinsame Arbeit, gemeinsame Geschicke
müssen das übrige thun, um in uns die nationale Kraft zu stählen, die heute
nötig ist im Daseinskampf der Völker.

(Schluß folgt)




Adelstände bei der Rentenbewilligung
Lrnst Äirchberg von

n seiner vor anderthalb Jahrzehnten erschienenen Abhandlung
über „Die Unfallversicherung in den europäischen Staaten" hat
Bödiker, der frühere Präsident des Neichsversicherungsamts, darauf
hingewiesen, wie schwer es unter der Geltung des Haftpflichtgesetzes
dem einzelnen Arbeiter bei seinem Vermögens- und Bildungsstande
gemacht war, einen Entschädigungsanspruch für einen Betriebsunfall durch
einen Prozeß gegen seinen Arbeitgeber oder gegen die mit den reichsten Mitteln
ausgestatteten privaten Versicherungsgesellschaften durchzufechten. Das Haft¬
pflichtgesetz mit seinen offenkundiger Mängeln gehört zum Glück längst der
Vergangenheit an, und seitdem ist mit der Durchführung der sozialpolitischen
Gesetzgebung bei uns in Deutschland ein großer Teil der sozialen Frage gelöst
worden. Heute erhält jeder Lohnarbeiter im Falle der Erkrankung zum min¬
desten dreizehn Wochen hindurch eine ausreichende Krankenunterstützung, und
seit dem Bestehen der Arbeiterversicherungsgesetze sind bis zum Schluß des
Jahres 1897 an Unfall-, Invaliden- und Altersrenten und sonstigen Ent¬
schädigungsbeträgen zusammen schon über sechshundert Millionen Mark aus¬
gezahlt worden. Im Jahre 1897 allein haben die Ausgaben 122 Millionen
Mark betragen für 485732 Unfall-. 452300 Invaliden- und Altersrentner.
während außerdem bei der Unfallversicherung 29599, bei der Jnvaliditäts- und
Altersversicherung 212983 Personen vorübergehende Unterstützungen oder Bei¬
tragserstattungen bei der Verheiratung und im Todesfalle erhalten haben.

Wenn diese Zahlen auch keines weitern Kommentars bedürfen, wenn man
auch bemüht gewesen ist, in der sozialpolitischen Gesetzgebung etwas brauch¬
bares zu schaffen und den Arbeiter nach Möglichkeit gegen die wirtschaftlichen
Folgen des Alters und der unverschuldeten Erwerbsunfähigkeit sicher zu stellen,


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[0652] Übelstände bei der Rentenbewilligung Krieg und ein Blatt Papier schon erlangt worden. Auch sind wir nicht Slawen noch Gallier. Separatismus, Sonderbündelei scheinen uns im Blute zu liegen. Bei Slawen und Galliern sind die Staatensplitter weggefegt worden i bei uns sind sie geblieben. Zeit, gemeinsame Arbeit, gemeinsame Geschicke müssen das übrige thun, um in uns die nationale Kraft zu stählen, die heute nötig ist im Daseinskampf der Völker. (Schluß folgt) Adelstände bei der Rentenbewilligung Lrnst Äirchberg von n seiner vor anderthalb Jahrzehnten erschienenen Abhandlung über „Die Unfallversicherung in den europäischen Staaten" hat Bödiker, der frühere Präsident des Neichsversicherungsamts, darauf hingewiesen, wie schwer es unter der Geltung des Haftpflichtgesetzes dem einzelnen Arbeiter bei seinem Vermögens- und Bildungsstande gemacht war, einen Entschädigungsanspruch für einen Betriebsunfall durch einen Prozeß gegen seinen Arbeitgeber oder gegen die mit den reichsten Mitteln ausgestatteten privaten Versicherungsgesellschaften durchzufechten. Das Haft¬ pflichtgesetz mit seinen offenkundiger Mängeln gehört zum Glück längst der Vergangenheit an, und seitdem ist mit der Durchführung der sozialpolitischen Gesetzgebung bei uns in Deutschland ein großer Teil der sozialen Frage gelöst worden. Heute erhält jeder Lohnarbeiter im Falle der Erkrankung zum min¬ desten dreizehn Wochen hindurch eine ausreichende Krankenunterstützung, und seit dem Bestehen der Arbeiterversicherungsgesetze sind bis zum Schluß des Jahres 1897 an Unfall-, Invaliden- und Altersrenten und sonstigen Ent¬ schädigungsbeträgen zusammen schon über sechshundert Millionen Mark aus¬ gezahlt worden. Im Jahre 1897 allein haben die Ausgaben 122 Millionen Mark betragen für 485732 Unfall-. 452300 Invaliden- und Altersrentner. während außerdem bei der Unfallversicherung 29599, bei der Jnvaliditäts- und Altersversicherung 212983 Personen vorübergehende Unterstützungen oder Bei¬ tragserstattungen bei der Verheiratung und im Todesfalle erhalten haben. Wenn diese Zahlen auch keines weitern Kommentars bedürfen, wenn man auch bemüht gewesen ist, in der sozialpolitischen Gesetzgebung etwas brauch¬ bares zu schaffen und den Arbeiter nach Möglichkeit gegen die wirtschaftlichen Folgen des Alters und der unverschuldeten Erwerbsunfähigkeit sicher zu stellen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/652>, abgerufen am 23.07.2024.