Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Wehrwesen und Sozialdemokratie
Reinhold Günther Einige Betrachtungen von

-> >>^?K"^
^"'-Mk'iÄ?IN den dogmatischen Sätzen der internationalen Sozialdemokratie
gehört die Forderung, das "stehende Heer" sei abzuschaffen und
durch eine "Volkswehr" zu ersetzen. Mit dem stehenden Heere
meinen sie jedoch keineswegs die Werbearmeen, die nur noch in
England und in den Vereinigten Staaten als ein Überbleibsel
des achtzehnten Jahrhunderts vorkommen, sondern die durch die allgemeine
Dienstpflicht ergänzten Kadresheere, die seit 1866 nach dem preußischen Vor¬
bilde in den meisten europäischen Staaten errichtet worden sind. Die deutsche
Sozialdemokratie empfiehlt im allgemeinen das Milizsystem, wie es in der
Schweiz besteht und dort dauernd zu großer Leistungsfähigkeit ausgebildet
wird. Die schweizerische Sozialdemokratie dagegen will selbst von der heimischen
Wehrordnung nichts wissen. Ihre Presse zeichnet sich durch immer wieder¬
kehrende Angriffe gegen die eidgenössischen Offiziere aus und ist eifrig bemüht,
alle Maßnahmen der obersten Militärbehörden verächtlich zu machen.

Was heißt nun "Volkswehr"? In einem demokratischen Staate ergänzt
sie sich aus allen nur irgendwie waffenfähigen Bürgern; diese sollen in der
Stunde der Gefahr das Vaterland verteidigen. Es liegt demnach auch hier
der sonst von der Sozialdemokratie so häufig bekämpfte Zwang vor, daß sich
jeder männliche Staatsangehörige zum Waffendienste stellen muß, gleichviel,
ob er es gern thut, oder ob er etwa als Friedensliguist oder aus religiösen
Gründen, wie z. B. die Mennoniten und die Nazarener, in jeder Kriegsleistung
die ärgste Sünde sieht.

Auch die "Volkswehr," heiße sie nun Nationalgarde, Landsturm oder


Grenzboten I 1899 2?>


Wehrwesen und Sozialdemokratie
Reinhold Günther Einige Betrachtungen von

-> >>^?K»^
^»'-Mk'iÄ?IN den dogmatischen Sätzen der internationalen Sozialdemokratie
gehört die Forderung, das „stehende Heer" sei abzuschaffen und
durch eine „Volkswehr" zu ersetzen. Mit dem stehenden Heere
meinen sie jedoch keineswegs die Werbearmeen, die nur noch in
England und in den Vereinigten Staaten als ein Überbleibsel
des achtzehnten Jahrhunderts vorkommen, sondern die durch die allgemeine
Dienstpflicht ergänzten Kadresheere, die seit 1866 nach dem preußischen Vor¬
bilde in den meisten europäischen Staaten errichtet worden sind. Die deutsche
Sozialdemokratie empfiehlt im allgemeinen das Milizsystem, wie es in der
Schweiz besteht und dort dauernd zu großer Leistungsfähigkeit ausgebildet
wird. Die schweizerische Sozialdemokratie dagegen will selbst von der heimischen
Wehrordnung nichts wissen. Ihre Presse zeichnet sich durch immer wieder¬
kehrende Angriffe gegen die eidgenössischen Offiziere aus und ist eifrig bemüht,
alle Maßnahmen der obersten Militärbehörden verächtlich zu machen.

Was heißt nun „Volkswehr"? In einem demokratischen Staate ergänzt
sie sich aus allen nur irgendwie waffenfähigen Bürgern; diese sollen in der
Stunde der Gefahr das Vaterland verteidigen. Es liegt demnach auch hier
der sonst von der Sozialdemokratie so häufig bekämpfte Zwang vor, daß sich
jeder männliche Staatsangehörige zum Waffendienste stellen muß, gleichviel,
ob er es gern thut, oder ob er etwa als Friedensliguist oder aus religiösen
Gründen, wie z. B. die Mennoniten und die Nazarener, in jeder Kriegsleistung
die ärgste Sünde sieht.

Auch die „Volkswehr," heiße sie nun Nationalgarde, Landsturm oder


Grenzboten I 1899 2?>
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0185" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229871"/>
            <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341869_229685/figures/grenzboten_341869_229685_229871_000.jpg"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Wehrwesen und Sozialdemokratie<lb/><note type="byline"> Reinhold Günther</note> Einige Betrachtungen von</head><lb/>
          <div n="2">
            <head/><lb/>
            <p xml:id="ID_790"> -&gt; &gt;&gt;^?K»^<lb/>
^»'-Mk'iÄ?IN den dogmatischen Sätzen der internationalen Sozialdemokratie<lb/>
gehört die Forderung, das &#x201E;stehende Heer" sei abzuschaffen und<lb/>
durch eine &#x201E;Volkswehr" zu ersetzen. Mit dem stehenden Heere<lb/>
meinen sie jedoch keineswegs die Werbearmeen, die nur noch in<lb/>
England und in den Vereinigten Staaten als ein Überbleibsel<lb/>
des achtzehnten Jahrhunderts vorkommen, sondern die durch die allgemeine<lb/>
Dienstpflicht ergänzten Kadresheere, die seit 1866 nach dem preußischen Vor¬<lb/>
bilde in den meisten europäischen Staaten errichtet worden sind. Die deutsche<lb/>
Sozialdemokratie empfiehlt im allgemeinen das Milizsystem, wie es in der<lb/>
Schweiz besteht und dort dauernd zu großer Leistungsfähigkeit ausgebildet<lb/>
wird. Die schweizerische Sozialdemokratie dagegen will selbst von der heimischen<lb/>
Wehrordnung nichts wissen. Ihre Presse zeichnet sich durch immer wieder¬<lb/>
kehrende Angriffe gegen die eidgenössischen Offiziere aus und ist eifrig bemüht,<lb/>
alle Maßnahmen der obersten Militärbehörden verächtlich zu machen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_791"> Was heißt nun &#x201E;Volkswehr"? In einem demokratischen Staate ergänzt<lb/>
sie sich aus allen nur irgendwie waffenfähigen Bürgern; diese sollen in der<lb/>
Stunde der Gefahr das Vaterland verteidigen. Es liegt demnach auch hier<lb/>
der sonst von der Sozialdemokratie so häufig bekämpfte Zwang vor, daß sich<lb/>
jeder männliche Staatsangehörige zum Waffendienste stellen muß, gleichviel,<lb/>
ob er es gern thut, oder ob er etwa als Friedensliguist oder aus religiösen<lb/>
Gründen, wie z. B. die Mennoniten und die Nazarener, in jeder Kriegsleistung<lb/>
die ärgste Sünde sieht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_792" next="#ID_793"> Auch die &#x201E;Volkswehr," heiße sie nun Nationalgarde, Landsturm oder</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1899 2?&gt;</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0185] [Abbildung] Wehrwesen und Sozialdemokratie Reinhold Günther Einige Betrachtungen von -> >>^?K»^ ^»'-Mk'iÄ?IN den dogmatischen Sätzen der internationalen Sozialdemokratie gehört die Forderung, das „stehende Heer" sei abzuschaffen und durch eine „Volkswehr" zu ersetzen. Mit dem stehenden Heere meinen sie jedoch keineswegs die Werbearmeen, die nur noch in England und in den Vereinigten Staaten als ein Überbleibsel des achtzehnten Jahrhunderts vorkommen, sondern die durch die allgemeine Dienstpflicht ergänzten Kadresheere, die seit 1866 nach dem preußischen Vor¬ bilde in den meisten europäischen Staaten errichtet worden sind. Die deutsche Sozialdemokratie empfiehlt im allgemeinen das Milizsystem, wie es in der Schweiz besteht und dort dauernd zu großer Leistungsfähigkeit ausgebildet wird. Die schweizerische Sozialdemokratie dagegen will selbst von der heimischen Wehrordnung nichts wissen. Ihre Presse zeichnet sich durch immer wieder¬ kehrende Angriffe gegen die eidgenössischen Offiziere aus und ist eifrig bemüht, alle Maßnahmen der obersten Militärbehörden verächtlich zu machen. Was heißt nun „Volkswehr"? In einem demokratischen Staate ergänzt sie sich aus allen nur irgendwie waffenfähigen Bürgern; diese sollen in der Stunde der Gefahr das Vaterland verteidigen. Es liegt demnach auch hier der sonst von der Sozialdemokratie so häufig bekämpfte Zwang vor, daß sich jeder männliche Staatsangehörige zum Waffendienste stellen muß, gleichviel, ob er es gern thut, oder ob er etwa als Friedensliguist oder aus religiösen Gründen, wie z. B. die Mennoniten und die Nazarener, in jeder Kriegsleistung die ärgste Sünde sieht. Auch die „Volkswehr," heiße sie nun Nationalgarde, Landsturm oder Grenzboten I 1899 2?>

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/185
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/185>, abgerufen am 03.07.2024.