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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Hundert Jahre Landwirtschaft in Deutschland

entsteht für Deutschland die Pflicht, anderweitig ans seine Sicherung bedacht
zu sein. Eine gewisse Erleichterung erwächst ihm hierbei aus der geschicht¬
lichen Änderung der europäischen Verhältnisse seit 1805 insofern, als es heute
in Europa keine Barbaren mehr giebt, gegen die man Österreich als ein ebenso
notwendiges wie hinreichendes Bollwerk bestehen lassen müßte, wie das Talley-
rand nach der Schlacht bei Austerlitz noch für zweckmäßig hielt.

Man ist heute kein Freund Österreichs, noch weniger aber ein Freund
Deutschlands, wenn man die innerösterreichischen Dinge lediglich als Streit
zwischen Deutschen und Slawen betrachtet und sich die Augen vor ihrer euro¬
päischen Bedeutsamkeit, vor ihrem möglichen und vielleicht nahen Einfluß auf
Krieg und Frieden verschließt.




Hundert Jahre Landwirtschaft in Deutschland s

u der Mitte des vorigen Jahrhunderts war man über die alte
Dreifelderwirtschaft noch nicht hinausgekommen. Zwar fehlte es
auch in der vorhergehenden Zeit nicht an hellen Köpfen, die
allerlei Entdeckungen machten,'^) aber diese blieben, in Deutsch¬
land wenigstens, unbenutzt. Das Haupthindernis des Fort¬
schritts lag in der Agrarverfassung. Der Streubesitz machte den Flurzwcmg




Für diesen Rückblick sind außer allgemein zugänglichen agrarwissenschaftlichcn Werten
benutzt worden: Erinnerungen aus dein Leben des General-Feldmarschnlls von Bouen, heraus¬
gegeben von Friedrich Nippold, Leipzig, S. Hirzel, 1889: Der bisherige Gütcrhandel und seine
traurigen Folgen, Dresden, Walthersche Hofbuchhandlung, 1810; Die Mittel zur Erhaltung der
Grundbesitzer, zur Rettung des Kapitalvermögens des Staats und ihrer Gläubiger von E- von
Bülow aus Cummerom, Berlin, Sozietntöbuchhandlung, 1814; Über das Entstehen und die
dringend notwendige Abhilfe derjenigen Not, welche jetzt alle Landwirte drückt, und über die
Pflegung des Kredits aller Gewerbe, in besondrer Hinsicht auf den preußischen Staat, von
C. L. E. v. Knobloch, Berlin, Cnslin, 1830: Geschichte der deutschen Landwirtschaft in Ver¬
bindung urit der allgemeinen Geschichte von 1770 bis 1850 von Christian Eduard Langethal
(in Raumers Historischen Taschenbuch, 4. Jahrgang, 4. Folge, 1803): Die Fortschritte der
deutschen Landwirtschaft vom letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts an bis auf unsre Zeit
von I. G. Elsner, Stuttgart, I. G. Cotta, 18"": Die Agrnrkrisis in Preußen während der
zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts von Arnold Unke. Halle a. S., Ehrhardt Karras, 1887. --
Die Kenntnis dieser Quellen verdanke ich einem Mitarbeiter der Grenzboten, der sie, mit Aus¬
nahme einer, im 3. Bande des Jahrgangs 189" der Grenzboten Seite 49 zu einem andern
Zweck und daher in andrer Weise benutzt hat.
**) Becher erfand 1082 die Kunst, aus Kartoffeln Spiritus zu brennen, Marggras entdeckte
1747 den Zucker in den Runkelrüben: liiliü wurde von Locatelli die Säemaschme, 1670 von
Hundert Jahre Landwirtschaft in Deutschland

entsteht für Deutschland die Pflicht, anderweitig ans seine Sicherung bedacht
zu sein. Eine gewisse Erleichterung erwächst ihm hierbei aus der geschicht¬
lichen Änderung der europäischen Verhältnisse seit 1805 insofern, als es heute
in Europa keine Barbaren mehr giebt, gegen die man Österreich als ein ebenso
notwendiges wie hinreichendes Bollwerk bestehen lassen müßte, wie das Talley-
rand nach der Schlacht bei Austerlitz noch für zweckmäßig hielt.

Man ist heute kein Freund Österreichs, noch weniger aber ein Freund
Deutschlands, wenn man die innerösterreichischen Dinge lediglich als Streit
zwischen Deutschen und Slawen betrachtet und sich die Augen vor ihrer euro¬
päischen Bedeutsamkeit, vor ihrem möglichen und vielleicht nahen Einfluß auf
Krieg und Frieden verschließt.




Hundert Jahre Landwirtschaft in Deutschland s

u der Mitte des vorigen Jahrhunderts war man über die alte
Dreifelderwirtschaft noch nicht hinausgekommen. Zwar fehlte es
auch in der vorhergehenden Zeit nicht an hellen Köpfen, die
allerlei Entdeckungen machten,'^) aber diese blieben, in Deutsch¬
land wenigstens, unbenutzt. Das Haupthindernis des Fort¬
schritts lag in der Agrarverfassung. Der Streubesitz machte den Flurzwcmg




Für diesen Rückblick sind außer allgemein zugänglichen agrarwissenschaftlichcn Werten
benutzt worden: Erinnerungen aus dein Leben des General-Feldmarschnlls von Bouen, heraus¬
gegeben von Friedrich Nippold, Leipzig, S. Hirzel, 1889: Der bisherige Gütcrhandel und seine
traurigen Folgen, Dresden, Walthersche Hofbuchhandlung, 1810; Die Mittel zur Erhaltung der
Grundbesitzer, zur Rettung des Kapitalvermögens des Staats und ihrer Gläubiger von E- von
Bülow aus Cummerom, Berlin, Sozietntöbuchhandlung, 1814; Über das Entstehen und die
dringend notwendige Abhilfe derjenigen Not, welche jetzt alle Landwirte drückt, und über die
Pflegung des Kredits aller Gewerbe, in besondrer Hinsicht auf den preußischen Staat, von
C. L. E. v. Knobloch, Berlin, Cnslin, 1830: Geschichte der deutschen Landwirtschaft in Ver¬
bindung urit der allgemeinen Geschichte von 1770 bis 1850 von Christian Eduard Langethal
(in Raumers Historischen Taschenbuch, 4. Jahrgang, 4. Folge, 1803): Die Fortschritte der
deutschen Landwirtschaft vom letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts an bis auf unsre Zeit
von I. G. Elsner, Stuttgart, I. G. Cotta, 18«»: Die Agrnrkrisis in Preußen während der
zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts von Arnold Unke. Halle a. S., Ehrhardt Karras, 1887. —
Die Kenntnis dieser Quellen verdanke ich einem Mitarbeiter der Grenzboten, der sie, mit Aus¬
nahme einer, im 3. Bande des Jahrgangs 189« der Grenzboten Seite 49 zu einem andern
Zweck und daher in andrer Weise benutzt hat.
**) Becher erfand 1082 die Kunst, aus Kartoffeln Spiritus zu brennen, Marggras entdeckte
1747 den Zucker in den Runkelrüben: liiliü wurde von Locatelli die Säemaschme, 1670 von
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[0405] Hundert Jahre Landwirtschaft in Deutschland entsteht für Deutschland die Pflicht, anderweitig ans seine Sicherung bedacht zu sein. Eine gewisse Erleichterung erwächst ihm hierbei aus der geschicht¬ lichen Änderung der europäischen Verhältnisse seit 1805 insofern, als es heute in Europa keine Barbaren mehr giebt, gegen die man Österreich als ein ebenso notwendiges wie hinreichendes Bollwerk bestehen lassen müßte, wie das Talley- rand nach der Schlacht bei Austerlitz noch für zweckmäßig hielt. Man ist heute kein Freund Österreichs, noch weniger aber ein Freund Deutschlands, wenn man die innerösterreichischen Dinge lediglich als Streit zwischen Deutschen und Slawen betrachtet und sich die Augen vor ihrer euro¬ päischen Bedeutsamkeit, vor ihrem möglichen und vielleicht nahen Einfluß auf Krieg und Frieden verschließt. Hundert Jahre Landwirtschaft in Deutschland s u der Mitte des vorigen Jahrhunderts war man über die alte Dreifelderwirtschaft noch nicht hinausgekommen. Zwar fehlte es auch in der vorhergehenden Zeit nicht an hellen Köpfen, die allerlei Entdeckungen machten,'^) aber diese blieben, in Deutsch¬ land wenigstens, unbenutzt. Das Haupthindernis des Fort¬ schritts lag in der Agrarverfassung. Der Streubesitz machte den Flurzwcmg Für diesen Rückblick sind außer allgemein zugänglichen agrarwissenschaftlichcn Werten benutzt worden: Erinnerungen aus dein Leben des General-Feldmarschnlls von Bouen, heraus¬ gegeben von Friedrich Nippold, Leipzig, S. Hirzel, 1889: Der bisherige Gütcrhandel und seine traurigen Folgen, Dresden, Walthersche Hofbuchhandlung, 1810; Die Mittel zur Erhaltung der Grundbesitzer, zur Rettung des Kapitalvermögens des Staats und ihrer Gläubiger von E- von Bülow aus Cummerom, Berlin, Sozietntöbuchhandlung, 1814; Über das Entstehen und die dringend notwendige Abhilfe derjenigen Not, welche jetzt alle Landwirte drückt, und über die Pflegung des Kredits aller Gewerbe, in besondrer Hinsicht auf den preußischen Staat, von C. L. E. v. Knobloch, Berlin, Cnslin, 1830: Geschichte der deutschen Landwirtschaft in Ver¬ bindung urit der allgemeinen Geschichte von 1770 bis 1850 von Christian Eduard Langethal (in Raumers Historischen Taschenbuch, 4. Jahrgang, 4. Folge, 1803): Die Fortschritte der deutschen Landwirtschaft vom letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts an bis auf unsre Zeit von I. G. Elsner, Stuttgart, I. G. Cotta, 18«»: Die Agrnrkrisis in Preußen während der zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts von Arnold Unke. Halle a. S., Ehrhardt Karras, 1887. — Die Kenntnis dieser Quellen verdanke ich einem Mitarbeiter der Grenzboten, der sie, mit Aus¬ nahme einer, im 3. Bande des Jahrgangs 189« der Grenzboten Seite 49 zu einem andern Zweck und daher in andrer Weise benutzt hat. **) Becher erfand 1082 die Kunst, aus Kartoffeln Spiritus zu brennen, Marggras entdeckte 1747 den Zucker in den Runkelrüben: liiliü wurde von Locatelli die Säemaschme, 1670 von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/405>, abgerufen am 12.12.2024.