Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.Die Theorie des Grafen Gobineau Es sei heute mit diesem Bericht genug. Mag manches einzelne Wort der Die Theorie des Grafen Gobineau f^WMs ist merkwürdig, wie oft man sich in alten Büchern wieder¬ Gobineau glaubt mit seinen Untersuchungen erst den Grund gelegt zu Die Theorie des Grafen Gobineau Es sei heute mit diesem Bericht genug. Mag manches einzelne Wort der Die Theorie des Grafen Gobineau f^WMs ist merkwürdig, wie oft man sich in alten Büchern wieder¬ Gobineau glaubt mit seinen Untersuchungen erst den Grund gelegt zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0450" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/228752"/> <fw type="header" place="top"> Die Theorie des Grafen Gobineau</fw><lb/> <p xml:id="ID_1562"> Es sei heute mit diesem Bericht genug. Mag manches einzelne Wort der<lb/> Theoretiker, das er wiedergiebt, die Kritik vom Standpunkt des Praktikers<lb/> herausfordern, die allgemeinen Grundsätze nationalökonomischen Denkens, die<lb/> wir in ihm finden, können gar nicht eindringlich genug dem deutschen Volke<lb/> zur Beachtung empfohlen werden. Unsre Regierungen und Gesetzgeber haben<lb/> schon viel zu lange gewirtschaftet wie Kinder, die Volkswirtschaft spielen, und<lb/> die volkswirtschaftlichen Gelehrten haben die Reigen gedichtet und die Märchen<lb/> erfunden, die sie spielten. Es wird harte, lange, rücksichtslose Arbeit fordern,<lb/> bis all der agrarische und sozialistische Unrat, der sich dabei angesammelt hat,<lb/><note type="byline"/> ausgefegt ist oben und unten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Theorie des Grafen Gobineau</head><lb/> <p xml:id="ID_1563"> f^WMs ist merkwürdig, wie oft man sich in alten Büchern wieder¬<lb/> findet, oder eigentlich nicht merkwürdig, da ja das Geistesleben<lb/> der Spätern der Hauptsache nach aus dem besteht, was sie von<lb/> Frühern geerbt haben. Den Versuch des Grafen Gobineau<lb/> über die Ungleichheit der Menschenrassen darf man wohl<lb/> ein altes Buch nennen, denn er ist 1853 erschienen und dem König Georg V.<lb/> von Hannover gewidmet. Nachdem der vor sechzehn Jahren verstorbne Ver¬<lb/> fasser, der Europa, Asien und Amerika als Diplomat kennen gelernt und als<lb/> Gelehrter durchforscht hatte, durch die Übersetzungen seiner Asiatischen Novellen<lb/> und seiner Schilderungen der Renaissance in Deutschland vorteilhaft bekannt<lb/> geworden war, durfte es der Verlag von Fr. Frommann (E. Hauff) in Stuttgart<lb/> schon wagen, auch von dem Hauptwerke des Grafen eine deutsche Ausgabe zu<lb/> veranstalten, die Ludwig Schemann besorgt und von der in diesem Jahre<lb/> der erste Band erschienen ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1564" next="#ID_1565"> Gobineau glaubt mit seinen Untersuchungen erst den Grund gelegt zu<lb/> haben zu einer zukünftigen wissenschaftlichen Behandlung der Geschichte. Er<lb/> sucht zu beweisen, daß die Menschenrassen unveränderlich, daß einige von ihnen<lb/> kulturfähig sind, die andern, sich selbst überlassen, ewig unfähig bleiben, Kultur<lb/> zu erzeugen, daß alle wichtigen historischen Veränderungen Wirkungen der<lb/> Rassenmischung sind, und daß die Menschheit hoffnungslos degenerirt, weil<lb/> sich die edeln Rassen durch fortwährende Mischung allmählich verlieren. Man<lb/> sieht, daß Gobineau Material geliefert hat für gewisse anthropologische Theorien,<lb/> die wir vor kurzem in den Grenzboten kritisirt haben, aber von diesen Theorien<lb/> ist seine eigne weit entfernt. Er glaubt, daß Darwin und Buckle seine Grund-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0450]
Die Theorie des Grafen Gobineau
Es sei heute mit diesem Bericht genug. Mag manches einzelne Wort der
Theoretiker, das er wiedergiebt, die Kritik vom Standpunkt des Praktikers
herausfordern, die allgemeinen Grundsätze nationalökonomischen Denkens, die
wir in ihm finden, können gar nicht eindringlich genug dem deutschen Volke
zur Beachtung empfohlen werden. Unsre Regierungen und Gesetzgeber haben
schon viel zu lange gewirtschaftet wie Kinder, die Volkswirtschaft spielen, und
die volkswirtschaftlichen Gelehrten haben die Reigen gedichtet und die Märchen
erfunden, die sie spielten. Es wird harte, lange, rücksichtslose Arbeit fordern,
bis all der agrarische und sozialistische Unrat, der sich dabei angesammelt hat,
ausgefegt ist oben und unten.
Die Theorie des Grafen Gobineau
f^WMs ist merkwürdig, wie oft man sich in alten Büchern wieder¬
findet, oder eigentlich nicht merkwürdig, da ja das Geistesleben
der Spätern der Hauptsache nach aus dem besteht, was sie von
Frühern geerbt haben. Den Versuch des Grafen Gobineau
über die Ungleichheit der Menschenrassen darf man wohl
ein altes Buch nennen, denn er ist 1853 erschienen und dem König Georg V.
von Hannover gewidmet. Nachdem der vor sechzehn Jahren verstorbne Ver¬
fasser, der Europa, Asien und Amerika als Diplomat kennen gelernt und als
Gelehrter durchforscht hatte, durch die Übersetzungen seiner Asiatischen Novellen
und seiner Schilderungen der Renaissance in Deutschland vorteilhaft bekannt
geworden war, durfte es der Verlag von Fr. Frommann (E. Hauff) in Stuttgart
schon wagen, auch von dem Hauptwerke des Grafen eine deutsche Ausgabe zu
veranstalten, die Ludwig Schemann besorgt und von der in diesem Jahre
der erste Band erschienen ist.
Gobineau glaubt mit seinen Untersuchungen erst den Grund gelegt zu
haben zu einer zukünftigen wissenschaftlichen Behandlung der Geschichte. Er
sucht zu beweisen, daß die Menschenrassen unveränderlich, daß einige von ihnen
kulturfähig sind, die andern, sich selbst überlassen, ewig unfähig bleiben, Kultur
zu erzeugen, daß alle wichtigen historischen Veränderungen Wirkungen der
Rassenmischung sind, und daß die Menschheit hoffnungslos degenerirt, weil
sich die edeln Rassen durch fortwährende Mischung allmählich verlieren. Man
sieht, daß Gobineau Material geliefert hat für gewisse anthropologische Theorien,
die wir vor kurzem in den Grenzboten kritisirt haben, aber von diesen Theorien
ist seine eigne weit entfernt. Er glaubt, daß Darwin und Buckle seine Grund-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |