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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Die Delagoabucht und Samoa

liebsten die Weiber für sich arbeiten lassen, erachteten es nicht als entwürdigend,
bei deutschen Grundbesitzern in Krain, Körnten, Steiermark Tagelohn zu-ver¬
dienen. Die neue Generation aber ist schon so fortgeschritten, daß die Schul¬
jungen das Denkmal des Dichters Anastcisius Grün entweihen und -- wenn
sie in der Mehrheit sind -- deutsche Studenten anfallen. Ferner erinnern
wir uns gelesen zu haben, daß sich in den Faustkämpfer im österreichischen
Abgeordnetenhause ein Hofrat aus Slowenien besonders ausgezeichnet habe.
Als ErWecker der windischen Nation wird ein Tierarzt namens -- Vlei-
weiß gefeiert.

Gereizt und drangsalirt werden also in Osterreich die Deutschen von allen
Seiten, aber von Abhilfe ihrer Beschwerden ist nichts zu vernehmen. In einer
fremden Zeitung hieß es, das Ministerium befolge die bewährte Methode ge¬
wisser Eltern, die, wenn Besuch erwartet wird, die zum Unfug aufgelegten
Kinder mit Zuckerbrod bestechen, die andern hingegen ernst vermahnen, artig
zu sein wie immer. So hoffe man mit guter Manier das Jubiläumsjahr zu
überleben. Und in der That, wer in Wiener Blättern die täglichen Berichte
über zahllose Jubelfeste beachtet, muß auf die Vermutung kommen, daß sich
mindestens die Wiener auf dem Gipfel ihrer Wünsche befinden.




Die Delagoabucht und ^>amoa

le amerikanisch-spanischen Kriegswirren haben das schon viel¬
fach vermutete Einverständnis zwischen den monarchischen Eng¬
ländern auf den britische" Inseln und deren republikanischen
Volksgenossen auf dem amerikanischen Festlande klar dargethan.
In Deutschland herrscht gegenwärtig erfreulicherweise ein kräftiger
Engländerhaß, und diese Abneigung wird auch auf Amerika übertragen, das
ja auch an wirtschaftlicher Rücksichtslosigkeit John Bull noch übertrifft. Eng¬
land hofft natürlich bei dem amerikanischen Raubzug im Trüben zu fischen,
indem es dem Bruder Jonnthcm seine moralische Unterstützung leiht und da¬
durch das freilich schon ziemlich in Verruf gekommne europäische Konzert stört.
Wir haben das zweifelhafte Vergnügen, an zwei Orten mit den verbündeten
Angelsachsen zusammenzustoßen, wo sie gerade jetzt ziemlich unverhohlene An¬
strengungen machen, das bisherige Gleichgewicht zu stören, indem sie un¬
berechtigte Ansprüche erheben.

Die Delagoabucht an der südlichen Küste Ostafrikas ist der Zwischen¬
hafen für den afrikanischen Küstenverkehr zwischen uns im Norden und der
Kapkolonie im Süden und zugleich der Zugang zum Meere für die Voeren-


Die Delagoabucht und Samoa

liebsten die Weiber für sich arbeiten lassen, erachteten es nicht als entwürdigend,
bei deutschen Grundbesitzern in Krain, Körnten, Steiermark Tagelohn zu-ver¬
dienen. Die neue Generation aber ist schon so fortgeschritten, daß die Schul¬
jungen das Denkmal des Dichters Anastcisius Grün entweihen und — wenn
sie in der Mehrheit sind — deutsche Studenten anfallen. Ferner erinnern
wir uns gelesen zu haben, daß sich in den Faustkämpfer im österreichischen
Abgeordnetenhause ein Hofrat aus Slowenien besonders ausgezeichnet habe.
Als ErWecker der windischen Nation wird ein Tierarzt namens — Vlei-
weiß gefeiert.

Gereizt und drangsalirt werden also in Osterreich die Deutschen von allen
Seiten, aber von Abhilfe ihrer Beschwerden ist nichts zu vernehmen. In einer
fremden Zeitung hieß es, das Ministerium befolge die bewährte Methode ge¬
wisser Eltern, die, wenn Besuch erwartet wird, die zum Unfug aufgelegten
Kinder mit Zuckerbrod bestechen, die andern hingegen ernst vermahnen, artig
zu sein wie immer. So hoffe man mit guter Manier das Jubiläumsjahr zu
überleben. Und in der That, wer in Wiener Blättern die täglichen Berichte
über zahllose Jubelfeste beachtet, muß auf die Vermutung kommen, daß sich
mindestens die Wiener auf dem Gipfel ihrer Wünsche befinden.




Die Delagoabucht und ^>amoa

le amerikanisch-spanischen Kriegswirren haben das schon viel¬
fach vermutete Einverständnis zwischen den monarchischen Eng¬
ländern auf den britische» Inseln und deren republikanischen
Volksgenossen auf dem amerikanischen Festlande klar dargethan.
In Deutschland herrscht gegenwärtig erfreulicherweise ein kräftiger
Engländerhaß, und diese Abneigung wird auch auf Amerika übertragen, das
ja auch an wirtschaftlicher Rücksichtslosigkeit John Bull noch übertrifft. Eng¬
land hofft natürlich bei dem amerikanischen Raubzug im Trüben zu fischen,
indem es dem Bruder Jonnthcm seine moralische Unterstützung leiht und da¬
durch das freilich schon ziemlich in Verruf gekommne europäische Konzert stört.
Wir haben das zweifelhafte Vergnügen, an zwei Orten mit den verbündeten
Angelsachsen zusammenzustoßen, wo sie gerade jetzt ziemlich unverhohlene An¬
strengungen machen, das bisherige Gleichgewicht zu stören, indem sie un¬
berechtigte Ansprüche erheben.

Die Delagoabucht an der südlichen Küste Ostafrikas ist der Zwischen¬
hafen für den afrikanischen Küstenverkehr zwischen uns im Norden und der
Kapkolonie im Süden und zugleich der Zugang zum Meere für die Voeren-


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[0525] Die Delagoabucht und Samoa liebsten die Weiber für sich arbeiten lassen, erachteten es nicht als entwürdigend, bei deutschen Grundbesitzern in Krain, Körnten, Steiermark Tagelohn zu-ver¬ dienen. Die neue Generation aber ist schon so fortgeschritten, daß die Schul¬ jungen das Denkmal des Dichters Anastcisius Grün entweihen und — wenn sie in der Mehrheit sind — deutsche Studenten anfallen. Ferner erinnern wir uns gelesen zu haben, daß sich in den Faustkämpfer im österreichischen Abgeordnetenhause ein Hofrat aus Slowenien besonders ausgezeichnet habe. Als ErWecker der windischen Nation wird ein Tierarzt namens — Vlei- weiß gefeiert. Gereizt und drangsalirt werden also in Osterreich die Deutschen von allen Seiten, aber von Abhilfe ihrer Beschwerden ist nichts zu vernehmen. In einer fremden Zeitung hieß es, das Ministerium befolge die bewährte Methode ge¬ wisser Eltern, die, wenn Besuch erwartet wird, die zum Unfug aufgelegten Kinder mit Zuckerbrod bestechen, die andern hingegen ernst vermahnen, artig zu sein wie immer. So hoffe man mit guter Manier das Jubiläumsjahr zu überleben. Und in der That, wer in Wiener Blättern die täglichen Berichte über zahllose Jubelfeste beachtet, muß auf die Vermutung kommen, daß sich mindestens die Wiener auf dem Gipfel ihrer Wünsche befinden. Die Delagoabucht und ^>amoa le amerikanisch-spanischen Kriegswirren haben das schon viel¬ fach vermutete Einverständnis zwischen den monarchischen Eng¬ ländern auf den britische» Inseln und deren republikanischen Volksgenossen auf dem amerikanischen Festlande klar dargethan. In Deutschland herrscht gegenwärtig erfreulicherweise ein kräftiger Engländerhaß, und diese Abneigung wird auch auf Amerika übertragen, das ja auch an wirtschaftlicher Rücksichtslosigkeit John Bull noch übertrifft. Eng¬ land hofft natürlich bei dem amerikanischen Raubzug im Trüben zu fischen, indem es dem Bruder Jonnthcm seine moralische Unterstützung leiht und da¬ durch das freilich schon ziemlich in Verruf gekommne europäische Konzert stört. Wir haben das zweifelhafte Vergnügen, an zwei Orten mit den verbündeten Angelsachsen zusammenzustoßen, wo sie gerade jetzt ziemlich unverhohlene An¬ strengungen machen, das bisherige Gleichgewicht zu stören, indem sie un¬ berechtigte Ansprüche erheben. Die Delagoabucht an der südlichen Küste Ostafrikas ist der Zwischen¬ hafen für den afrikanischen Küstenverkehr zwischen uns im Norden und der Kapkolonie im Süden und zugleich der Zugang zum Meere für die Voeren-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/525>, abgerufen am 26.12.2024.