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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Die Magyarisirung der Ortsnamen
Ein neuer Angriff ans das Deutschtum in Ungarn

ährend der gewaltige Obstruktionskampf tobt, den das deutsche
Volk in Österreich für sein gutes Recht kämpft, während für
das Ausgleichsprovisvrium gearbeitet wird, ist ein Angriff gegen
uns siebenbürger Sachsen unternommen worden, der uns ans
Leben geht.

Der Angriff ist wenig bemerkt worden, und fast sieht es aus, als ob der
ungarische Ministerpräsident das kleine, chauvinistische Gesetzentwürfchen -- diese
Äußerung wird ihm in den Mund gelegt -- absichtlich in dem allgemeinen Trubel
eingebracht habe, um es unbemerkt und unbehelligt ins Sichere zu bringen.
Daß er ein guter Taktiker sei, ist ein unbestrittner Ruhm des Herrn von
Bcmffy, und das ist wohl auch sein wesentlichster Rechtstitel ans den Namen
eines Staatmanns.

Am 8. November 1897 hat der Minister des Innern dem Abgeordneten¬
haus einen Gesetzentwurf über die Regelung der Ortsnamen vorgelegt. Dieser
Gesetzentwurf war eine Überraschung. Niemand ahnte etwas von einer der¬
artigen Absicht. Selbst unsre dreizehn sächsischen Abgeordneten, die doch zur
Regierungspartei gehören, hatten erst ganz zuletzt davon Kunde erhalten. Der
erste Paragraph dieses Gesetzentwurfs ordnet kurz und bündig an: Jede Ge¬
meinde darf ausschließlich nur einen Namen führen. Die folgenden Para¬
graphen enthalten nur erläuternde und durchführende Zusatzbestimmungen.
Sie setzen also fest, daß nur der amtliche Name der Gemeinde in der offiziell
festgesetzten Schreibart gebraucht werden dürfe, und zwar in allen amtlichen,
munizipalen und gemeindeamtlichen Schriften, auf Gemeindestampiglien und
Siegeln, bei der Geschäftsführung der uuter der unmittelbaren Verfügung des
Staates stehenden Anstalten, in den Schulen, ihren Drucksorten und Siegeln,
in notariellen Schriften. Sie setzen ferner fest den Wirkungskreis der zu
bildenden "Landesgemcindenstammbuchkommissiou," die unter anderm anch die
Aufgabe hat, solche Verfügungen zu beantragen, die notwendig sind, um nicht
nur im amtlichen Gebrauch, sondern auch im gesellschaftlichen Verkehr die
offiziellen Namen immer allgemeiner und ausschließlicher zu verbreiten. Sie
bestimmen, daß der Minister des Innern für die Festlegung des amtlichen
Namens zu sorgen hat.




Die Magyarisirung der Ortsnamen
Ein neuer Angriff ans das Deutschtum in Ungarn

ährend der gewaltige Obstruktionskampf tobt, den das deutsche
Volk in Österreich für sein gutes Recht kämpft, während für
das Ausgleichsprovisvrium gearbeitet wird, ist ein Angriff gegen
uns siebenbürger Sachsen unternommen worden, der uns ans
Leben geht.

Der Angriff ist wenig bemerkt worden, und fast sieht es aus, als ob der
ungarische Ministerpräsident das kleine, chauvinistische Gesetzentwürfchen — diese
Äußerung wird ihm in den Mund gelegt — absichtlich in dem allgemeinen Trubel
eingebracht habe, um es unbemerkt und unbehelligt ins Sichere zu bringen.
Daß er ein guter Taktiker sei, ist ein unbestrittner Ruhm des Herrn von
Bcmffy, und das ist wohl auch sein wesentlichster Rechtstitel ans den Namen
eines Staatmanns.

Am 8. November 1897 hat der Minister des Innern dem Abgeordneten¬
haus einen Gesetzentwurf über die Regelung der Ortsnamen vorgelegt. Dieser
Gesetzentwurf war eine Überraschung. Niemand ahnte etwas von einer der¬
artigen Absicht. Selbst unsre dreizehn sächsischen Abgeordneten, die doch zur
Regierungspartei gehören, hatten erst ganz zuletzt davon Kunde erhalten. Der
erste Paragraph dieses Gesetzentwurfs ordnet kurz und bündig an: Jede Ge¬
meinde darf ausschließlich nur einen Namen führen. Die folgenden Para¬
graphen enthalten nur erläuternde und durchführende Zusatzbestimmungen.
Sie setzen also fest, daß nur der amtliche Name der Gemeinde in der offiziell
festgesetzten Schreibart gebraucht werden dürfe, und zwar in allen amtlichen,
munizipalen und gemeindeamtlichen Schriften, auf Gemeindestampiglien und
Siegeln, bei der Geschäftsführung der uuter der unmittelbaren Verfügung des
Staates stehenden Anstalten, in den Schulen, ihren Drucksorten und Siegeln,
in notariellen Schriften. Sie setzen ferner fest den Wirkungskreis der zu
bildenden „Landesgemcindenstammbuchkommissiou," die unter anderm anch die
Aufgabe hat, solche Verfügungen zu beantragen, die notwendig sind, um nicht
nur im amtlichen Gebrauch, sondern auch im gesellschaftlichen Verkehr die
offiziellen Namen immer allgemeiner und ausschließlicher zu verbreiten. Sie
bestimmen, daß der Minister des Innern für die Festlegung des amtlichen
Namens zu sorgen hat.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/322>, abgerufen am 26.12.2024.