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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Sagenbildung und Sagenentwicklung

Kongresses gescheitere Diplomaten als jener Linden dein König vorzustellen
nicht unterlassen. "Preußen -- so schrieb sein Minister Wintzingerode im
Oktober 1815 -- steht vor der absoluten Notwendigkeit, Vergrößerung und Ab-
rundung zu suchen. So wie Preußen jetzt ist, kann es nicht bestehen bleibe".
Es hat nur zu wählen zwischen seinem eignen Untergang und dem seiner
Nachbarn, und es ist nicht schwer, die Wahl zu erraten, die es trifft." Und
wie prophetische Ahnung mutet es an, wenn der Minister voll Besorgnis die
Pläne des Tugeudbnndes, von seinem Standpunkt aus, als dahin gehend
beschreibt: "mit allen Miteln die Autorität der deutschen Souveräne zu ver¬
mindern, die Irrungen zwischen ihnen und ihren Unterthanen zu erhöhen, um
die preußische Regierung endlich zur Herrin über die öffentliche Meinung und
den Volksgeist zu machen und eine Revolution herbeizuführen, deren Be¬
stimmung es ist. die Kaiserkrone auf das Haupt der Nachkommen des Burg¬
x. grafen von Nürnberg zu setzen."




Hagenbildung und Hagenentwicklung
v Georg Holz on

is auf die Zeit des dreißigjährigen Kriegs waren die Deutschen
im Besitz eines reichen Schatzes einheimischer Sagen, die sich in
der Weise zusammenschlossen, daß sie für eine Darstellung der
Urgeschichte des Volkes gelten konnten. In der That sind sie
jederzeit, ganz wie die altgrichischen Sagen, als eine solche auf¬
gefaßt worden, wie die alten Versuche zeigen, sie in die beglaubigte Geschichte
einzureihen, und wie daraus hervorgeht, daß besonnene Historiker sich veranlaßt
sahen, gegen diese Art von Geschichtsauelle Verwahrung einzulegen. Sicherlich
bestehen zwischen unsrer Sage und der beglaubigten Geschichte gewisse Be¬
ziehungen; diese sind zwar nicht so nahe, daß eine Ableitung der Sage aus
der Geschichte greifbar wäre, aber auch nicht so fern, daß man sie von vorn¬
herein ablehnen könnte. Der Spielraum, der der Forschung gelassen ist, ist
also ziemlich groß, es kann daher nicht Wunder nehmen, daß die Meinungen,
die über diesen Punkt geäußert worden sind, vielfach weit auseinandergehen.

Es sind im wesentlichen drei Gesichtspunkte, von denen aus die Erklärung
der Sagen versucht worden ist: der historische, der mythische und der poetische;
nach dem historischen wären geschichtliche Vorgänge, nach dem mythischen alte


Go'nzbote" 1 >8W l I
Sagenbildung und Sagenentwicklung

Kongresses gescheitere Diplomaten als jener Linden dein König vorzustellen
nicht unterlassen. „Preußen — so schrieb sein Minister Wintzingerode im
Oktober 1815 — steht vor der absoluten Notwendigkeit, Vergrößerung und Ab-
rundung zu suchen. So wie Preußen jetzt ist, kann es nicht bestehen bleibe».
Es hat nur zu wählen zwischen seinem eignen Untergang und dem seiner
Nachbarn, und es ist nicht schwer, die Wahl zu erraten, die es trifft." Und
wie prophetische Ahnung mutet es an, wenn der Minister voll Besorgnis die
Pläne des Tugeudbnndes, von seinem Standpunkt aus, als dahin gehend
beschreibt: „mit allen Miteln die Autorität der deutschen Souveräne zu ver¬
mindern, die Irrungen zwischen ihnen und ihren Unterthanen zu erhöhen, um
die preußische Regierung endlich zur Herrin über die öffentliche Meinung und
den Volksgeist zu machen und eine Revolution herbeizuführen, deren Be¬
stimmung es ist. die Kaiserkrone auf das Haupt der Nachkommen des Burg¬
x. grafen von Nürnberg zu setzen."




Hagenbildung und Hagenentwicklung
v Georg Holz on

is auf die Zeit des dreißigjährigen Kriegs waren die Deutschen
im Besitz eines reichen Schatzes einheimischer Sagen, die sich in
der Weise zusammenschlossen, daß sie für eine Darstellung der
Urgeschichte des Volkes gelten konnten. In der That sind sie
jederzeit, ganz wie die altgrichischen Sagen, als eine solche auf¬
gefaßt worden, wie die alten Versuche zeigen, sie in die beglaubigte Geschichte
einzureihen, und wie daraus hervorgeht, daß besonnene Historiker sich veranlaßt
sahen, gegen diese Art von Geschichtsauelle Verwahrung einzulegen. Sicherlich
bestehen zwischen unsrer Sage und der beglaubigten Geschichte gewisse Be¬
ziehungen; diese sind zwar nicht so nahe, daß eine Ableitung der Sage aus
der Geschichte greifbar wäre, aber auch nicht so fern, daß man sie von vorn¬
herein ablehnen könnte. Der Spielraum, der der Forschung gelassen ist, ist
also ziemlich groß, es kann daher nicht Wunder nehmen, daß die Meinungen,
die über diesen Punkt geäußert worden sind, vielfach weit auseinandergehen.

Es sind im wesentlichen drei Gesichtspunkte, von denen aus die Erklärung
der Sagen versucht worden ist: der historische, der mythische und der poetische;
nach dem historischen wären geschichtliche Vorgänge, nach dem mythischen alte


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[0089] Sagenbildung und Sagenentwicklung Kongresses gescheitere Diplomaten als jener Linden dein König vorzustellen nicht unterlassen. „Preußen — so schrieb sein Minister Wintzingerode im Oktober 1815 — steht vor der absoluten Notwendigkeit, Vergrößerung und Ab- rundung zu suchen. So wie Preußen jetzt ist, kann es nicht bestehen bleibe». Es hat nur zu wählen zwischen seinem eignen Untergang und dem seiner Nachbarn, und es ist nicht schwer, die Wahl zu erraten, die es trifft." Und wie prophetische Ahnung mutet es an, wenn der Minister voll Besorgnis die Pläne des Tugeudbnndes, von seinem Standpunkt aus, als dahin gehend beschreibt: „mit allen Miteln die Autorität der deutschen Souveräne zu ver¬ mindern, die Irrungen zwischen ihnen und ihren Unterthanen zu erhöhen, um die preußische Regierung endlich zur Herrin über die öffentliche Meinung und den Volksgeist zu machen und eine Revolution herbeizuführen, deren Be¬ stimmung es ist. die Kaiserkrone auf das Haupt der Nachkommen des Burg¬ x. grafen von Nürnberg zu setzen." Hagenbildung und Hagenentwicklung v Georg Holz on is auf die Zeit des dreißigjährigen Kriegs waren die Deutschen im Besitz eines reichen Schatzes einheimischer Sagen, die sich in der Weise zusammenschlossen, daß sie für eine Darstellung der Urgeschichte des Volkes gelten konnten. In der That sind sie jederzeit, ganz wie die altgrichischen Sagen, als eine solche auf¬ gefaßt worden, wie die alten Versuche zeigen, sie in die beglaubigte Geschichte einzureihen, und wie daraus hervorgeht, daß besonnene Historiker sich veranlaßt sahen, gegen diese Art von Geschichtsauelle Verwahrung einzulegen. Sicherlich bestehen zwischen unsrer Sage und der beglaubigten Geschichte gewisse Be¬ ziehungen; diese sind zwar nicht so nahe, daß eine Ableitung der Sage aus der Geschichte greifbar wäre, aber auch nicht so fern, daß man sie von vorn¬ herein ablehnen könnte. Der Spielraum, der der Forschung gelassen ist, ist also ziemlich groß, es kann daher nicht Wunder nehmen, daß die Meinungen, die über diesen Punkt geäußert worden sind, vielfach weit auseinandergehen. Es sind im wesentlichen drei Gesichtspunkte, von denen aus die Erklärung der Sagen versucht worden ist: der historische, der mythische und der poetische; nach dem historischen wären geschichtliche Vorgänge, nach dem mythischen alte Go'nzbote» 1 >8W l I

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/89>, abgerufen am 05.01.2025.