Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Noch vor Weihnachten war "Hochzig," erst im Müsershcms und bald darauf Maßgebliches und Unmaßgebliches Zur Reform des Militärstrafprozesses. Di Für das jetzt geltende Verfahren kommen vornehmlich das preußische und Grenzboten I 1898 78
Maßgebliches und Unmaßgebliches Noch vor Weihnachten war „Hochzig," erst im Müsershcms und bald darauf Maßgebliches und Unmaßgebliches Zur Reform des Militärstrafprozesses. Di Für das jetzt geltende Verfahren kommen vornehmlich das preußische und Grenzboten I 1898 78
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0621" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227523"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2267"> Noch vor Weihnachten war „Hochzig," erst im Müsershcms und bald darauf<lb/> im Dvhlershnus. Der Große verkam mit dem Kätterle recht gut — noch besser<lb/> der Kleine —, sodaß er vom Schnellschützeu absah. Das Birro barg nunmehr<lb/> hinter dem Vexirschlvß nur uoch 174 Thaler, zwei Drittel der vorhochzeitlichen<lb/> Summe, uuter zwiefachem Schlüsselrecht; und der Große saß am Sonntag nach¬<lb/> mittags uicht mehr so lauge wie sonst am Birro vor seinem Schreibkalender, denn<lb/> die Svnntagsbesuche im Rödershaus gingen ihm jetzt über alles. Er machte sie<lb/> "ber schon als Meister. Und ein Jahr nach ihrer Hochzeit hat er bei der Mndlene<lb/> an der Wiege gesungen, aber nnr lustige Lieder.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <div n="2"> <head> Zur Reform des Militärstrafprozesses.</head> <p xml:id="ID_2268"> Di<lb/> e Reichstagskominission,<lb/> die den vou Preußen stammenden Entwurf einer neuen Militärgerichtsordnung<lb/> vorzuberaten hat, wird damit in nächster Zeit fertig sein. Die Kommission arbeitet<lb/> sehr gründlich, und die juristische Fassung des Entwurfs wird darunter nicht leiden;<lb/> dafür sind jn viele Reichstagsabgeordnete Fachmänner. Für die militärische Seite<lb/> der Sache dagegen sind sie es nicht, auch wenn sie gedient haben, und die an den<lb/> Beratungen teilnehmenden Offiziere, die das militärische Feld beherrschen, sind wieder<lb/> keine Juristen. Eine Brücke konnten die Auditeure bilden, aber sie werden von den<lb/> andern Juristen sehr oft nicht für voll gehalten und haben weder im Reichstag<lb/> noch in der Militärhierarchie selbständigen Einfluß. So kann es mit der Reform<lb/> leicht auf Experimentirerei und Flickwerk hinauskommen. Jedenfalls wird diese<lb/> Reform eine sehr kostspielige Sache sein: nach einer hoffentlich übertriebnen Be¬<lb/> rechnung würde die Mehrausgabe so etwas wie 800000 Mark jährlich betragen.<lb/> Jetzt kommt noch zu den frühern Meinungsverschiedenheiten politischer Art die<lb/> Gefahr eines Konflikts zwischen den beiden größten Bundesstaaten hinzu. Ist<lb/> denn die ganze Sache so viel wert? Liegt ferner ein Bedürfnis vor, ein ganz<lb/> neues Werk zu schaffen?</p><lb/> <p xml:id="ID_2269" next="#ID_2270"> Für das jetzt geltende Verfahren kommen vornehmlich das preußische und<lb/> das bayrische System in Betracht. Nach dem preußischen wird das ganze zur<lb/> Entscheidung dienende Belastungs- und Eutlastungsmaterial Protokollarisch festgestellt<lb/> und dem Spruchgericht durch Verlesen unterbreitet. Die Zeugen bekommt es<lb/> gar nicht zu sehen, sodaß insoweit der unmittelbare Eindruck günz fehlt, und selbst<lb/> der günstige Eindruck, den etwa die Persönlichkeit des Angeklagten macht, ist gegen<lb/> das Gewicht der schriftlichen Belastung ohnmächtig. Daß zur Schlußverhandlung<lb/> keine Zuhörer zugelassen werden, ist mehr die natürliche Folge dieses schriftlich<lb/> vermittelten Verfahrens, als daß heimliches Wesen beabsichtigt wäre. Aus der<lb/> Schriftlichkeit ergeben sich jedoch noch andre, wirklich schlimme Folgen: große<lb/> Schwerfälligkeit des ganzen Verlaufs und unter Umständen lange Dauer der Unter¬<lb/> suchungshaft. Darunter hat much der zu leiden, der schließlich freigesprochen wird.<lb/> Das bayrische System dagegen bringt die Sache schneller zum Spruch und führt<lb/> den Angeklagten mit den Zeugen zu mündlichem Verhör unmittelbar vor das<lb/> Spruchgericht. Fälle offenbarer Unschuld scheide» sich schon im Vorverfahren aus,<lb/> für einfache Fälle ist dieses beweglicher, weniger schablonenhaft. Die Verteidigung</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1898 78</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0621]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Noch vor Weihnachten war „Hochzig," erst im Müsershcms und bald darauf
im Dvhlershnus. Der Große verkam mit dem Kätterle recht gut — noch besser
der Kleine —, sodaß er vom Schnellschützeu absah. Das Birro barg nunmehr
hinter dem Vexirschlvß nur uoch 174 Thaler, zwei Drittel der vorhochzeitlichen
Summe, uuter zwiefachem Schlüsselrecht; und der Große saß am Sonntag nach¬
mittags uicht mehr so lauge wie sonst am Birro vor seinem Schreibkalender, denn
die Svnntagsbesuche im Rödershaus gingen ihm jetzt über alles. Er machte sie
"ber schon als Meister. Und ein Jahr nach ihrer Hochzeit hat er bei der Mndlene
an der Wiege gesungen, aber nnr lustige Lieder.
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Zur Reform des Militärstrafprozesses. Di
e Reichstagskominission,
die den vou Preußen stammenden Entwurf einer neuen Militärgerichtsordnung
vorzuberaten hat, wird damit in nächster Zeit fertig sein. Die Kommission arbeitet
sehr gründlich, und die juristische Fassung des Entwurfs wird darunter nicht leiden;
dafür sind jn viele Reichstagsabgeordnete Fachmänner. Für die militärische Seite
der Sache dagegen sind sie es nicht, auch wenn sie gedient haben, und die an den
Beratungen teilnehmenden Offiziere, die das militärische Feld beherrschen, sind wieder
keine Juristen. Eine Brücke konnten die Auditeure bilden, aber sie werden von den
andern Juristen sehr oft nicht für voll gehalten und haben weder im Reichstag
noch in der Militärhierarchie selbständigen Einfluß. So kann es mit der Reform
leicht auf Experimentirerei und Flickwerk hinauskommen. Jedenfalls wird diese
Reform eine sehr kostspielige Sache sein: nach einer hoffentlich übertriebnen Be¬
rechnung würde die Mehrausgabe so etwas wie 800000 Mark jährlich betragen.
Jetzt kommt noch zu den frühern Meinungsverschiedenheiten politischer Art die
Gefahr eines Konflikts zwischen den beiden größten Bundesstaaten hinzu. Ist
denn die ganze Sache so viel wert? Liegt ferner ein Bedürfnis vor, ein ganz
neues Werk zu schaffen?
Für das jetzt geltende Verfahren kommen vornehmlich das preußische und
das bayrische System in Betracht. Nach dem preußischen wird das ganze zur
Entscheidung dienende Belastungs- und Eutlastungsmaterial Protokollarisch festgestellt
und dem Spruchgericht durch Verlesen unterbreitet. Die Zeugen bekommt es
gar nicht zu sehen, sodaß insoweit der unmittelbare Eindruck günz fehlt, und selbst
der günstige Eindruck, den etwa die Persönlichkeit des Angeklagten macht, ist gegen
das Gewicht der schriftlichen Belastung ohnmächtig. Daß zur Schlußverhandlung
keine Zuhörer zugelassen werden, ist mehr die natürliche Folge dieses schriftlich
vermittelten Verfahrens, als daß heimliches Wesen beabsichtigt wäre. Aus der
Schriftlichkeit ergeben sich jedoch noch andre, wirklich schlimme Folgen: große
Schwerfälligkeit des ganzen Verlaufs und unter Umständen lange Dauer der Unter¬
suchungshaft. Darunter hat much der zu leiden, der schließlich freigesprochen wird.
Das bayrische System dagegen bringt die Sache schneller zum Spruch und führt
den Angeklagten mit den Zeugen zu mündlichem Verhör unmittelbar vor das
Spruchgericht. Fälle offenbarer Unschuld scheide» sich schon im Vorverfahren aus,
für einfache Fälle ist dieses beweglicher, weniger schablonenhaft. Die Verteidigung
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