Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Kunstausstellungen und Künstlervereine in Berlin Es wäre lächerlich, Herrn Ammon mit einem großen Geiste vergleichen (Schluß folgt) Kunstausstellungen und Künstlervereine in Berlin ir wollen den alten Streit über die Frage, ob München oder Kunstausstellungen und Künstlervereine in Berlin Es wäre lächerlich, Herrn Ammon mit einem großen Geiste vergleichen (Schluß folgt) Kunstausstellungen und Künstlervereine in Berlin ir wollen den alten Streit über die Frage, ob München oder <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0490" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227392"/> <fw type="header" place="top"> Kunstausstellungen und Künstlervereine in Berlin</fw><lb/> <p xml:id="ID_1751"> Es wäre lächerlich, Herrn Ammon mit einem großen Geiste vergleichen<lb/> zu wollen, aber eins hat er doch mit Karl Marx gemeinsam: beide haben sich<lb/> durch den Anblick ihrer nächsten Umgebung irre führen lassen. Marx hatte<lb/> sast ausschließlich englische Zustände vor Augen und ist dadurch zu falschen<lb/> Schlüssen über den vermutlichen zukünftigen Gang der Entwicklung verleitet<lb/> worden. Ammon hat den Blick ausschließlich auf das kleine Baden gerichtet,<lb/> wo es keine Großstadt, keinen Judustriebezirk und keinen Großgrundbesitz giebt;<lb/> wo kleine Fabrikanten, Handwerker und Bauern vorherrschen, und wo der<lb/> höhere Beamte, der Professor, der die Stadt beherrschende Rentner (zuweilen<lb/> ein ehemaliger kleiner Gastwirt oder Metzgermeister) und der Bauer oder Hand¬<lb/> werker — soweit sie nicht durch konfessionellen, politischen oder Kommunal-<lb/> kralehl mit einander entzweit sind — an einem Tische ihren Schoppen trinken.<lb/> Baden ist ein glückliches Lündchen, das noch gar nicht recht in das weltwirt¬<lb/> schaftliche Getriebe hineingezogen ist und trotz seiner fortschrittsfrohen hellen<lb/> Köpfe noch in den kleinbürgerlichen Zuständen der dreißiger Jahre unsers<lb/> Jahrhunderts lebt. Kein Wunder, daß Ammon das moderne Wirtschaftssystem<lb/> gar nicht kennt, und das dient ihm zu einiger Entschuldigung dafür, daß er,<lb/> anstatt die wichtigste Angelegenheit unsers Jahrhunderts zu studiren, sich die<lb/> Zeit mit den: harmlosen Spiel von Idanten, Determinanten und arithmetischen<lb/> Kombinationen vertreibt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1752"> (Schluß folgt)</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Kunstausstellungen und Künstlervereine in Berlin</head><lb/> <p xml:id="ID_1753" next="#ID_1754"> ir wollen den alten Streit über die Frage, ob München oder<lb/> Berlin das größere Recht hat, sich den Vorort deutscher Kunst<lb/> zu nennen, nicht erneuern, wir wollen sogar gern einräumen,<lb/> daß München dieses Recht hat — aber nnr während des<lb/> Sommers! Und auch dann nur wegen seiner günstigen geogra¬<lb/> phischen Lage als Durchgaugsstation für alle Nord- und Mitteldeutschen, die<lb/> nach den deutschen Alpen wollen und während der kurzen Rast in München<lb/> einen Besuch der Kunstausstellung nicht zu versäumen pflegen. Aber den<lb/> ganzen Winter genießt Berlin schon seit Jahren diesen Vorzug. Es ist der<lb/> Sammelplatz aller künstlerischen Schöpfungen oder vielmehr — da diese Be¬<lb/> zeichnung leider meistens zu hoch gegriffen ist und die Sache nicht deckt —<lb/> aller Maler- und Bildnerwerke, die während der schönen Jahreszeit in Sommer-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0490]
Kunstausstellungen und Künstlervereine in Berlin
Es wäre lächerlich, Herrn Ammon mit einem großen Geiste vergleichen
zu wollen, aber eins hat er doch mit Karl Marx gemeinsam: beide haben sich
durch den Anblick ihrer nächsten Umgebung irre führen lassen. Marx hatte
sast ausschließlich englische Zustände vor Augen und ist dadurch zu falschen
Schlüssen über den vermutlichen zukünftigen Gang der Entwicklung verleitet
worden. Ammon hat den Blick ausschließlich auf das kleine Baden gerichtet,
wo es keine Großstadt, keinen Judustriebezirk und keinen Großgrundbesitz giebt;
wo kleine Fabrikanten, Handwerker und Bauern vorherrschen, und wo der
höhere Beamte, der Professor, der die Stadt beherrschende Rentner (zuweilen
ein ehemaliger kleiner Gastwirt oder Metzgermeister) und der Bauer oder Hand¬
werker — soweit sie nicht durch konfessionellen, politischen oder Kommunal-
kralehl mit einander entzweit sind — an einem Tische ihren Schoppen trinken.
Baden ist ein glückliches Lündchen, das noch gar nicht recht in das weltwirt¬
schaftliche Getriebe hineingezogen ist und trotz seiner fortschrittsfrohen hellen
Köpfe noch in den kleinbürgerlichen Zuständen der dreißiger Jahre unsers
Jahrhunderts lebt. Kein Wunder, daß Ammon das moderne Wirtschaftssystem
gar nicht kennt, und das dient ihm zu einiger Entschuldigung dafür, daß er,
anstatt die wichtigste Angelegenheit unsers Jahrhunderts zu studiren, sich die
Zeit mit den: harmlosen Spiel von Idanten, Determinanten und arithmetischen
Kombinationen vertreibt.
(Schluß folgt)
Kunstausstellungen und Künstlervereine in Berlin
ir wollen den alten Streit über die Frage, ob München oder
Berlin das größere Recht hat, sich den Vorort deutscher Kunst
zu nennen, nicht erneuern, wir wollen sogar gern einräumen,
daß München dieses Recht hat — aber nnr während des
Sommers! Und auch dann nur wegen seiner günstigen geogra¬
phischen Lage als Durchgaugsstation für alle Nord- und Mitteldeutschen, die
nach den deutschen Alpen wollen und während der kurzen Rast in München
einen Besuch der Kunstausstellung nicht zu versäumen pflegen. Aber den
ganzen Winter genießt Berlin schon seit Jahren diesen Vorzug. Es ist der
Sammelplatz aller künstlerischen Schöpfungen oder vielmehr — da diese Be¬
zeichnung leider meistens zu hoch gegriffen ist und die Sache nicht deckt —
aller Maler- und Bildnerwerke, die während der schönen Jahreszeit in Sommer-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |