Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.adlichen Menschentum, zu einem Zusammenwachsen so feindlicher Begriffe wie Das Wirtshausleben in Italien q. L. von an sagt, daß keine Kunst so schwer sei, wie die des Reifens. adlichen Menschentum, zu einem Zusammenwachsen so feindlicher Begriffe wie Das Wirtshausleben in Italien q. L. von an sagt, daß keine Kunst so schwer sei, wie die des Reifens. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0443" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227345"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1565" prev="#ID_1564"> adlichen Menschentum, zu einem Zusammenwachsen so feindlicher Begriffe wie<lb/> „Staat" und „sreie Persönlichkeit," zu einer wirklichen Herrschaft der Besten,<lb/> zu einer wahrhaft demv-aristokratischen Verfassung zu gelangen! Bellamh hat<lb/> auch diesen Einwand vorausgesetzt; er beantwortet ihn aber gleich, indem er<lb/> seinen Julian West gelegentlich folgendes zum Doktor Leete sagen läßt: „Wenn<lb/> Sie je eine Wüsten-- oder Meeres-Fatamorgana gesehen haben, so werden Sie<lb/> sich erinnern, daß das Bild am Himmel zwar durchaus klar und deutlich ist,<lb/> seine UnWirklichkeit aber doch durch einen Mangel an Einzelheiten, dnrch eine<lb/> gewisse Verschwommenheit verrät, da wo es in den Vordergrund übergeht,<lb/> auf dem man steht. Wissen Sie, daß zuerst diese neue Gesellschaftsordnung,<lb/> deren Zeuge ich auf so seltsame Weise geworden bin, einigermaßen wie eine<lb/> Luftspiegelung auf mich wirkte? An sich war es eine genaue, wohlgeordnete<lb/> und sehr vernünftige Sache, ich vermochte aber nicht einzusehen, wie das alles<lb/> aus den völlig verschiednen Verhältnissen des neunzehnten Jahrhunderts natürlich<lb/> hervorgewachsen sein sollte. Heute sehe ich jedoch klar, daß an dem Ausbau<lb/> der Gütererzeugung und Verteilung zu einem öffentlichen Geschäft nnr eines<lb/> wirklich wunderbar ist: nicht, daß alles so gekommen ist, sondern nur, daß es<lb/> so lange gedauert hat, ehe es gekommen ist, daß ein ganzes Volk vernunft-<lb/> begabter Wesen sich herbeigelassen hat, noch ein Jahrhundert lang die wirt¬<lb/> schaftlichen Sklaven niemand verantwortlicher Herren zu bleiben, nachdem es<lb/> in den Besitz der vollkommenen Macht gelangt war, nach Belieben jede ge¬<lb/> sellschaftliche Einrichtung abzuändern, die ihm lustig wurde."</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Das Wirtshausleben in Italien<lb/><note type="byline"> q. L.</note> von </head><lb/> <p xml:id="ID_1566" next="#ID_1567"> an sagt, daß keine Kunst so schwer sei, wie die des Reifens.<lb/> Thatsächlich lernt niemand sie aus. Größere Abwechslungen<lb/> und Überraschungen aber bietet selbst dem erfahrnen Reisenden<lb/> kein Land wie Italien, und vollends dem Unkundigen drängen<lb/> sich dort alltäglich ungewohnte Erscheinungen in so mannig¬<lb/> faltiger Fülle auf, daß er leicht die Auffassungsfähigkeit verliert,<lb/> in Mißmut sich selbst um jeden Genuß betrügt und voller Enttäuschung vor¬<lb/> schnell die Heimreise antritt. Da die Zahl der unbefriedigten Jtalienfahrer größer<lb/> ist, als man vielleicht glauben mag, und da trotzdem jahraus jahrein der Strom<lb/> der Deutschen, die das gelobte Land aufsuchen, immer mehr zunimmt und<lb/> anschwillt, so werden einige praktische Winke nicht niiwillkommeu sein, die ich<lb/> auis Grund langer und häufiger Reisen in Italien glaube geben zu können.<lb/> Die schier unendliche Zahl italienischer Reisebeschreibungen soll durch die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0443]
adlichen Menschentum, zu einem Zusammenwachsen so feindlicher Begriffe wie
„Staat" und „sreie Persönlichkeit," zu einer wirklichen Herrschaft der Besten,
zu einer wahrhaft demv-aristokratischen Verfassung zu gelangen! Bellamh hat
auch diesen Einwand vorausgesetzt; er beantwortet ihn aber gleich, indem er
seinen Julian West gelegentlich folgendes zum Doktor Leete sagen läßt: „Wenn
Sie je eine Wüsten-- oder Meeres-Fatamorgana gesehen haben, so werden Sie
sich erinnern, daß das Bild am Himmel zwar durchaus klar und deutlich ist,
seine UnWirklichkeit aber doch durch einen Mangel an Einzelheiten, dnrch eine
gewisse Verschwommenheit verrät, da wo es in den Vordergrund übergeht,
auf dem man steht. Wissen Sie, daß zuerst diese neue Gesellschaftsordnung,
deren Zeuge ich auf so seltsame Weise geworden bin, einigermaßen wie eine
Luftspiegelung auf mich wirkte? An sich war es eine genaue, wohlgeordnete
und sehr vernünftige Sache, ich vermochte aber nicht einzusehen, wie das alles
aus den völlig verschiednen Verhältnissen des neunzehnten Jahrhunderts natürlich
hervorgewachsen sein sollte. Heute sehe ich jedoch klar, daß an dem Ausbau
der Gütererzeugung und Verteilung zu einem öffentlichen Geschäft nnr eines
wirklich wunderbar ist: nicht, daß alles so gekommen ist, sondern nur, daß es
so lange gedauert hat, ehe es gekommen ist, daß ein ganzes Volk vernunft-
begabter Wesen sich herbeigelassen hat, noch ein Jahrhundert lang die wirt¬
schaftlichen Sklaven niemand verantwortlicher Herren zu bleiben, nachdem es
in den Besitz der vollkommenen Macht gelangt war, nach Belieben jede ge¬
sellschaftliche Einrichtung abzuändern, die ihm lustig wurde."
Das Wirtshausleben in Italien
q. L. von
an sagt, daß keine Kunst so schwer sei, wie die des Reifens.
Thatsächlich lernt niemand sie aus. Größere Abwechslungen
und Überraschungen aber bietet selbst dem erfahrnen Reisenden
kein Land wie Italien, und vollends dem Unkundigen drängen
sich dort alltäglich ungewohnte Erscheinungen in so mannig¬
faltiger Fülle auf, daß er leicht die Auffassungsfähigkeit verliert,
in Mißmut sich selbst um jeden Genuß betrügt und voller Enttäuschung vor¬
schnell die Heimreise antritt. Da die Zahl der unbefriedigten Jtalienfahrer größer
ist, als man vielleicht glauben mag, und da trotzdem jahraus jahrein der Strom
der Deutschen, die das gelobte Land aufsuchen, immer mehr zunimmt und
anschwillt, so werden einige praktische Winke nicht niiwillkommeu sein, die ich
auis Grund langer und häufiger Reisen in Italien glaube geben zu können.
Die schier unendliche Zahl italienischer Reisebeschreibungen soll durch die
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