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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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lands parteiisches und selbstsüchtiges Handeln kräftigen Ausdruck und betonen,
daß England 1862--65 sich mit so wenig Kosten einen gefährlichen Mit¬
bewerber am Welthandel vom Halse geschafft habe. Naiv klingt dazu in
diesen Tagen die Klage der englischen ^rin^ xmä Mvzs vom 5. Fe¬

bruar dieses Jahres über das Ende 1897 bei Skribners Sons in New Jork
in vier Banden erschienene Geschichtswerk von I. R. Spears über die
amerikanische Marine. Das englische Fachblatt schreibt nach kurzer Wieder¬
gabe eines das Buch als sehr zeitgemäß anerkennenden amerikanischen Urteils:
"Dieses neue Geschichtswerk ist so rasend antienglisch geschrieben, daß ein
britischer Kritiker es nicht als ein "besonders zeitgemäßes" Buch betrachten
kann. Im Gegenteil; trotz der schönen Ausstattung und trotz der zahlreichen
Abbildungen kann es nur als ein sehr verderbliches Geschichtswerk bezeichnet
werden. Man braucht es nur zu lesen, um sofort zu verstehn, daß eine in
solcher Geschichtsauffassung erzogne amerikanische Jugend alles andre als eine
freundliche Gesinnung gegen unser Land haben kann, wenn kleine Differenzen
zwischen beiden Nationen entstehn."

(Schluß folgt)




^ozialauslese

uf der neudarwinischen Grundlage, die wir unter der Überschrift:
Anthropologische Fragen (47., 48, und 49. Heft des vorigen
Jahrgangs) geprüft haben, errichtet Otto Ammon in seinem letzten
Werke den Bau der Gesellschaftswissenschaft. Das Buch hat
den Titel: Die Gesellschaftsordnung und ihre natürlichen
Grundlagen. Entwurf einer Sozial-Anthropologie zum Gebrauch für alle
Gebildeten, die sich mit soziale" Fragen befassen. (Jena, Gustav Fischer, 1895.)
Die Grundgedanken des Buches sind: Eine Gesellschaftsordnung ist umso voll-
kommner, je mehr darin die Forderung erfüllt wird, daß jede Person an die
richtige Stelle gebracht werde. Diese Forderung wird in unsrer gegemvärtig
bestehenden, aus dem Prozeß der natürlichen Auslese hervorgegangnen Gesell¬
schaftsordnung so ziemlich erfüllt. Ganz vollkommen ist diese Ordnung freilich
nicht; sie bedarf in manchen Beziehungen der Verbesserung; das ist auch ganz
gut, da ja die Weltgeschichte zu Ende sein würde, wenn es nichts mehr zu
verbessern gäbe, und die gegenwärtige Ordnung in alle Ewigkeit unverändert
bleiben müßte. Wird mir der Ausleseprozeß, aus dem die Gesellschafts-
ordnung hervorgegangen sein soll, mit dem nötigen Scheffel Salz verstanden,


lands parteiisches und selbstsüchtiges Handeln kräftigen Ausdruck und betonen,
daß England 1862—65 sich mit so wenig Kosten einen gefährlichen Mit¬
bewerber am Welthandel vom Halse geschafft habe. Naiv klingt dazu in
diesen Tagen die Klage der englischen ^rin^ xmä Mvzs vom 5. Fe¬

bruar dieses Jahres über das Ende 1897 bei Skribners Sons in New Jork
in vier Banden erschienene Geschichtswerk von I. R. Spears über die
amerikanische Marine. Das englische Fachblatt schreibt nach kurzer Wieder¬
gabe eines das Buch als sehr zeitgemäß anerkennenden amerikanischen Urteils:
„Dieses neue Geschichtswerk ist so rasend antienglisch geschrieben, daß ein
britischer Kritiker es nicht als ein »besonders zeitgemäßes« Buch betrachten
kann. Im Gegenteil; trotz der schönen Ausstattung und trotz der zahlreichen
Abbildungen kann es nur als ein sehr verderbliches Geschichtswerk bezeichnet
werden. Man braucht es nur zu lesen, um sofort zu verstehn, daß eine in
solcher Geschichtsauffassung erzogne amerikanische Jugend alles andre als eine
freundliche Gesinnung gegen unser Land haben kann, wenn kleine Differenzen
zwischen beiden Nationen entstehn."

(Schluß folgt)




^ozialauslese

uf der neudarwinischen Grundlage, die wir unter der Überschrift:
Anthropologische Fragen (47., 48, und 49. Heft des vorigen
Jahrgangs) geprüft haben, errichtet Otto Ammon in seinem letzten
Werke den Bau der Gesellschaftswissenschaft. Das Buch hat
den Titel: Die Gesellschaftsordnung und ihre natürlichen
Grundlagen. Entwurf einer Sozial-Anthropologie zum Gebrauch für alle
Gebildeten, die sich mit soziale» Fragen befassen. (Jena, Gustav Fischer, 1895.)
Die Grundgedanken des Buches sind: Eine Gesellschaftsordnung ist umso voll-
kommner, je mehr darin die Forderung erfüllt wird, daß jede Person an die
richtige Stelle gebracht werde. Diese Forderung wird in unsrer gegemvärtig
bestehenden, aus dem Prozeß der natürlichen Auslese hervorgegangnen Gesell¬
schaftsordnung so ziemlich erfüllt. Ganz vollkommen ist diese Ordnung freilich
nicht; sie bedarf in manchen Beziehungen der Verbesserung; das ist auch ganz
gut, da ja die Weltgeschichte zu Ende sein würde, wenn es nichts mehr zu
verbessern gäbe, und die gegenwärtige Ordnung in alle Ewigkeit unverändert
bleiben müßte. Wird mir der Ausleseprozeß, aus dem die Gesellschafts-
ordnung hervorgegangen sein soll, mit dem nötigen Scheffel Salz verstanden,


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[0416] lands parteiisches und selbstsüchtiges Handeln kräftigen Ausdruck und betonen, daß England 1862—65 sich mit so wenig Kosten einen gefährlichen Mit¬ bewerber am Welthandel vom Halse geschafft habe. Naiv klingt dazu in diesen Tagen die Klage der englischen ^rin^ xmä Mvzs vom 5. Fe¬ bruar dieses Jahres über das Ende 1897 bei Skribners Sons in New Jork in vier Banden erschienene Geschichtswerk von I. R. Spears über die amerikanische Marine. Das englische Fachblatt schreibt nach kurzer Wieder¬ gabe eines das Buch als sehr zeitgemäß anerkennenden amerikanischen Urteils: „Dieses neue Geschichtswerk ist so rasend antienglisch geschrieben, daß ein britischer Kritiker es nicht als ein »besonders zeitgemäßes« Buch betrachten kann. Im Gegenteil; trotz der schönen Ausstattung und trotz der zahlreichen Abbildungen kann es nur als ein sehr verderbliches Geschichtswerk bezeichnet werden. Man braucht es nur zu lesen, um sofort zu verstehn, daß eine in solcher Geschichtsauffassung erzogne amerikanische Jugend alles andre als eine freundliche Gesinnung gegen unser Land haben kann, wenn kleine Differenzen zwischen beiden Nationen entstehn." (Schluß folgt) ^ozialauslese uf der neudarwinischen Grundlage, die wir unter der Überschrift: Anthropologische Fragen (47., 48, und 49. Heft des vorigen Jahrgangs) geprüft haben, errichtet Otto Ammon in seinem letzten Werke den Bau der Gesellschaftswissenschaft. Das Buch hat den Titel: Die Gesellschaftsordnung und ihre natürlichen Grundlagen. Entwurf einer Sozial-Anthropologie zum Gebrauch für alle Gebildeten, die sich mit soziale» Fragen befassen. (Jena, Gustav Fischer, 1895.) Die Grundgedanken des Buches sind: Eine Gesellschaftsordnung ist umso voll- kommner, je mehr darin die Forderung erfüllt wird, daß jede Person an die richtige Stelle gebracht werde. Diese Forderung wird in unsrer gegemvärtig bestehenden, aus dem Prozeß der natürlichen Auslese hervorgegangnen Gesell¬ schaftsordnung so ziemlich erfüllt. Ganz vollkommen ist diese Ordnung freilich nicht; sie bedarf in manchen Beziehungen der Verbesserung; das ist auch ganz gut, da ja die Weltgeschichte zu Ende sein würde, wenn es nichts mehr zu verbessern gäbe, und die gegenwärtige Ordnung in alle Ewigkeit unverändert bleiben müßte. Wird mir der Ausleseprozeß, aus dem die Gesellschafts- ordnung hervorgegangen sein soll, mit dem nötigen Scheffel Salz verstanden,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/416>, abgerufen am 05.01.2025.