Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Der rechte Mann as nicht alles ein Mann bedeutet, der ist, was er sein soll! Der rechte Mann as nicht alles ein Mann bedeutet, der ist, was er sein soll! <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0386" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227288"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341867_226901/figures/grenzboten_341867_226901_227288_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Der rechte Mann</head><lb/> <p xml:id="ID_1346" next="#ID_1347"> as nicht alles ein Mann bedeutet, der ist, was er sein soll!<lb/> Seit Jahren vermißten wir am Vundesratstische nur allzusehr,<lb/> selbst in großen Fragen, den festen Nationalstolz und die frische<lb/> Mannhaftigkeit, die einst in den guten Bismarckischen Tagen dort<lb/> so oft begeisternd und fortreißend das Wort führte. Jetzt ist das<lb/> mit einem Schlage wieder alles da. Nach langem, geduldigen Prüfen und<lb/> Suchen hat der Kaiser endlich den rechten Mann gefunden. Herr von Bülow,<lb/> der neue Staatssekretär des Auswärtigen Amts, hat bisher nur wenig ge¬<lb/> sprochen, beidemal in derselben Angelegenheit, im Dezember vorigen Jahres<lb/> und soeben wieder am 8. Februar, aber sein Name ist schon in aller Munde.<lb/> Wie erfrischend wirkt zunächst seine männliche Offenheit! Er weigert sich rund<lb/> heraus über die chinesischen Dinge etwas genaueres zu sagen, solange die<lb/> Verhandlungen noch schweben, aber er schenkt den Neichsboten sofort reinen<lb/> Wein ein, sobald nichts mehr zu verbergen und nichts mehr zu verderben ist.<lb/> Die Besitzergreifung von Kiaotschau war keineswegs eine Improvisation,<lb/> sondern schon lange sorgfältig und umsichtig vorbereitet, was freilich keinem<lb/> Kundigen verborgen sein konnte, und was daher die Grenzboten, obwohl sie<lb/> sich keineswegs rühmen dürfen, zu den Eingeweihten zu gehören, schon im<lb/> Dezember vorigen Jahres gesagt haben. Wir wissen jetzt auch, daß der Kaiser<lb/> ganz persönlich den zunächst alle Welt überraschenden Schachzug vorbereitet<lb/> und geführt hat. Die Besetzung wird ohne irgendwelche Phrasen einfach be¬<lb/> gründet mit der unabweislichen Notwendigkeit, für uns einen festen Stützpunkt<lb/> in Ostasien zu haben, wie ihn England in Hongkong, Frankreich in Tonking,<lb/> Rußland in Wladiwostok und jetzt auch in Port Arthur besitzen; denn wir brauchen<lb/> einen Hafen für unsern Handel wie für unsre Kriegsflotte, damit diese nicht<lb/> länger in fremden Meeren heimatlos und genötigt sei, um Gastrecht bei<lb/> fremden Völkern zu bitten, einen Eingangspunkt für industrielle und kauf¬<lb/> männische Unternehmungen zur Erschließung des unermeßlichen chinesischen<lb/> Marktes, wo wir die Herren sind, einen Platz zur Überwachung und zum<lb/> Schutze unsrer Missionen. Ebenso teilt der Staatssekretär die Bedingungen<lb/> des Vertrages rückhaltlos mit, und er verschweigt nicht, daß schon Eisenbahn-<lb/> und Bergbaukonzessionen erteilt sind. Und zugleich, bei aller Energie des</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0386]
[Abbildung]
Der rechte Mann
as nicht alles ein Mann bedeutet, der ist, was er sein soll!
Seit Jahren vermißten wir am Vundesratstische nur allzusehr,
selbst in großen Fragen, den festen Nationalstolz und die frische
Mannhaftigkeit, die einst in den guten Bismarckischen Tagen dort
so oft begeisternd und fortreißend das Wort führte. Jetzt ist das
mit einem Schlage wieder alles da. Nach langem, geduldigen Prüfen und
Suchen hat der Kaiser endlich den rechten Mann gefunden. Herr von Bülow,
der neue Staatssekretär des Auswärtigen Amts, hat bisher nur wenig ge¬
sprochen, beidemal in derselben Angelegenheit, im Dezember vorigen Jahres
und soeben wieder am 8. Februar, aber sein Name ist schon in aller Munde.
Wie erfrischend wirkt zunächst seine männliche Offenheit! Er weigert sich rund
heraus über die chinesischen Dinge etwas genaueres zu sagen, solange die
Verhandlungen noch schweben, aber er schenkt den Neichsboten sofort reinen
Wein ein, sobald nichts mehr zu verbergen und nichts mehr zu verderben ist.
Die Besitzergreifung von Kiaotschau war keineswegs eine Improvisation,
sondern schon lange sorgfältig und umsichtig vorbereitet, was freilich keinem
Kundigen verborgen sein konnte, und was daher die Grenzboten, obwohl sie
sich keineswegs rühmen dürfen, zu den Eingeweihten zu gehören, schon im
Dezember vorigen Jahres gesagt haben. Wir wissen jetzt auch, daß der Kaiser
ganz persönlich den zunächst alle Welt überraschenden Schachzug vorbereitet
und geführt hat. Die Besetzung wird ohne irgendwelche Phrasen einfach be¬
gründet mit der unabweislichen Notwendigkeit, für uns einen festen Stützpunkt
in Ostasien zu haben, wie ihn England in Hongkong, Frankreich in Tonking,
Rußland in Wladiwostok und jetzt auch in Port Arthur besitzen; denn wir brauchen
einen Hafen für unsern Handel wie für unsre Kriegsflotte, damit diese nicht
länger in fremden Meeren heimatlos und genötigt sei, um Gastrecht bei
fremden Völkern zu bitten, einen Eingangspunkt für industrielle und kauf¬
männische Unternehmungen zur Erschließung des unermeßlichen chinesischen
Marktes, wo wir die Herren sind, einen Platz zur Überwachung und zum
Schutze unsrer Missionen. Ebenso teilt der Staatssekretär die Bedingungen
des Vertrages rückhaltlos mit, und er verschweigt nicht, daß schon Eisenbahn-
und Bergbaukonzessionen erteilt sind. Und zugleich, bei aller Energie des
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