Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Zeitgenössische Memoiren (M^^ Einer unsrer fleißigsten Schriftsteller, Verfasser von sechsunddreißig wirklich Grenzbaten I 1898 41
Zeitgenössische Memoiren (M^^ Einer unsrer fleißigsten Schriftsteller, Verfasser von sechsunddreißig wirklich Grenzbaten I 1898 41
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0325" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227227"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341867_226901/figures/grenzboten_341867_226901_227227_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Zeitgenössische Memoiren</head><lb/> <p xml:id="ID_1074"> (M^^<lb/> Mieviel Geist, Fleiß und Arbeit, schlecht gelohnte und unbezahlte,<lb/> steckt doch in unserm deutschen amtlosen Litteratentum! Wir<lb/> haben schon gelegentlich auf das Undankbare des von unerfahrnen<lb/> jungen Leuten so oft ersehnten Berufs hingewiesen, und ganz zu¬<lb/> letzt hat Karl Jentsch aus eigenster Erfahrung rechnungsmäßig<lb/> dargelegt, daß ein Schriftsteller vermögenslos und ohne den Anhalt der festen<lb/> Stellung es eigentlich zu keiner äußern Existenz bringen kann, die der Lebens¬<lb/> haltung unsrer sogenannten höhern Stände entspricht (Hest 52 v. I.). Grund<lb/> genug für unsre allerjüngsten Dichter und Schriftgelehrten, erst etwas ordent¬<lb/> liches zu lernen, um nötigenfalls das Allgemeinverlangte leisten zu können,<lb/> ehe sie sich darauf verlegen, unsichre Einzelwerte in die Welt zu setzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1075"> Einer unsrer fleißigsten Schriftsteller, Verfasser von sechsunddreißig wirklich<lb/> aufgeführten dramatischen Erzeugnissen und von verschiednen tüchtigen populär¬<lb/> wissenschaftlichen Büchern, der außerdem mehreremale vorübergehend Zeitungs-<lb/> rednkteur war, dazu lyrischer Dichter und beliebter Vorleser, namentlich shake-<lb/> spearischer Dramen, bemerkt bei seiner Abrechnung am Abend seines Lebens<lb/> mit klaren Worten, daß es im Grunde genommen zur Errichtung eines eignen<lb/> und voraussichtlich sorgenlosen Hausstandes bei ihm nicht gereicht habe. Wie<lb/> ist das möglich bei günstiger Vorbildung, regsamem Geiste, einer gewissen<lb/> Lcbensgeschicklichkeit und dem vielseitigen Verkehr mit anregenden, tüchtigen<lb/> und auch wohlwollenden Menschen? Unsre Leser finden darauf die Antwort<lb/> in: Zeiten und Menschen, Erlebnisse und Meinungen von Rudolf Geuee<lb/> (Berlin, Mittler und Sohn), einer Selbstbiographie, die in ihrer schlichten und<lb/> sachlichen Haltung einen außerordentlich günstigen Eindruck macht. Im Gegensatz<lb/> zu so vielen andern Büchern ähnlicher Entstehungsart, die eine gewisse, dem<lb/> Autor erwünschte „Auffassung" schaffen sollen, kann man hier lernen, wies in<lb/> Wirklichkeit in der Welt zugeht. Zunächst in der Presse. Seit 1862 war<lb/> Genee einige Jahre lang Redakteur der offiziösen „Koburger Zeitung." Der<lb/> Herzog war damals stark österreichisch, er wurde bald ein heftiger Gegner der<lb/> Bismarckischen Politik und sah 1864 in einer Teilung der Herzogtümer, des<lb/> „auf ewig ungeteilten" Schleswig-Holsteins zwischen Preußen und Österreich<lb/> das einzige Mittel zur Vermeidung des Krieges. Manches hier Mitgeteilte<lb/> war bisher nicht bekannt, das Treiben am Koburger Hof erscheint etwas weniger<lb/> ideal, und der Herzog persönlich nicht ganz so vorteilhaft wie sonst.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbaten I 1898 41</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0325]
[Abbildung]
Zeitgenössische Memoiren
(M^^
Mieviel Geist, Fleiß und Arbeit, schlecht gelohnte und unbezahlte,
steckt doch in unserm deutschen amtlosen Litteratentum! Wir
haben schon gelegentlich auf das Undankbare des von unerfahrnen
jungen Leuten so oft ersehnten Berufs hingewiesen, und ganz zu¬
letzt hat Karl Jentsch aus eigenster Erfahrung rechnungsmäßig
dargelegt, daß ein Schriftsteller vermögenslos und ohne den Anhalt der festen
Stellung es eigentlich zu keiner äußern Existenz bringen kann, die der Lebens¬
haltung unsrer sogenannten höhern Stände entspricht (Hest 52 v. I.). Grund
genug für unsre allerjüngsten Dichter und Schriftgelehrten, erst etwas ordent¬
liches zu lernen, um nötigenfalls das Allgemeinverlangte leisten zu können,
ehe sie sich darauf verlegen, unsichre Einzelwerte in die Welt zu setzen.
Einer unsrer fleißigsten Schriftsteller, Verfasser von sechsunddreißig wirklich
aufgeführten dramatischen Erzeugnissen und von verschiednen tüchtigen populär¬
wissenschaftlichen Büchern, der außerdem mehreremale vorübergehend Zeitungs-
rednkteur war, dazu lyrischer Dichter und beliebter Vorleser, namentlich shake-
spearischer Dramen, bemerkt bei seiner Abrechnung am Abend seines Lebens
mit klaren Worten, daß es im Grunde genommen zur Errichtung eines eignen
und voraussichtlich sorgenlosen Hausstandes bei ihm nicht gereicht habe. Wie
ist das möglich bei günstiger Vorbildung, regsamem Geiste, einer gewissen
Lcbensgeschicklichkeit und dem vielseitigen Verkehr mit anregenden, tüchtigen
und auch wohlwollenden Menschen? Unsre Leser finden darauf die Antwort
in: Zeiten und Menschen, Erlebnisse und Meinungen von Rudolf Geuee
(Berlin, Mittler und Sohn), einer Selbstbiographie, die in ihrer schlichten und
sachlichen Haltung einen außerordentlich günstigen Eindruck macht. Im Gegensatz
zu so vielen andern Büchern ähnlicher Entstehungsart, die eine gewisse, dem
Autor erwünschte „Auffassung" schaffen sollen, kann man hier lernen, wies in
Wirklichkeit in der Welt zugeht. Zunächst in der Presse. Seit 1862 war
Genee einige Jahre lang Redakteur der offiziösen „Koburger Zeitung." Der
Herzog war damals stark österreichisch, er wurde bald ein heftiger Gegner der
Bismarckischen Politik und sah 1864 in einer Teilung der Herzogtümer, des
„auf ewig ungeteilten" Schleswig-Holsteins zwischen Preußen und Österreich
das einzige Mittel zur Vermeidung des Krieges. Manches hier Mitgeteilte
war bisher nicht bekannt, das Treiben am Koburger Hof erscheint etwas weniger
ideal, und der Herzog persönlich nicht ganz so vorteilhaft wie sonst.
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