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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Agrarpolitische Aussichten

einzumischen. Wie man an der maßgebenden Stelle in Berlin über vergangne
und zukünftige föderalistische Experimente in Österreich urteilt, das hat neulich
Fürst Hohenlohe sehr deutlich durchblicke" lassen, als er im preußischen Ab¬
geordnetenhause den Polen erklärte, in Preußen sei kein Raum für födera¬
listische Bestrebungen, und dem tschechischen Übermut hat die Neichsregierung
einen energischen Wink mit dem Beschlusse gegeben, ein deutsches Konsulat in
Prag einzurichten. Die Spießgesellen der Tschechen und die Todfeinde unsers
Reichs, die österreichischen Feudalen, haben ihn auch sehr wohl verstanden,
denn ihr Organ, das "Vaterland," sieht darin einen Versuch, der "Berliner
Politik" eine Stätte in Böhmen zu gründen. Gewiß, unsre Reichsangehörigen
müssen dort besser geschützt werden, als es die österreichische Regierung
während der Dezembermeutereien leider vermocht hat, und wenn das den
Deutschböhmen den Nacken steift, so wird das nur im eigensten Interesse
" Österreichs sein.




Agrarpolitische Aussichten

die verbündeten Regierungen, wie es scheint, entschlossen
sind, in der Sozialpolitik im engern Sinne durch Festigkeit
gegenüber dem neuerungssüchtigen Doktrinarismus dem gesunden
Fortschritt die unerläßliche Ruhe zu verschaffen, mehren sich
die Anzeichen, daß in der Agrarpolitik gerade das Ent¬
gegengesetzte in Aussicht steht. Täuschen die Anzeichen nicht, so ist man auf
dem besten Wege, dnrch gesteigerte Unruhe im agrarischen Lager die Be¬
ruhigung der sozialistischen Schwarmgeister ganz unmöglich zu machen.

Neuerdings hat sich das preußische Herrenhansmitglicd, Graf Klinckow-
ström-Korklack, das Verdienst erworben, in einer bei Paul Parey in Berlin
erschienenen kleinen Schrift: "Dr. Buchenbergers Agrarpolitik und die Forde¬
rungen der Landwirtschaft nnter besondrer Berücksichtigung der östlichen Landes¬
teile Preußens" die Forderungen und wohl auch die Aussichten der ostelbischen
Agrarier ziemlich ausführlich zu behandeln. Er bekämpft die von Bnchen-
berger in seinen kürzlich in den Grenzboten ausführlich besprochnen "Grund¬
zügen der Agrarpolitik" dargelegten, ganz gewiß nicht gerade antiagrarischen
Anschauungen und giebt damit ein anschauliches Bild von der Unruhe, die
auf ngrarpolitischem Gebiete herrscht. Buchenberger ist badischer Finanzminister
und nebenbei ein in Deutschland hochgeschätzter Agrarpolitiker. Er ist der
Verfasser der Agrarpolitik in der von Adolf Wagner herausgegebnen "Poli-


Agrarpolitische Aussichten

einzumischen. Wie man an der maßgebenden Stelle in Berlin über vergangne
und zukünftige föderalistische Experimente in Österreich urteilt, das hat neulich
Fürst Hohenlohe sehr deutlich durchblicke« lassen, als er im preußischen Ab¬
geordnetenhause den Polen erklärte, in Preußen sei kein Raum für födera¬
listische Bestrebungen, und dem tschechischen Übermut hat die Neichsregierung
einen energischen Wink mit dem Beschlusse gegeben, ein deutsches Konsulat in
Prag einzurichten. Die Spießgesellen der Tschechen und die Todfeinde unsers
Reichs, die österreichischen Feudalen, haben ihn auch sehr wohl verstanden,
denn ihr Organ, das „Vaterland," sieht darin einen Versuch, der „Berliner
Politik" eine Stätte in Böhmen zu gründen. Gewiß, unsre Reichsangehörigen
müssen dort besser geschützt werden, als es die österreichische Regierung
während der Dezembermeutereien leider vermocht hat, und wenn das den
Deutschböhmen den Nacken steift, so wird das nur im eigensten Interesse
" Österreichs sein.




Agrarpolitische Aussichten

die verbündeten Regierungen, wie es scheint, entschlossen
sind, in der Sozialpolitik im engern Sinne durch Festigkeit
gegenüber dem neuerungssüchtigen Doktrinarismus dem gesunden
Fortschritt die unerläßliche Ruhe zu verschaffen, mehren sich
die Anzeichen, daß in der Agrarpolitik gerade das Ent¬
gegengesetzte in Aussicht steht. Täuschen die Anzeichen nicht, so ist man auf
dem besten Wege, dnrch gesteigerte Unruhe im agrarischen Lager die Be¬
ruhigung der sozialistischen Schwarmgeister ganz unmöglich zu machen.

Neuerdings hat sich das preußische Herrenhansmitglicd, Graf Klinckow-
ström-Korklack, das Verdienst erworben, in einer bei Paul Parey in Berlin
erschienenen kleinen Schrift: „Dr. Buchenbergers Agrarpolitik und die Forde¬
rungen der Landwirtschaft nnter besondrer Berücksichtigung der östlichen Landes¬
teile Preußens" die Forderungen und wohl auch die Aussichten der ostelbischen
Agrarier ziemlich ausführlich zu behandeln. Er bekämpft die von Bnchen-
berger in seinen kürzlich in den Grenzboten ausführlich besprochnen „Grund¬
zügen der Agrarpolitik" dargelegten, ganz gewiß nicht gerade antiagrarischen
Anschauungen und giebt damit ein anschauliches Bild von der Unruhe, die
auf ngrarpolitischem Gebiete herrscht. Buchenberger ist badischer Finanzminister
und nebenbei ein in Deutschland hochgeschätzter Agrarpolitiker. Er ist der
Verfasser der Agrarpolitik in der von Adolf Wagner herausgegebnen „Poli-


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[0297] Agrarpolitische Aussichten einzumischen. Wie man an der maßgebenden Stelle in Berlin über vergangne und zukünftige föderalistische Experimente in Österreich urteilt, das hat neulich Fürst Hohenlohe sehr deutlich durchblicke« lassen, als er im preußischen Ab¬ geordnetenhause den Polen erklärte, in Preußen sei kein Raum für födera¬ listische Bestrebungen, und dem tschechischen Übermut hat die Neichsregierung einen energischen Wink mit dem Beschlusse gegeben, ein deutsches Konsulat in Prag einzurichten. Die Spießgesellen der Tschechen und die Todfeinde unsers Reichs, die österreichischen Feudalen, haben ihn auch sehr wohl verstanden, denn ihr Organ, das „Vaterland," sieht darin einen Versuch, der „Berliner Politik" eine Stätte in Böhmen zu gründen. Gewiß, unsre Reichsangehörigen müssen dort besser geschützt werden, als es die österreichische Regierung während der Dezembermeutereien leider vermocht hat, und wenn das den Deutschböhmen den Nacken steift, so wird das nur im eigensten Interesse " Österreichs sein. Agrarpolitische Aussichten die verbündeten Regierungen, wie es scheint, entschlossen sind, in der Sozialpolitik im engern Sinne durch Festigkeit gegenüber dem neuerungssüchtigen Doktrinarismus dem gesunden Fortschritt die unerläßliche Ruhe zu verschaffen, mehren sich die Anzeichen, daß in der Agrarpolitik gerade das Ent¬ gegengesetzte in Aussicht steht. Täuschen die Anzeichen nicht, so ist man auf dem besten Wege, dnrch gesteigerte Unruhe im agrarischen Lager die Be¬ ruhigung der sozialistischen Schwarmgeister ganz unmöglich zu machen. Neuerdings hat sich das preußische Herrenhansmitglicd, Graf Klinckow- ström-Korklack, das Verdienst erworben, in einer bei Paul Parey in Berlin erschienenen kleinen Schrift: „Dr. Buchenbergers Agrarpolitik und die Forde¬ rungen der Landwirtschaft nnter besondrer Berücksichtigung der östlichen Landes¬ teile Preußens" die Forderungen und wohl auch die Aussichten der ostelbischen Agrarier ziemlich ausführlich zu behandeln. Er bekämpft die von Bnchen- berger in seinen kürzlich in den Grenzboten ausführlich besprochnen „Grund¬ zügen der Agrarpolitik" dargelegten, ganz gewiß nicht gerade antiagrarischen Anschauungen und giebt damit ein anschauliches Bild von der Unruhe, die auf ngrarpolitischem Gebiete herrscht. Buchenberger ist badischer Finanzminister und nebenbei ein in Deutschland hochgeschätzter Agrarpolitiker. Er ist der Verfasser der Agrarpolitik in der von Adolf Wagner herausgegebnen „Poli-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/297>, abgerufen am 05.01.2025.