Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches wenig dazu thun könnte, daß es besser werde? Nichts der Art ist zu bemerken. Die Frage nach der Zunahme der Majestätsbeleidiguugen in den weiten von Wie die Sachen jetzt liegen, brauchte man sich nicht zu wundern, wenn die Die Zeitschrift der Strafprofessoreu. Bor kurzem ist das erste Heft der Maßgebliches und Unmaßgebliches wenig dazu thun könnte, daß es besser werde? Nichts der Art ist zu bemerken. Die Frage nach der Zunahme der Majestätsbeleidiguugen in den weiten von Wie die Sachen jetzt liegen, brauchte man sich nicht zu wundern, wenn die Die Zeitschrift der Strafprofessoreu. Bor kurzem ist das erste Heft der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0288" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227190"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_984" prev="#ID_983"> wenig dazu thun könnte, daß es besser werde? Nichts der Art ist zu bemerken.<lb/> Nur eine Melodie in allen Tonarten: Es soll niemand mehr wegen Majestäts¬<lb/> beleidigung bestraft werden! Alle Achtung vor dieser „öffentlichen Meinung,"<lb/> aber solange sie laut wird ohne die Parole: Ein Schuft von jetzt ab, wer sich<lb/> Patriot nennt in Deutschland und doch an den Schmähungen auf den Kaiser seine<lb/> Freude hat! — so lauge ist sie nichts als Heller Unverstand oder infame Heuchelei!</p><lb/> <p xml:id="ID_985"> Die Frage nach der Zunahme der Majestätsbeleidiguugen in den weiten von<lb/> der Sozialdemokratie oder in den viel kleinern vom reichsfeindlicheu Partikularismus<lb/> und dergleichen beherrschten Kreisen und ihrer gerichtlichen Verfolgung steht an<lb/> Bedeutung weit hinter der leichtfertigen Spielerei der bessern Stände Preußens<lb/> mit Majestätsbeleidignngen zurück. Auch der sozialdemokratischen und sonstigen reichs-<lb/> fcindlichcn Sippschaft ohne weiteres Straflosigkeit für die Beleidigung des deutschen<lb/> Kaisers zuzusprechen, wie das jetzt Mode ist, ist krasse Oberflächlichkeit. Das Gesetz<lb/> darf vorläufig keine solchen Experimente bei uns machen. Freilich erweckt jeder<lb/> Majestätsbeleidigungsprozeß die Besorgnis, ob nicht mehr mit ihm geschadet<lb/> wird als genützt. Die Entscheidung ist Sache politischen Taktes. Es kommt<lb/> alles darauf an, das Gefühl der Strafwürdigkeit der Majestätsbeleidignngen im Volke<lb/> rege zu erhalten oder wieder wach zu rufen. Zahlreiche Verurteilungen können<lb/> leicht das Gegenteil bewirken, aber erst recht thut das natürlich die neumodische<lb/> Agitation für Straflosigkeit in der Presse.</p><lb/> <p xml:id="ID_986"> Wie die Sachen jetzt liegen, brauchte man sich nicht zu wundern, wenn die<lb/> Verurteilung Trojans für den Majestätsbeleidigungsteufel eine geschäftlich wert¬<lb/> volle Reklame machte. Den Kaiser kann das Persönlich nicht anfechten, aber die<lb/> „bessern" Stände werden dabei zu beweisen haben, ob der Teufel sie richtig<lb/> taxirt oder falsch.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Die Zeitschrift der Strafprofessoreu.</head> <p xml:id="ID_987" next="#ID_988"> Bor kurzem ist das erste Heft der<lb/> von or. Julius Wolf, ordentlichem Professor der Staatswissenschaften zu Breslau,<lb/> herausgegebnen „Zeitschrift für Sozialwissenschaft" erschienen. Professor Wolf ist<lb/> Hauptvertreter der neuen Spezies von Volkswirtschaftslehreru an deu preußische»<lb/> Universitäten, die Schmoller in der Eröffnungsrede der letzten Generalversammlung<lb/> des Vereins für Sozialpolitik in Köln als „Strafprvfessoren" bezeichnet hat. Zur<lb/> „Strafe," wie Schmoller, und als Gegengewicht, wie Bosse meint, für den allzu-<lb/> eiuseitig bisher vertretuen Kathedersvzialismus sollen diese Herren in ihre Ämter<lb/> berufen worden sein. Wir haben keinen Grund, den heutigen Kathedersozialisten<lb/> die Strafe zu mißgönnen und den Strafprvfessoren schlechten Erfolg zu wünschen.<lb/> Als praktische Sozialpolitiker sind wir der Überzeugung, daß in der Wissenschaft<lb/> mit der in den letzten zwanzig Jahren vorherrschend gewordnen sozialistischen Ein¬<lb/> seitigkeit gebrochen werden muß, ehe in der Praxis aus sozialem Gebiete an ge¬<lb/> sündere Verhältnisse und wirklichen Fortschritt gedacht werden kann. Der not¬<lb/> wendigen Ruhe und Nüchternheit, sür die in der Sozialpolitik, wie wir neulich<lb/> hervorhebe» konnten, die Verbündeten Regierungen nach deu Erklärungen des Grafen<lb/> Posadowsky energisch einzutreten scheinen, steht hente der Modesozialismus der ge¬<lb/> bildete» Nichtsozialdemokraten als das ärgste Hindernis im Wege. Erst wen»<lb/> dieses beseitigt worde» ist, ka»» der in der sozialdemokratischen Arbeiterschaft, wie<lb/> der im agrarischen großen Hansen allmächtig gewordne sozialistische Egoismus und<lb/> Fanatismus, nachhaltig eingedämmt werden. Diese auf wissenschaftlichem Gebiet<lb/> zu lösende Aufgabe ist ungeheuer schwer. Professor Wolf kämpft mit anzuerken¬<lb/> nender Freudigkeit gegen den weitverzweigten und, trotz manchem Hader im Innern,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0288]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
wenig dazu thun könnte, daß es besser werde? Nichts der Art ist zu bemerken.
Nur eine Melodie in allen Tonarten: Es soll niemand mehr wegen Majestäts¬
beleidigung bestraft werden! Alle Achtung vor dieser „öffentlichen Meinung,"
aber solange sie laut wird ohne die Parole: Ein Schuft von jetzt ab, wer sich
Patriot nennt in Deutschland und doch an den Schmähungen auf den Kaiser seine
Freude hat! — so lauge ist sie nichts als Heller Unverstand oder infame Heuchelei!
Die Frage nach der Zunahme der Majestätsbeleidiguugen in den weiten von
der Sozialdemokratie oder in den viel kleinern vom reichsfeindlicheu Partikularismus
und dergleichen beherrschten Kreisen und ihrer gerichtlichen Verfolgung steht an
Bedeutung weit hinter der leichtfertigen Spielerei der bessern Stände Preußens
mit Majestätsbeleidignngen zurück. Auch der sozialdemokratischen und sonstigen reichs-
fcindlichcn Sippschaft ohne weiteres Straflosigkeit für die Beleidigung des deutschen
Kaisers zuzusprechen, wie das jetzt Mode ist, ist krasse Oberflächlichkeit. Das Gesetz
darf vorläufig keine solchen Experimente bei uns machen. Freilich erweckt jeder
Majestätsbeleidigungsprozeß die Besorgnis, ob nicht mehr mit ihm geschadet
wird als genützt. Die Entscheidung ist Sache politischen Taktes. Es kommt
alles darauf an, das Gefühl der Strafwürdigkeit der Majestätsbeleidignngen im Volke
rege zu erhalten oder wieder wach zu rufen. Zahlreiche Verurteilungen können
leicht das Gegenteil bewirken, aber erst recht thut das natürlich die neumodische
Agitation für Straflosigkeit in der Presse.
Wie die Sachen jetzt liegen, brauchte man sich nicht zu wundern, wenn die
Verurteilung Trojans für den Majestätsbeleidigungsteufel eine geschäftlich wert¬
volle Reklame machte. Den Kaiser kann das Persönlich nicht anfechten, aber die
„bessern" Stände werden dabei zu beweisen haben, ob der Teufel sie richtig
taxirt oder falsch.
Die Zeitschrift der Strafprofessoreu. Bor kurzem ist das erste Heft der
von or. Julius Wolf, ordentlichem Professor der Staatswissenschaften zu Breslau,
herausgegebnen „Zeitschrift für Sozialwissenschaft" erschienen. Professor Wolf ist
Hauptvertreter der neuen Spezies von Volkswirtschaftslehreru an deu preußische»
Universitäten, die Schmoller in der Eröffnungsrede der letzten Generalversammlung
des Vereins für Sozialpolitik in Köln als „Strafprvfessoren" bezeichnet hat. Zur
„Strafe," wie Schmoller, und als Gegengewicht, wie Bosse meint, für den allzu-
eiuseitig bisher vertretuen Kathedersvzialismus sollen diese Herren in ihre Ämter
berufen worden sein. Wir haben keinen Grund, den heutigen Kathedersozialisten
die Strafe zu mißgönnen und den Strafprvfessoren schlechten Erfolg zu wünschen.
Als praktische Sozialpolitiker sind wir der Überzeugung, daß in der Wissenschaft
mit der in den letzten zwanzig Jahren vorherrschend gewordnen sozialistischen Ein¬
seitigkeit gebrochen werden muß, ehe in der Praxis aus sozialem Gebiete an ge¬
sündere Verhältnisse und wirklichen Fortschritt gedacht werden kann. Der not¬
wendigen Ruhe und Nüchternheit, sür die in der Sozialpolitik, wie wir neulich
hervorhebe» konnten, die Verbündeten Regierungen nach deu Erklärungen des Grafen
Posadowsky energisch einzutreten scheinen, steht hente der Modesozialismus der ge¬
bildete» Nichtsozialdemokraten als das ärgste Hindernis im Wege. Erst wen»
dieses beseitigt worde» ist, ka»» der in der sozialdemokratischen Arbeiterschaft, wie
der im agrarischen großen Hansen allmächtig gewordne sozialistische Egoismus und
Fanatismus, nachhaltig eingedämmt werden. Diese auf wissenschaftlichem Gebiet
zu lösende Aufgabe ist ungeheuer schwer. Professor Wolf kämpft mit anzuerken¬
nender Freudigkeit gegen den weitverzweigten und, trotz manchem Hader im Innern,
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