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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

willst, ob sie. gewinnt. Wird die Leimet vom Saft grün, gewinnt die Person nit,
wird sie rot wie Blut, gewinnt die Person. Bet über erst ein Vaterunser, eh
dus machst!

Madlene huschte von dannen. Der Schmied feste sich wieder ins Moos, stützte
den linken Ellenbogen cinfs Knie und den Kopf auf die Hand und drehte zwischen
Daumen und Zeigefinger der rechten Hand ein dürres Reislcin einmal so hernni,
dann wieder anders herum und führte ein murmelndes Selbstgespräch.

Es mochte Wohl ein Viertelstündchen verstrichen sein, als Madlene wieder kam.

Bist dn zufrieden, mei Tichterle?

Madlene war erregt. Die sonst so scheue Glut wich nicht aus ihrem Antlitz
vor dem Schmied. Ja! Habt Dank! Was loses?

Hihihihi! Kost nichts, mei Tichterle. Aber wenn du mir einmal ein Viertel
Weizen zukommen lassen kannst, nehm ichs mit Dank an. Dahinten bei uns
"nächst keiner.

Das sollt ihr Halm! Habt Dank, und verrät mich nit.
Freilich uit! rief der Schmied der Davoneilenden nach.

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Majestätsbeleidigungcn.

Die Verurteilung Trojans hat viel Stand auf¬
gewirbelt. Der Fall ist dazu ausgebeutet worden, eine ganze Gntachtenlitterainr
ins Leben zu rufen. Juristen, Theologen und andre Gelehrte, Dichter, Maler,
Musiker und andre Künstler haben den Zeitungen ans ihre "Nmsragen" mehr oder
minder geistreich ihre Meinung gesagt, und wenn man das Fazit zieht, so kommt
heraus, das; die Majcstätsbeleidiger in der sogenannten öffentlichen Meinung einen
nnsgesprvchncn Sieg davon getragen haben. Das ist schlimm, und deshalb wiirS
besser gewesen, man hätte die Anklage nicht erhoben. Da sie aber einmal erhoben
worden war, so Wichte freilich die Verurteilung auch erfolgen, denn die Frei¬
sprechung hätte der Gerechtigkeit ins Gesicht geschlagen. Der Fall Trojan kann
damit abgethan sein; man kann es ein bedauernswertes Schicksal nennen, wenn
jemand vom Witzerciszen leben muß und. um seinem Publikum nicht abgedroschen
S" erscheinen, immer verwegnere Griffe zu thun gezwungen ist, bei denen er sich
endlich die Finger verbrennt. Über die Majestälsbeleidignngen selbst haben wir
'was ein Wort zu sagen.

Man hat den Satz ausgesprochen: die Häufigkeit der Majestätsbeleidignngs-
pwzesse nähme den Charakter einer endemischen Krankheit an und laste wie ein
Alp ans dem Volte. Das ist geschmacklos und unlogisch. Die Erhebung von
Anklagen kann niemals einen endemischen Charakter annehmen, nnr das zu ver¬
folgende Vergehen kann endemisch werden, und denn kann freilich nnter Umständen
die Erhebung der Anklage zu einem Fehler werden. Wir glauben, so liegt die
Snche jetzt bei uns; wir sind in einem ernsten und gefährlichen Krankheits¬
zustande.


Grenzboten I 18V8 ?>0
Maßgebliches und Unmaßgebliches

willst, ob sie. gewinnt. Wird die Leimet vom Saft grün, gewinnt die Person nit,
wird sie rot wie Blut, gewinnt die Person. Bet über erst ein Vaterunser, eh
dus machst!

Madlene huschte von dannen. Der Schmied feste sich wieder ins Moos, stützte
den linken Ellenbogen cinfs Knie und den Kopf auf die Hand und drehte zwischen
Daumen und Zeigefinger der rechten Hand ein dürres Reislcin einmal so hernni,
dann wieder anders herum und führte ein murmelndes Selbstgespräch.

Es mochte Wohl ein Viertelstündchen verstrichen sein, als Madlene wieder kam.

Bist dn zufrieden, mei Tichterle?

Madlene war erregt. Die sonst so scheue Glut wich nicht aus ihrem Antlitz
vor dem Schmied. Ja! Habt Dank! Was loses?

Hihihihi! Kost nichts, mei Tichterle. Aber wenn du mir einmal ein Viertel
Weizen zukommen lassen kannst, nehm ichs mit Dank an. Dahinten bei uns
»nächst keiner.

Das sollt ihr Halm! Habt Dank, und verrät mich nit.
Freilich uit! rief der Schmied der Davoneilenden nach.

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Majestätsbeleidigungcn.

Die Verurteilung Trojans hat viel Stand auf¬
gewirbelt. Der Fall ist dazu ausgebeutet worden, eine ganze Gntachtenlitterainr
ins Leben zu rufen. Juristen, Theologen und andre Gelehrte, Dichter, Maler,
Musiker und andre Künstler haben den Zeitungen ans ihre „Nmsragen" mehr oder
minder geistreich ihre Meinung gesagt, und wenn man das Fazit zieht, so kommt
heraus, das; die Majcstätsbeleidiger in der sogenannten öffentlichen Meinung einen
nnsgesprvchncn Sieg davon getragen haben. Das ist schlimm, und deshalb wiirS
besser gewesen, man hätte die Anklage nicht erhoben. Da sie aber einmal erhoben
worden war, so Wichte freilich die Verurteilung auch erfolgen, denn die Frei¬
sprechung hätte der Gerechtigkeit ins Gesicht geschlagen. Der Fall Trojan kann
damit abgethan sein; man kann es ein bedauernswertes Schicksal nennen, wenn
jemand vom Witzerciszen leben muß und. um seinem Publikum nicht abgedroschen
S" erscheinen, immer verwegnere Griffe zu thun gezwungen ist, bei denen er sich
endlich die Finger verbrennt. Über die Majestälsbeleidignngen selbst haben wir
'was ein Wort zu sagen.

Man hat den Satz ausgesprochen: die Häufigkeit der Majestätsbeleidignngs-
pwzesse nähme den Charakter einer endemischen Krankheit an und laste wie ein
Alp ans dem Volte. Das ist geschmacklos und unlogisch. Die Erhebung von
Anklagen kann niemals einen endemischen Charakter annehmen, nnr das zu ver¬
folgende Vergehen kann endemisch werden, und denn kann freilich nnter Umständen
die Erhebung der Anklage zu einem Fehler werden. Wir glauben, so liegt die
Snche jetzt bei uns; wir sind in einem ernsten und gefährlichen Krankheits¬
zustande.


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[0285] Maßgebliches und Unmaßgebliches willst, ob sie. gewinnt. Wird die Leimet vom Saft grün, gewinnt die Person nit, wird sie rot wie Blut, gewinnt die Person. Bet über erst ein Vaterunser, eh dus machst! Madlene huschte von dannen. Der Schmied feste sich wieder ins Moos, stützte den linken Ellenbogen cinfs Knie und den Kopf auf die Hand und drehte zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand ein dürres Reislcin einmal so hernni, dann wieder anders herum und führte ein murmelndes Selbstgespräch. Es mochte Wohl ein Viertelstündchen verstrichen sein, als Madlene wieder kam. Bist dn zufrieden, mei Tichterle? Madlene war erregt. Die sonst so scheue Glut wich nicht aus ihrem Antlitz vor dem Schmied. Ja! Habt Dank! Was loses? Hihihihi! Kost nichts, mei Tichterle. Aber wenn du mir einmal ein Viertel Weizen zukommen lassen kannst, nehm ichs mit Dank an. Dahinten bei uns »nächst keiner. Das sollt ihr Halm! Habt Dank, und verrät mich nit. Freilich uit! rief der Schmied der Davoneilenden nach. (Fortsetzung folgt) Maßgebliches und Unmaßgebliches Majestätsbeleidigungcn. Die Verurteilung Trojans hat viel Stand auf¬ gewirbelt. Der Fall ist dazu ausgebeutet worden, eine ganze Gntachtenlitterainr ins Leben zu rufen. Juristen, Theologen und andre Gelehrte, Dichter, Maler, Musiker und andre Künstler haben den Zeitungen ans ihre „Nmsragen" mehr oder minder geistreich ihre Meinung gesagt, und wenn man das Fazit zieht, so kommt heraus, das; die Majcstätsbeleidiger in der sogenannten öffentlichen Meinung einen nnsgesprvchncn Sieg davon getragen haben. Das ist schlimm, und deshalb wiirS besser gewesen, man hätte die Anklage nicht erhoben. Da sie aber einmal erhoben worden war, so Wichte freilich die Verurteilung auch erfolgen, denn die Frei¬ sprechung hätte der Gerechtigkeit ins Gesicht geschlagen. Der Fall Trojan kann damit abgethan sein; man kann es ein bedauernswertes Schicksal nennen, wenn jemand vom Witzerciszen leben muß und. um seinem Publikum nicht abgedroschen S" erscheinen, immer verwegnere Griffe zu thun gezwungen ist, bei denen er sich endlich die Finger verbrennt. Über die Majestälsbeleidignngen selbst haben wir 'was ein Wort zu sagen. Man hat den Satz ausgesprochen: die Häufigkeit der Majestätsbeleidignngs- pwzesse nähme den Charakter einer endemischen Krankheit an und laste wie ein Alp ans dem Volte. Das ist geschmacklos und unlogisch. Die Erhebung von Anklagen kann niemals einen endemischen Charakter annehmen, nnr das zu ver¬ folgende Vergehen kann endemisch werden, und denn kann freilich nnter Umständen die Erhebung der Anklage zu einem Fehler werden. Wir glauben, so liegt die Snche jetzt bei uns; wir sind in einem ernsten und gefährlichen Krankheits¬ zustande. Grenzboten I 18V8 ?>0

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/285>, abgerufen am 05.01.2025.