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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Madlene

meint sogar, der künstlerische Garten müsse wieder einen künstlerischen Ge¬
schmack auch in der Architektur hervorrufen. Auch gegen die kostspieligen
naturalistischen Wintergarten bringt er allerlei vor und möchte sie nach dem
Muster der alten Kreuzgänge als vor Wandfassaden hinlaufende Galerien mit
Grün und Blumenbeeten geordnet wissen. Alle diese Gedanken, die zunächst
für Hamburg gelten sollen, werden den historisch gestimmten Leser zu weiteren
Nachdenken anregen. Praktisch genommen, wird wohl jeder Einzelne an einigen
Punkten mit der stilvollern Einrichtung seines Daseins, insofern es etwas mit
Blumen und Gewächsen zu thun hat, einverstanden sein, andres aber wird er
nicht opfern wollen. Es erschien ihm immer als eine Verbesserung oder Ver¬
schönerung seines Lebens, und es hat doch auch seinen geschichtlichen Grund
gehabt. Der Stadtbewohner hat vielleicht keine Zeit mehr, den kleinen Garten
mit Blumen zu bestellen, oder er genießt ihn nicht, weil er selten hinunter¬
gehe. Eine Veranda aber mit grünen Gewächsen kann er jeden Augenblick
betreten. Darin stehen auch vielleicht echte alte Vasen, französische oder sächsische,
in denen nie Blumen gesteckt haben, denn sie sind viel zu kostbar zum Gebrauch,
auch hat er ja keine Blumen, die er abschneiden könnte. Das ist stillos und
unharmonisch; aber möchte sich wohl jeder derartige Besitzer nach dem Licht-
warkschen Buche reformiren lassen? Schwerlich, und selbst wer ans dem Stil
ein berufsmäßiges Studium zu machen Pflegt, wird doch als Bewohner seiner
Räume meistens wohl vorziehen, Eklektiker zu bleiben.

Nach den Mitteilungen der Verlagshandlung wird die Reihe dieser kleinen
Handbücher des Kunstunterrichts fortgesetzt werden. Wir sehen dem mit Interesse
entgegen.




Madlene I. H. Löffler Erzählung aus dem oberfränkischen Volksleben von
Verfasser von "Martin Bötzing-r"
(Fortsetzung)
6. Wer gewinnt?

in böser Sturm wars. So ist der April. Er ist wie die Leute,
die uns täglich dutzendweise begegnen. Sie ziehen den Mund bald
bis an die Ohren vor Freundlichkeit, während sie vor kurzem erst
für uns tückisch ein Graupelwetter besorgt haben. Aber der Sturm
war vorüber, und in wohlwollender Majestät goß die Abendsonne
ihren Glanz über das Dörflein und die Flur. Das Wasser ist ver¬
laufen; aber in Winkeln, Gräben und Löchern liegen noch schmutzige Graupelmassen.


Madlene

meint sogar, der künstlerische Garten müsse wieder einen künstlerischen Ge¬
schmack auch in der Architektur hervorrufen. Auch gegen die kostspieligen
naturalistischen Wintergarten bringt er allerlei vor und möchte sie nach dem
Muster der alten Kreuzgänge als vor Wandfassaden hinlaufende Galerien mit
Grün und Blumenbeeten geordnet wissen. Alle diese Gedanken, die zunächst
für Hamburg gelten sollen, werden den historisch gestimmten Leser zu weiteren
Nachdenken anregen. Praktisch genommen, wird wohl jeder Einzelne an einigen
Punkten mit der stilvollern Einrichtung seines Daseins, insofern es etwas mit
Blumen und Gewächsen zu thun hat, einverstanden sein, andres aber wird er
nicht opfern wollen. Es erschien ihm immer als eine Verbesserung oder Ver¬
schönerung seines Lebens, und es hat doch auch seinen geschichtlichen Grund
gehabt. Der Stadtbewohner hat vielleicht keine Zeit mehr, den kleinen Garten
mit Blumen zu bestellen, oder er genießt ihn nicht, weil er selten hinunter¬
gehe. Eine Veranda aber mit grünen Gewächsen kann er jeden Augenblick
betreten. Darin stehen auch vielleicht echte alte Vasen, französische oder sächsische,
in denen nie Blumen gesteckt haben, denn sie sind viel zu kostbar zum Gebrauch,
auch hat er ja keine Blumen, die er abschneiden könnte. Das ist stillos und
unharmonisch; aber möchte sich wohl jeder derartige Besitzer nach dem Licht-
warkschen Buche reformiren lassen? Schwerlich, und selbst wer ans dem Stil
ein berufsmäßiges Studium zu machen Pflegt, wird doch als Bewohner seiner
Räume meistens wohl vorziehen, Eklektiker zu bleiben.

Nach den Mitteilungen der Verlagshandlung wird die Reihe dieser kleinen
Handbücher des Kunstunterrichts fortgesetzt werden. Wir sehen dem mit Interesse
entgegen.




Madlene I. H. Löffler Erzählung aus dem oberfränkischen Volksleben von
Verfasser von „Martin Bötzing-r"
(Fortsetzung)
6. Wer gewinnt?

in böser Sturm wars. So ist der April. Er ist wie die Leute,
die uns täglich dutzendweise begegnen. Sie ziehen den Mund bald
bis an die Ohren vor Freundlichkeit, während sie vor kurzem erst
für uns tückisch ein Graupelwetter besorgt haben. Aber der Sturm
war vorüber, und in wohlwollender Majestät goß die Abendsonne
ihren Glanz über das Dörflein und die Flur. Das Wasser ist ver¬
laufen; aber in Winkeln, Gräben und Löchern liegen noch schmutzige Graupelmassen.


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[0278] Madlene meint sogar, der künstlerische Garten müsse wieder einen künstlerischen Ge¬ schmack auch in der Architektur hervorrufen. Auch gegen die kostspieligen naturalistischen Wintergarten bringt er allerlei vor und möchte sie nach dem Muster der alten Kreuzgänge als vor Wandfassaden hinlaufende Galerien mit Grün und Blumenbeeten geordnet wissen. Alle diese Gedanken, die zunächst für Hamburg gelten sollen, werden den historisch gestimmten Leser zu weiteren Nachdenken anregen. Praktisch genommen, wird wohl jeder Einzelne an einigen Punkten mit der stilvollern Einrichtung seines Daseins, insofern es etwas mit Blumen und Gewächsen zu thun hat, einverstanden sein, andres aber wird er nicht opfern wollen. Es erschien ihm immer als eine Verbesserung oder Ver¬ schönerung seines Lebens, und es hat doch auch seinen geschichtlichen Grund gehabt. Der Stadtbewohner hat vielleicht keine Zeit mehr, den kleinen Garten mit Blumen zu bestellen, oder er genießt ihn nicht, weil er selten hinunter¬ gehe. Eine Veranda aber mit grünen Gewächsen kann er jeden Augenblick betreten. Darin stehen auch vielleicht echte alte Vasen, französische oder sächsische, in denen nie Blumen gesteckt haben, denn sie sind viel zu kostbar zum Gebrauch, auch hat er ja keine Blumen, die er abschneiden könnte. Das ist stillos und unharmonisch; aber möchte sich wohl jeder derartige Besitzer nach dem Licht- warkschen Buche reformiren lassen? Schwerlich, und selbst wer ans dem Stil ein berufsmäßiges Studium zu machen Pflegt, wird doch als Bewohner seiner Räume meistens wohl vorziehen, Eklektiker zu bleiben. Nach den Mitteilungen der Verlagshandlung wird die Reihe dieser kleinen Handbücher des Kunstunterrichts fortgesetzt werden. Wir sehen dem mit Interesse entgegen. Madlene I. H. Löffler Erzählung aus dem oberfränkischen Volksleben von Verfasser von „Martin Bötzing-r" (Fortsetzung) 6. Wer gewinnt? in böser Sturm wars. So ist der April. Er ist wie die Leute, die uns täglich dutzendweise begegnen. Sie ziehen den Mund bald bis an die Ohren vor Freundlichkeit, während sie vor kurzem erst für uns tückisch ein Graupelwetter besorgt haben. Aber der Sturm war vorüber, und in wohlwollender Majestät goß die Abendsonne ihren Glanz über das Dörflein und die Flur. Das Wasser ist ver¬ laufen; aber in Winkeln, Gräben und Löchern liegen noch schmutzige Graupelmassen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/278>, abgerufen am 05.01.2025.