Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Reichsländische Zeitfragen Vernachlässigte Pflicht der Hausfrauen hervorgehoben, in ihren Mägden Haus¬ Reichsländische Zeitfragen Emil Kühn von 3. Ein neuer Minister und die Folgen seiner Ernennung er am Schluß meiner letzten Erörterung erwähnte Landesaus- Reichsländische Zeitfragen Vernachlässigte Pflicht der Hausfrauen hervorgehoben, in ihren Mägden Haus¬ Reichsländische Zeitfragen Emil Kühn von 3. Ein neuer Minister und die Folgen seiner Ernennung er am Schluß meiner letzten Erörterung erwähnte Landesaus- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0249" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227151"/> <fw type="header" place="top"> Reichsländische Zeitfragen</fw><lb/> <p xml:id="ID_815" prev="#ID_814"> Vernachlässigte Pflicht der Hausfrauen hervorgehoben, in ihren Mägden Haus¬<lb/> frauen zu erziehen. Es erschien mir diese Pflicht so recht als eine Pflicht der<lb/> Einzelnen, eine moralische Pflicht, die dem Einzelnen durch keine Gesamtheit<lb/> abgenommen werden kann, und deren Vernachlässigung für den Einzelnen<lb/> immer ein moralischer Vorwurf ist und unter keinen Umständen durch den<lb/> billigen Hinweis auf die „veränderten Verhältnisse" entschuldigt werden darf.<lb/> Die „soziale Bewegung" des letzten Jahrzehnts, auf die man so stolz ist, und<lb/> die „soziale Gesinnung," deren sich die „ethischen" Volkswirte der Mode so<lb/> gern rühmen, hat für die bessere Erfüllung der Pflicht der Einzelnen auch auf<lb/> diesem Gebiet nichts gethan, nichts thun wollen. Die moralische Seite des<lb/> sozialen Lebens ist diesen „Ethikern" eine völlig unbekannte Größe, wenn<lb/> nicht ein Gegenstand des Hasses, des Hohns, der Bekämpfung. Die Stellung<lb/> der Sozialdemokratie zur Dienstbotenfrage ist das sprechendste Beispiel. Umso<lb/> mehr schien es mir am Platze, wieder einmal an die Dienstboten und an die<lb/> Erzieherpflicht ihnen gegenüber zu erinnern. Wem die lappische Koketterie mit<lb/> dem „Fräulein Dr." nicht mehr imponirt, der wird vielleicht an dieser ernsten<lb/><note type="byline"> /?</note> Frauenfrage wieder etwas Interesse nehmen. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Reichsländische Zeitfragen<lb/><note type="byline"> Emil Kühn</note> von<lb/> 3. Ein neuer Minister und die Folgen seiner Ernennung</head><lb/> <p xml:id="ID_816"> er am Schluß meiner letzten Erörterung erwähnte Landesaus-<lb/> schußabgeordnete Dr. Petri ist seitdem zum Unterstaatssekretär<lb/> ernannt und an die Spitze der Ministerialabteilung für Justiz<lb/> und Kultus gestellt worden. Von dieser Abteilung ressortirt<lb/> einesteils die ganze Justizverwaltung mit dem umfänglichsten<lb/> Vorschlag zur Stellenbesetzung, andernteils die Staatsaufsicht über die Religions¬<lb/> gesellschaften, die nach der bei uns geltenden Gesetzgebung sehr tief eingreift.<lb/> Da die Untcrstaatssekretäre thatsächlich, wenn auch nicht staatsrechtlich, so gut<lb/> wie Minister sind, so ist die Ernennung eine sehr wichtige Maßregel und<lb/> fordert zur Besprechung auf. Vorausschicken möchte ich, daß ich mich an und<lb/> für sich über die Ernennung eines Eingebornen freuen würde, aber ich ver¬<lb/> mag mich nicht zu überzeugen, daß diese bestimmte Ernennung im deutschen<lb/> Interesse liegt.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0249]
Reichsländische Zeitfragen
Vernachlässigte Pflicht der Hausfrauen hervorgehoben, in ihren Mägden Haus¬
frauen zu erziehen. Es erschien mir diese Pflicht so recht als eine Pflicht der
Einzelnen, eine moralische Pflicht, die dem Einzelnen durch keine Gesamtheit
abgenommen werden kann, und deren Vernachlässigung für den Einzelnen
immer ein moralischer Vorwurf ist und unter keinen Umständen durch den
billigen Hinweis auf die „veränderten Verhältnisse" entschuldigt werden darf.
Die „soziale Bewegung" des letzten Jahrzehnts, auf die man so stolz ist, und
die „soziale Gesinnung," deren sich die „ethischen" Volkswirte der Mode so
gern rühmen, hat für die bessere Erfüllung der Pflicht der Einzelnen auch auf
diesem Gebiet nichts gethan, nichts thun wollen. Die moralische Seite des
sozialen Lebens ist diesen „Ethikern" eine völlig unbekannte Größe, wenn
nicht ein Gegenstand des Hasses, des Hohns, der Bekämpfung. Die Stellung
der Sozialdemokratie zur Dienstbotenfrage ist das sprechendste Beispiel. Umso
mehr schien es mir am Platze, wieder einmal an die Dienstboten und an die
Erzieherpflicht ihnen gegenüber zu erinnern. Wem die lappische Koketterie mit
dem „Fräulein Dr." nicht mehr imponirt, der wird vielleicht an dieser ernsten
/? Frauenfrage wieder etwas Interesse nehmen.
Reichsländische Zeitfragen
Emil Kühn von
3. Ein neuer Minister und die Folgen seiner Ernennung
er am Schluß meiner letzten Erörterung erwähnte Landesaus-
schußabgeordnete Dr. Petri ist seitdem zum Unterstaatssekretär
ernannt und an die Spitze der Ministerialabteilung für Justiz
und Kultus gestellt worden. Von dieser Abteilung ressortirt
einesteils die ganze Justizverwaltung mit dem umfänglichsten
Vorschlag zur Stellenbesetzung, andernteils die Staatsaufsicht über die Religions¬
gesellschaften, die nach der bei uns geltenden Gesetzgebung sehr tief eingreift.
Da die Untcrstaatssekretäre thatsächlich, wenn auch nicht staatsrechtlich, so gut
wie Minister sind, so ist die Ernennung eine sehr wichtige Maßregel und
fordert zur Besprechung auf. Vorausschicken möchte ich, daß ich mich an und
für sich über die Ernennung eines Eingebornen freuen würde, aber ich ver¬
mag mich nicht zu überzeugen, daß diese bestimmte Ernennung im deutschen
Interesse liegt.
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