Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Litteratur Naturvölker und Kulturvölker, Ein Beitrag zur Sozialpsychologie von Alfred Vicr- kaudt, Leipzig, Duncker und Humblot, 18!)ti Jeder von uns ist ein Gemisch von Zügen der Naturvölker und der Kultur¬ Wir wollen das gedankenreiche Buch nicht weiter auspflücken, der Leser nehme Zur Rassen- und Sozialhygiene der Griechen im Altertum und in der Gegen¬ wart, Von Dr, Ferdinand .H"ppc. Mit !< Abbildungen in" Text. Wiesbaden, C. W. Krcidels Verlag, lM7 Auf deu wenig über hundert Seiten dieses Buches ist so viel aus allen mög- Litteratur Naturvölker und Kulturvölker, Ein Beitrag zur Sozialpsychologie von Alfred Vicr- kaudt, Leipzig, Duncker und Humblot, 18!)ti Jeder von uns ist ein Gemisch von Zügen der Naturvölker und der Kultur¬ Wir wollen das gedankenreiche Buch nicht weiter auspflücken, der Leser nehme Zur Rassen- und Sozialhygiene der Griechen im Altertum und in der Gegen¬ wart, Von Dr, Ferdinand .H«ppc. Mit !< Abbildungen in» Text. Wiesbaden, C. W. Krcidels Verlag, lM7 Auf deu wenig über hundert Seiten dieses Buches ist so viel aus allen mög- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0231" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227133"/> </div> <div n="1"> <head> Litteratur</head><lb/> <div n="2"> <head> Naturvölker und Kulturvölker, Ein Beitrag zur Sozialpsychologie von Alfred Vicr-<lb/> kaudt, Leipzig, Duncker und Humblot, 18!)ti</head><lb/> <p xml:id="ID_753"> Jeder von uns ist ein Gemisch von Zügen der Naturvölker und der Kultur¬<lb/> völker, darauf beruht das große persönliche Interesse, das dieses gründliche und<lb/> klar geschriebne Buch bei jedem denkenden Leser erregen muß; sür Ethnologen und<lb/> Historiker ist es ein Handbuch, dessen Verständnis die Boraussetzung für jede reife<lb/> Arbeit aus der Geistesgeschichte ihrer Gebiete ist. Die Psyche der Naturvölker<lb/> und der Kulturvölker wird durch keine scharfe Grenze geschieden, aber bei jenen<lb/> überwiegen unwillkürliche Handlungen, bei diesen willkürliche, dort herrscht spielende,<lb/> hier orgnnisirte Energie, dort Leidenschaft, hier Besonnenheit, dort ein Sich-<lb/> beflimmenlassen durch die Außenwelt, hier das umgekehrte Verhältnis — ein ab¬<lb/> seits liegendes, aber doch schlagendes Beispiel hat Egli in der geographischen<lb/> Namengebung nachgewiesen: man vergleiche das umgekehrte des Verhältnisses in<lb/> den beiden Namenpaaren Grünewald und Bismarckarchipel und Frankfurter Straße<lb/> und Goethestraße. Alle jene Unterschiede zwischen Natur- und Kulturvölkern sind<lb/> keine Gegensätze, sondern bedeuten eine Zunahme des Geistigen auf feiten des<lb/> Kulturvolks. Sie ist zugleich ein Fortschreiten vom objektivem zu einem mehr<lb/> subjektiven Dasein: z. B. tritt auf ethischem Gebiete an die Stelle der Sitte die<lb/> Sittlichkeit, an die Stelle der Furcht vor der Strafe das Gewissen, Hier<lb/> dürfen wir vom Fortschritt sprechen. Vierkandt enthüllt freilich auch schonungslos<lb/> die Einbußen, die gewöhnlich mit „höherer" Kultur Verbünde» sind: Schwächung<lb/> des Willens (die Männer in Goethes und dagegen in Shakespeares Dichtungen —<lb/> mit Ausnahme Hamlets, den Bierknndts „Vollkultur" für sich in Anspruch nehmen<lb/> durs), Verblassuug der Religion zur Moral und Mechanisiruug, die bei unbe¬<lb/> deutenden Dingen eine allgemeinem Fortschritt günstige Erleichterung ist, bei be¬<lb/> deutenden ein Fluch.</p><lb/> <p xml:id="ID_754"> Wir wollen das gedankenreiche Buch nicht weiter auspflücken, der Leser nehme<lb/> es selbst zur Hand. Wenn nicht alles ausgemacht ist, was es bringt, so ist doch<lb/> alles anregend. In einer so schwierigen Frage wie der der Rnssenbegabnng schiebt<lb/> der Verfasser einmal der Rasse zu, was Sache der Entwicklung ist, wenn er die<lb/> Poetische Form des Parallelismus für semitisch erklärt: alles, was er da über die<lb/> »eiftige Art des Pnrallelismus sagt, paßt Wort für Wort auf die Variationstechnik<lb/> der altgermanischen Epen. Über die Aussichten sür das Weiterleben von Kunst<lb/> und Religion in unserm deutschen Kulturvolk denken wir anders als Vierkandt, der<lb/> beide von der Vollkultur auf den Aussterbeetat gesetzt erklärt — wir können einen<lb/> solchen Zustand ebeu nur als moderne Halbkultur bezeichnen. Freilich die Zahl<lb/> der Weitergehenden wird wohl immer kleiner wie die Pyramide nach oben immer<lb/> schmäler, und das Los des Werdenden immer euttnuschuugsvollcr.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Zur Rassen- und Sozialhygiene der Griechen im Altertum und in der Gegen¬<lb/> wart, Von Dr, Ferdinand .H«ppc. Mit !< Abbildungen in» Text. Wiesbaden, C. W. Krcidels<lb/> Verlag, lM7</head><lb/> <p xml:id="ID_755" next="#ID_756"> Auf deu wenig über hundert Seiten dieses Buches ist so viel aus allen mög-<lb/> lichen Gebieten des sozialen Lebens, der Geschichte usw. des alten und des neuen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0231]
Litteratur
Naturvölker und Kulturvölker, Ein Beitrag zur Sozialpsychologie von Alfred Vicr-
kaudt, Leipzig, Duncker und Humblot, 18!)ti
Jeder von uns ist ein Gemisch von Zügen der Naturvölker und der Kultur¬
völker, darauf beruht das große persönliche Interesse, das dieses gründliche und
klar geschriebne Buch bei jedem denkenden Leser erregen muß; sür Ethnologen und
Historiker ist es ein Handbuch, dessen Verständnis die Boraussetzung für jede reife
Arbeit aus der Geistesgeschichte ihrer Gebiete ist. Die Psyche der Naturvölker
und der Kulturvölker wird durch keine scharfe Grenze geschieden, aber bei jenen
überwiegen unwillkürliche Handlungen, bei diesen willkürliche, dort herrscht spielende,
hier orgnnisirte Energie, dort Leidenschaft, hier Besonnenheit, dort ein Sich-
beflimmenlassen durch die Außenwelt, hier das umgekehrte Verhältnis — ein ab¬
seits liegendes, aber doch schlagendes Beispiel hat Egli in der geographischen
Namengebung nachgewiesen: man vergleiche das umgekehrte des Verhältnisses in
den beiden Namenpaaren Grünewald und Bismarckarchipel und Frankfurter Straße
und Goethestraße. Alle jene Unterschiede zwischen Natur- und Kulturvölkern sind
keine Gegensätze, sondern bedeuten eine Zunahme des Geistigen auf feiten des
Kulturvolks. Sie ist zugleich ein Fortschreiten vom objektivem zu einem mehr
subjektiven Dasein: z. B. tritt auf ethischem Gebiete an die Stelle der Sitte die
Sittlichkeit, an die Stelle der Furcht vor der Strafe das Gewissen, Hier
dürfen wir vom Fortschritt sprechen. Vierkandt enthüllt freilich auch schonungslos
die Einbußen, die gewöhnlich mit „höherer" Kultur Verbünde» sind: Schwächung
des Willens (die Männer in Goethes und dagegen in Shakespeares Dichtungen —
mit Ausnahme Hamlets, den Bierknndts „Vollkultur" für sich in Anspruch nehmen
durs), Verblassuug der Religion zur Moral und Mechanisiruug, die bei unbe¬
deutenden Dingen eine allgemeinem Fortschritt günstige Erleichterung ist, bei be¬
deutenden ein Fluch.
Wir wollen das gedankenreiche Buch nicht weiter auspflücken, der Leser nehme
es selbst zur Hand. Wenn nicht alles ausgemacht ist, was es bringt, so ist doch
alles anregend. In einer so schwierigen Frage wie der der Rnssenbegabnng schiebt
der Verfasser einmal der Rasse zu, was Sache der Entwicklung ist, wenn er die
Poetische Form des Parallelismus für semitisch erklärt: alles, was er da über die
»eiftige Art des Pnrallelismus sagt, paßt Wort für Wort auf die Variationstechnik
der altgermanischen Epen. Über die Aussichten sür das Weiterleben von Kunst
und Religion in unserm deutschen Kulturvolk denken wir anders als Vierkandt, der
beide von der Vollkultur auf den Aussterbeetat gesetzt erklärt — wir können einen
solchen Zustand ebeu nur als moderne Halbkultur bezeichnen. Freilich die Zahl
der Weitergehenden wird wohl immer kleiner wie die Pyramide nach oben immer
schmäler, und das Los des Werdenden immer euttnuschuugsvollcr.
Zur Rassen- und Sozialhygiene der Griechen im Altertum und in der Gegen¬
wart, Von Dr, Ferdinand .H«ppc. Mit !< Abbildungen in» Text. Wiesbaden, C. W. Krcidels
Verlag, lM7
Auf deu wenig über hundert Seiten dieses Buches ist so viel aus allen mög-
lichen Gebieten des sozialen Lebens, der Geschichte usw. des alten und des neuen
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