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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

1000000 Zugkilometer aller Züge 6,22. Die "Zahl der Unfälle" in dem
Unglückshalbjahr 1897 ist also verhältnismäßig überhaupt nicht hoch gewesen.
Dagegen war die "Zahl der verunglückten Personen" in der That verhältnis¬
mäßig sehr hoch, denn es verunglückten in den Sommerhnlbjahren

1802 1893 1894 139V 1390 1897
Reisende .... 11!" 82 70 8S IM 230
Beamte und Arbeiter 086 088 070 326 38" 4VS

Die Zahl der verunglückten Reisenden bestimmt ganz natürlich den Eindruck, den
die Unfälle auf das Publikum machen, und da der Sommer 1897 weit über das
Doppelte des Durchschnitts der vorhergehenden fünf Sommer an verunglückten
Reisenden gebracht hat, war die besondre Erregung der öffentlichen Meinung sehr
erklärlich. Aber es liegt auf der Hemd, daß nicht nach der Zahl der Verunglückten
um sich die Leistung der Verwaltung zu beurteilen ist, fondern nach der Zahl der
Unfälle. Ein einziger Unfall kann, ohne daß ein Verschulden vorliegt, die Zahl
der Verunglückten eines Halbjahrs um das Vielfache der Jahresdurchschnitte unfall¬
reicher Jahrzehnte erhöhen.

In der Denkschrift sind ferner in tabellarischen Nachweisen die Zahlen der
beförderten und der verunglückten Reisenden mit den Zahlen der Zugkilomcter
der Personenzüge in Preußen, Deutschland, Frankreich und England für die Periode
1830/97 verglichen. Setzt man die Zahl der preußischen Staatseisenbahn als 1, so
erhält man folgendes Ergebnis. Es verhalten sich zu einander

nuf den preußischen auf den Eisenbahnen
Staatseisenbahnen Deutschlands Frankreichs Englands
die Zahl der beförderten Reisenden wie . I zu 0,92 0,71 1,33
die Zahl der verunglückten Reisenden wie 1 zu 1,10 1,83 5),51

Es ist anzuerkennen, daß durch diese Zahlen der Vorwurf grober Vernach¬
lässigung der Betriebssicherheit, den die Presse gegen die preußische Staatseisen-
bahnverwaltuug erhoben hat, als ungerecht erwiesen ist, und es ist dringend zu
wünschen, daß man den mancherlei, auch wohlberechtigten, Wünschen, die seit langer
Zeit dieser Verwaltung gegenüber geltend gemacht werden, fortan nicht mehr durch
diesen ungerechten Vorwurf Nachdruck zu verleihen sucht. Ganz besonders schlecht
hat man den bekannten Beschwerden der höhern technischen Beamten der preußischen
Stcmtseiseubahneu damit gedient, daß man die Schuld an der angeblich in ärgsten
Verfall geratnen Betriebssicherheit den Juristen in der Verwaltung in die Schuhe
zu schieben suchte. Durch derartige gehässige Übertreibungen wird man nichts
bessern, wohl aber das Schlimmste, was dem Eisenbahnbetriebe überhaupt
geschehen kann, erreichen: die Untergrabung der Disziplin in der Masse der
Beamten und Arbeiter. Hierin liegt eine der größten Gefahren für die Betriebs¬
sicherheit der Eisenbahnen aller Länder. Wenn Herr von Elm und seine Helfer
die "Eisenbahner" international organisirt haben werden, dann wird es zu spät
sein, den Wert der Disziplin zu erörtern.




Maßgebliches und Unmaßgebliches

1000000 Zugkilometer aller Züge 6,22. Die „Zahl der Unfälle" in dem
Unglückshalbjahr 1897 ist also verhältnismäßig überhaupt nicht hoch gewesen.
Dagegen war die „Zahl der verunglückten Personen" in der That verhältnis¬
mäßig sehr hoch, denn es verunglückten in den Sommerhnlbjahren

1802 1893 1894 139V 1390 1897
Reisende .... 11!» 82 70 8S IM 230
Beamte und Arbeiter 086 088 070 326 38» 4VS

Die Zahl der verunglückten Reisenden bestimmt ganz natürlich den Eindruck, den
die Unfälle auf das Publikum machen, und da der Sommer 1897 weit über das
Doppelte des Durchschnitts der vorhergehenden fünf Sommer an verunglückten
Reisenden gebracht hat, war die besondre Erregung der öffentlichen Meinung sehr
erklärlich. Aber es liegt auf der Hemd, daß nicht nach der Zahl der Verunglückten
um sich die Leistung der Verwaltung zu beurteilen ist, fondern nach der Zahl der
Unfälle. Ein einziger Unfall kann, ohne daß ein Verschulden vorliegt, die Zahl
der Verunglückten eines Halbjahrs um das Vielfache der Jahresdurchschnitte unfall¬
reicher Jahrzehnte erhöhen.

In der Denkschrift sind ferner in tabellarischen Nachweisen die Zahlen der
beförderten und der verunglückten Reisenden mit den Zahlen der Zugkilomcter
der Personenzüge in Preußen, Deutschland, Frankreich und England für die Periode
1830/97 verglichen. Setzt man die Zahl der preußischen Staatseisenbahn als 1, so
erhält man folgendes Ergebnis. Es verhalten sich zu einander

nuf den preußischen auf den Eisenbahnen
Staatseisenbahnen Deutschlands Frankreichs Englands
die Zahl der beförderten Reisenden wie . I zu 0,92 0,71 1,33
die Zahl der verunglückten Reisenden wie 1 zu 1,10 1,83 5),51

Es ist anzuerkennen, daß durch diese Zahlen der Vorwurf grober Vernach¬
lässigung der Betriebssicherheit, den die Presse gegen die preußische Staatseisen-
bahnverwaltuug erhoben hat, als ungerecht erwiesen ist, und es ist dringend zu
wünschen, daß man den mancherlei, auch wohlberechtigten, Wünschen, die seit langer
Zeit dieser Verwaltung gegenüber geltend gemacht werden, fortan nicht mehr durch
diesen ungerechten Vorwurf Nachdruck zu verleihen sucht. Ganz besonders schlecht
hat man den bekannten Beschwerden der höhern technischen Beamten der preußischen
Stcmtseiseubahneu damit gedient, daß man die Schuld an der angeblich in ärgsten
Verfall geratnen Betriebssicherheit den Juristen in der Verwaltung in die Schuhe
zu schieben suchte. Durch derartige gehässige Übertreibungen wird man nichts
bessern, wohl aber das Schlimmste, was dem Eisenbahnbetriebe überhaupt
geschehen kann, erreichen: die Untergrabung der Disziplin in der Masse der
Beamten und Arbeiter. Hierin liegt eine der größten Gefahren für die Betriebs¬
sicherheit der Eisenbahnen aller Länder. Wenn Herr von Elm und seine Helfer
die „Eisenbahner" international organisirt haben werden, dann wird es zu spät
sein, den Wert der Disziplin zu erörtern.




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[0230] Maßgebliches und Unmaßgebliches 1000000 Zugkilometer aller Züge 6,22. Die „Zahl der Unfälle" in dem Unglückshalbjahr 1897 ist also verhältnismäßig überhaupt nicht hoch gewesen. Dagegen war die „Zahl der verunglückten Personen" in der That verhältnis¬ mäßig sehr hoch, denn es verunglückten in den Sommerhnlbjahren 1802 1893 1894 139V 1390 1897 Reisende .... 11!» 82 70 8S IM 230 Beamte und Arbeiter 086 088 070 326 38» 4VS Die Zahl der verunglückten Reisenden bestimmt ganz natürlich den Eindruck, den die Unfälle auf das Publikum machen, und da der Sommer 1897 weit über das Doppelte des Durchschnitts der vorhergehenden fünf Sommer an verunglückten Reisenden gebracht hat, war die besondre Erregung der öffentlichen Meinung sehr erklärlich. Aber es liegt auf der Hemd, daß nicht nach der Zahl der Verunglückten um sich die Leistung der Verwaltung zu beurteilen ist, fondern nach der Zahl der Unfälle. Ein einziger Unfall kann, ohne daß ein Verschulden vorliegt, die Zahl der Verunglückten eines Halbjahrs um das Vielfache der Jahresdurchschnitte unfall¬ reicher Jahrzehnte erhöhen. In der Denkschrift sind ferner in tabellarischen Nachweisen die Zahlen der beförderten und der verunglückten Reisenden mit den Zahlen der Zugkilomcter der Personenzüge in Preußen, Deutschland, Frankreich und England für die Periode 1830/97 verglichen. Setzt man die Zahl der preußischen Staatseisenbahn als 1, so erhält man folgendes Ergebnis. Es verhalten sich zu einander nuf den preußischen auf den Eisenbahnen Staatseisenbahnen Deutschlands Frankreichs Englands die Zahl der beförderten Reisenden wie . I zu 0,92 0,71 1,33 die Zahl der verunglückten Reisenden wie 1 zu 1,10 1,83 5),51 Es ist anzuerkennen, daß durch diese Zahlen der Vorwurf grober Vernach¬ lässigung der Betriebssicherheit, den die Presse gegen die preußische Staatseisen- bahnverwaltuug erhoben hat, als ungerecht erwiesen ist, und es ist dringend zu wünschen, daß man den mancherlei, auch wohlberechtigten, Wünschen, die seit langer Zeit dieser Verwaltung gegenüber geltend gemacht werden, fortan nicht mehr durch diesen ungerechten Vorwurf Nachdruck zu verleihen sucht. Ganz besonders schlecht hat man den bekannten Beschwerden der höhern technischen Beamten der preußischen Stcmtseiseubahneu damit gedient, daß man die Schuld an der angeblich in ärgsten Verfall geratnen Betriebssicherheit den Juristen in der Verwaltung in die Schuhe zu schieben suchte. Durch derartige gehässige Übertreibungen wird man nichts bessern, wohl aber das Schlimmste, was dem Eisenbahnbetriebe überhaupt geschehen kann, erreichen: die Untergrabung der Disziplin in der Masse der Beamten und Arbeiter. Hierin liegt eine der größten Gefahren für die Betriebs¬ sicherheit der Eisenbahnen aller Länder. Wenn Herr von Elm und seine Helfer die „Eisenbahner" international organisirt haben werden, dann wird es zu spät sein, den Wert der Disziplin zu erörtern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/230>, abgerufen am 07.01.2025.