Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.Endlich den Beruf gefunden (Fortsetzung) it der den Russen freundlichen Politik schien es mir zusammen¬ *) Germanisation im ethnologischen Sinne ist überhaupt nicht möglich, man kann aus
Slawen so wenig Germanen machen wie aus Katzen Hunde; man bekommt deutschredende Slawen und erzielt dann später durch Mischung eine weitere Verdünnung des so schon stark verdünnten deutschen Blutes. Endlich den Beruf gefunden (Fortsetzung) it der den Russen freundlichen Politik schien es mir zusammen¬ *) Germanisation im ethnologischen Sinne ist überhaupt nicht möglich, man kann aus
Slawen so wenig Germanen machen wie aus Katzen Hunde; man bekommt deutschredende Slawen und erzielt dann später durch Mischung eine weitere Verdünnung des so schon stark verdünnten deutschen Blutes. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0572" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226802"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341865_226231/figures/grenzboten_341865_226231_226802_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Endlich den Beruf gefunden<lb/> (Fortsetzung) </head><lb/> <p xml:id="ID_1391" next="#ID_1392"> it der den Russen freundlichen Politik schien es mir zusammen¬<lb/> zuhängen, daß damals der Freisinn in höherm Maße Gegenstand<lb/> polizeilicher und staatsanwaltlicher Fürsorge zu sein schien als die<lb/> Katholiken und die Sozialdemokraten, sodaß Bismarck seinen Wunsch,<lb/> sie durch ein paar Dutzend Sozialdemokraten ersetzt zu bekommen,<lb/> gar bald erfüllt sah. Auch die Maßregel« gegen die Polen schienen mir mit<lb/> der Nnssenfreundschaft aufs engste zusammenzuhängen; spater hat diese meine<lb/> Ansicht aus dem allerkompetentesteu Munde eine überraschende Bestätigung<lb/> erfahren. Daß ich kein Freund polnischer Wirtschaft und kein Liebhaber<lb/> polnischer Nationaleigenschaften bin, und aus welchen Gründen ich dennoch<lb/> das in den polnischen Provinzen eingeschlagne Verfahren verurteile, habe ich<lb/> später auch in den Grenzboten und in dem Buche „Weder Kommunismus<lb/> noch Kapitalismus" auseinandergesetzt. Von dem damals gesagten will ich<lb/> nur zweierlei kurz wiederholen. Entweder gelingt die Germcmisation,*) oder sie<lb/> gelingt nicht. Gelingt sie, so haben wir die den ostelbischcn Gutsbesitzern so<lb/> unentbehrlichen willigen, billigen und anspruchslosen Hörigen in anspruchsvolle<lb/> Sozialdemokraten und fähige Konkurrenten verwandelt; gelingt sie nicht, so<lb/> haben wir nichts erzielt als unauslöschlichen Haß in den Herzen der preußischen<lb/> Unterthanen polnischer Zunge. Wahrscheinlich aber, das ist das andre, wird<lb/> sie nicht gelingen, und zwar ganz abgesehen von der Unzweckmäßigkeit der<lb/> angewandten Mittel deshalb nicht, weil die Assimilirung von Völkern andrer<lb/> Nationalität immer nur in solchen Zeiten gelingt, wo der nationale Gegen¬<lb/> satz den Leuten gleichgiltig ist und zwischen den fraglichen Nationen keine<lb/> Feindschaft besteht. So haben die Slawen Mittel- und Niederschlesiens,<lb/> der Lausitz und Sachsens ganz von selbst allmählich die deutsche Sprache,<lb/> deutsche Sitten und Einrichtungen angenommen, weil es ihnen vorteilhaft<lb/> schien, und weil ihnen das deutsche Wesen besser gefiel als ihr eignes. Vor</p><lb/> <note xml:id="FID_77" place="foot"> *) Germanisation im ethnologischen Sinne ist überhaupt nicht möglich, man kann aus<lb/> Slawen so wenig Germanen machen wie aus Katzen Hunde; man bekommt deutschredende<lb/> Slawen und erzielt dann später durch Mischung eine weitere Verdünnung des so schon stark<lb/> verdünnten deutschen Blutes.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0572]
[Abbildung]
Endlich den Beruf gefunden
(Fortsetzung)
it der den Russen freundlichen Politik schien es mir zusammen¬
zuhängen, daß damals der Freisinn in höherm Maße Gegenstand
polizeilicher und staatsanwaltlicher Fürsorge zu sein schien als die
Katholiken und die Sozialdemokraten, sodaß Bismarck seinen Wunsch,
sie durch ein paar Dutzend Sozialdemokraten ersetzt zu bekommen,
gar bald erfüllt sah. Auch die Maßregel« gegen die Polen schienen mir mit
der Nnssenfreundschaft aufs engste zusammenzuhängen; spater hat diese meine
Ansicht aus dem allerkompetentesteu Munde eine überraschende Bestätigung
erfahren. Daß ich kein Freund polnischer Wirtschaft und kein Liebhaber
polnischer Nationaleigenschaften bin, und aus welchen Gründen ich dennoch
das in den polnischen Provinzen eingeschlagne Verfahren verurteile, habe ich
später auch in den Grenzboten und in dem Buche „Weder Kommunismus
noch Kapitalismus" auseinandergesetzt. Von dem damals gesagten will ich
nur zweierlei kurz wiederholen. Entweder gelingt die Germcmisation,*) oder sie
gelingt nicht. Gelingt sie, so haben wir die den ostelbischcn Gutsbesitzern so
unentbehrlichen willigen, billigen und anspruchslosen Hörigen in anspruchsvolle
Sozialdemokraten und fähige Konkurrenten verwandelt; gelingt sie nicht, so
haben wir nichts erzielt als unauslöschlichen Haß in den Herzen der preußischen
Unterthanen polnischer Zunge. Wahrscheinlich aber, das ist das andre, wird
sie nicht gelingen, und zwar ganz abgesehen von der Unzweckmäßigkeit der
angewandten Mittel deshalb nicht, weil die Assimilirung von Völkern andrer
Nationalität immer nur in solchen Zeiten gelingt, wo der nationale Gegen¬
satz den Leuten gleichgiltig ist und zwischen den fraglichen Nationen keine
Feindschaft besteht. So haben die Slawen Mittel- und Niederschlesiens,
der Lausitz und Sachsens ganz von selbst allmählich die deutsche Sprache,
deutsche Sitten und Einrichtungen angenommen, weil es ihnen vorteilhaft
schien, und weil ihnen das deutsche Wesen besser gefiel als ihr eignes. Vor
*) Germanisation im ethnologischen Sinne ist überhaupt nicht möglich, man kann aus
Slawen so wenig Germanen machen wie aus Katzen Hunde; man bekommt deutschredende
Slawen und erzielt dann später durch Mischung eine weitere Verdünnung des so schon stark
verdünnten deutschen Blutes.
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