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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Zu dem Streit über die preußische Ltaatseisenbahuverwaltung

hervorheben. Sie braucht den Anspruch Schacks, ein Idealist zu heißen, nicht
in Abrede zu stellen, aber sie muß sich immer bewußt bleiben, daß der Ur¬
sprung wie die besondre Art seines Idealismus die Gefahr des Akademismus
einschließt.




Zu dem Streit über die preußische Staatseisenbahn-
verwaltung

le zahlreichen Eisenbahnunfälle, von denen der Betrieb der
preußischen Staatseisenbahnverwaltung in jüngster Zeit betroffen
worden ist, haben zu mancherlei Tadel Anlaß gegeben. Zum
Teil ist dieser Tadel gewiß berechtigt, aber vielfach schießt er
doch weit über das Ziel hinaus oder setzt an falscher Stelle
ein. Man sollte zunächst immer bedenken, daß sich ein ursächlicher Zu¬
sammenhang der einzelnen Unfälle und vollends der ihrer besondern Häufig¬
keit in einem bestimmten kurzen Zeitraum mit Fehlern der Verwaltung und
ihrer Organisation ini allgemeinem sehr schwer nachweisen läßt. Man wird
mit Vorwürfen sehr zurückhaltend sein müssen, um nicht ungerecht zu verur¬
teilen, solange nicht nachgewiesen ist, daß die Zahl der Unfälle gegen früher
und im Vergleich zu andern Verwaltungen auffallend und dauernd zunimmt,
und das ist bisher nicht der Fall. Jedenfalls hat man kein Recht, gegen die
jüngsten Unfälle, wie in der Presse geschehen ist, den sogenannten Asfesforismus
und das Unteroffiziertum bei deu preußischen Staatöbahnen auszuspielen.
Solch unberechtigter Tadel hemmt eher die nötigen Reformen, als daß er sie
förderte. Die Übertreibungen und Einseitigkeiten der Angriffe gegen die be¬
stehende Organisation haben leider schon seit Jahren viel dazu beigetragen,
auch die berechtigte Kritik des wünschenswerten Erfolgs zu berauben.

Dem Asfesforismus, d. h, der zur Zeit bestehenden großen Bevorzugung
der juristisch vorgebildeten Beamten in der Eisenbahnverwaltung wollen wir
gewiß nicht das Wort reden. Man könnte im allgemeinen auf diese Vor¬
bildung als Erfordernis für den höhern Eisenbahnverwaltnngsdienst ver¬
zichten mit alleiniger Ausnahme der wenigen obern Stellen, in denen, ähnlich
wie es in der höhern politischen Verwaltung die Regel ist, die zu lösenden
Verwaltungsaufgaben wesentlich mit Entscheidungen über entgegengesetzte
außerhalb des Verwaltuugsbetriebs hervortretende oder berührte Interessen
verknüpft sind. Vou der Ausübung von Disziplinarbcfuguisfen und von
der Entscheidung über persönliche Jttteresfengegensätze innerhalb des Betriebes


Zu dem Streit über die preußische Ltaatseisenbahuverwaltung

hervorheben. Sie braucht den Anspruch Schacks, ein Idealist zu heißen, nicht
in Abrede zu stellen, aber sie muß sich immer bewußt bleiben, daß der Ur¬
sprung wie die besondre Art seines Idealismus die Gefahr des Akademismus
einschließt.




Zu dem Streit über die preußische Staatseisenbahn-
verwaltung

le zahlreichen Eisenbahnunfälle, von denen der Betrieb der
preußischen Staatseisenbahnverwaltung in jüngster Zeit betroffen
worden ist, haben zu mancherlei Tadel Anlaß gegeben. Zum
Teil ist dieser Tadel gewiß berechtigt, aber vielfach schießt er
doch weit über das Ziel hinaus oder setzt an falscher Stelle
ein. Man sollte zunächst immer bedenken, daß sich ein ursächlicher Zu¬
sammenhang der einzelnen Unfälle und vollends der ihrer besondern Häufig¬
keit in einem bestimmten kurzen Zeitraum mit Fehlern der Verwaltung und
ihrer Organisation ini allgemeinem sehr schwer nachweisen läßt. Man wird
mit Vorwürfen sehr zurückhaltend sein müssen, um nicht ungerecht zu verur¬
teilen, solange nicht nachgewiesen ist, daß die Zahl der Unfälle gegen früher
und im Vergleich zu andern Verwaltungen auffallend und dauernd zunimmt,
und das ist bisher nicht der Fall. Jedenfalls hat man kein Recht, gegen die
jüngsten Unfälle, wie in der Presse geschehen ist, den sogenannten Asfesforismus
und das Unteroffiziertum bei deu preußischen Staatöbahnen auszuspielen.
Solch unberechtigter Tadel hemmt eher die nötigen Reformen, als daß er sie
förderte. Die Übertreibungen und Einseitigkeiten der Angriffe gegen die be¬
stehende Organisation haben leider schon seit Jahren viel dazu beigetragen,
auch die berechtigte Kritik des wünschenswerten Erfolgs zu berauben.

Dem Asfesforismus, d. h, der zur Zeit bestehenden großen Bevorzugung
der juristisch vorgebildeten Beamten in der Eisenbahnverwaltung wollen wir
gewiß nicht das Wort reden. Man könnte im allgemeinen auf diese Vor¬
bildung als Erfordernis für den höhern Eisenbahnverwaltnngsdienst ver¬
zichten mit alleiniger Ausnahme der wenigen obern Stellen, in denen, ähnlich
wie es in der höhern politischen Verwaltung die Regel ist, die zu lösenden
Verwaltungsaufgaben wesentlich mit Entscheidungen über entgegengesetzte
außerhalb des Verwaltuugsbetriebs hervortretende oder berührte Interessen
verknüpft sind. Vou der Ausübung von Disziplinarbcfuguisfen und von
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[0567] Zu dem Streit über die preußische Ltaatseisenbahuverwaltung hervorheben. Sie braucht den Anspruch Schacks, ein Idealist zu heißen, nicht in Abrede zu stellen, aber sie muß sich immer bewußt bleiben, daß der Ur¬ sprung wie die besondre Art seines Idealismus die Gefahr des Akademismus einschließt. Zu dem Streit über die preußische Staatseisenbahn- verwaltung le zahlreichen Eisenbahnunfälle, von denen der Betrieb der preußischen Staatseisenbahnverwaltung in jüngster Zeit betroffen worden ist, haben zu mancherlei Tadel Anlaß gegeben. Zum Teil ist dieser Tadel gewiß berechtigt, aber vielfach schießt er doch weit über das Ziel hinaus oder setzt an falscher Stelle ein. Man sollte zunächst immer bedenken, daß sich ein ursächlicher Zu¬ sammenhang der einzelnen Unfälle und vollends der ihrer besondern Häufig¬ keit in einem bestimmten kurzen Zeitraum mit Fehlern der Verwaltung und ihrer Organisation ini allgemeinem sehr schwer nachweisen läßt. Man wird mit Vorwürfen sehr zurückhaltend sein müssen, um nicht ungerecht zu verur¬ teilen, solange nicht nachgewiesen ist, daß die Zahl der Unfälle gegen früher und im Vergleich zu andern Verwaltungen auffallend und dauernd zunimmt, und das ist bisher nicht der Fall. Jedenfalls hat man kein Recht, gegen die jüngsten Unfälle, wie in der Presse geschehen ist, den sogenannten Asfesforismus und das Unteroffiziertum bei deu preußischen Staatöbahnen auszuspielen. Solch unberechtigter Tadel hemmt eher die nötigen Reformen, als daß er sie förderte. Die Übertreibungen und Einseitigkeiten der Angriffe gegen die be¬ stehende Organisation haben leider schon seit Jahren viel dazu beigetragen, auch die berechtigte Kritik des wünschenswerten Erfolgs zu berauben. Dem Asfesforismus, d. h, der zur Zeit bestehenden großen Bevorzugung der juristisch vorgebildeten Beamten in der Eisenbahnverwaltung wollen wir gewiß nicht das Wort reden. Man könnte im allgemeinen auf diese Vor¬ bildung als Erfordernis für den höhern Eisenbahnverwaltnngsdienst ver¬ zichten mit alleiniger Ausnahme der wenigen obern Stellen, in denen, ähnlich wie es in der höhern politischen Verwaltung die Regel ist, die zu lösenden Verwaltungsaufgaben wesentlich mit Entscheidungen über entgegengesetzte außerhalb des Verwaltuugsbetriebs hervortretende oder berührte Interessen verknüpft sind. Vou der Ausübung von Disziplinarbcfuguisfen und von der Entscheidung über persönliche Jttteresfengegensätze innerhalb des Betriebes

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/567>, abgerufen am 27.12.2024.