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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Zu dein Streit über die preußische Staatseisenbahnverwaltung

oder von der juristischen Vertretung des Eisenbahufiskus und der Eisenbahn¬
verwaltung, also von den Arbeiten sogenannter Syndici, ist hier überhaupt
nicht zu reden.

Es ist uns niemals bekannt geworden, daß Juristen zur Eisenbahn über¬
getreten wären, weil sie dort für ihre juristischen Fähigkeiten und Kenntnisse
el" geeignetes Feld erwartet hätten, und wenn erfreulicherweise recht viele
frühere Juristen im Eisenbahndienst hervorragendes geleistet haben, so hatten
sie das nach unsern Ersahrungen so gut wie niemals einer ausgezeichneten
juristischen Befähigung zu verdanken, sondern sie waren eben für diese Art
von Arbeiten von Haus aus besonders beanlagt, hatten meistens praktisches
Organisationstalent und hätten als Juristen vielleicht recht mäßiges geleistet.
Dabei bestreiten wir nicht, daß die Vorbildung bis zum Assessor den spätern
jungen Eisenbahnverwaltungsbcamten eine in vielen Beziehungen treffliche
Unterlage geben kam?, auf der sie sich verhältnismäßig leicht in ihr neues
Fach einarbeiten können; aber wir möchten diese juristische Unterlage doch im
Hinblick auf die Aufgaben des Eisenbahndienstes nicht viel höher schätzen als
die Kenntnisse, die sich ein Mensch mit guter Allgemeinbildung, zum Beispiel
im Speditivnsfach und andern kaufmännischen Fächern oder auch im Post-
dienst, als Offizier, als Architekt und als Ingenieur bis zu seinem fünfund-
zwanzigsten oder dreißigsten Jahre erwerben kann.

Mit der Gegenüberstellung der Juristen und der Techniker wird die
brennendste Streit- und Zeitfrage auf unserm Gebiete berührt. Hie Assessor!
hie Baumeister! lautet das Feldgeschrei in dem etwas einseitig geführten An¬
griffskriege gegen die bestehende Organisation. Von andern Vorbildungsarten
sprechen die Angreifer nie, sie halten sie wohl überhaupt für ganz undenkbar.
Will man in diesem unerquicklichen Streit ein einigermaßen unparteiisches
Urteil gewinnen, so ist vor allem eins nicht aus den Augen zu verlieren.
Der Baumeister, der eine große Spinnerei oder Weberei oder eine chemische
Fabrik baut, und der Ingenieur, der die Maschine" dazu liefert, aufstellt und
imstande hält, ist nicht ohne weiteres zur Verwaltung, der technischen wie
der kaufmännische", eines solchen Etablissements befähigt. Kaum anders steht
es in der Eiseubahnverwaltung. Weder der Architekt noch der Maschinen¬
ingenieur bringt als solcher mit der bestandnen Staatsprüfung eine besondre
Schulung für den höhern Verwaltungsdienst mit in den Eisenbahndienst. Er
ist der sachverständige Hersteller, Pfleger und Beurteiler der Betriebsanlagen
und Betriebsmittel, aber die Kunst, den Betrieb selbst seinen Zwecken ent¬
sprechend zu leiten, also die eigentliche Verwaltung, hat er nicht gelernt. Sein
Fach bleibt immer ein Hilfsfach, es setzt seinem Wesen nach eine über ihm
stehende Betriebsleitung voraus. Nun ist freilich die Kenntnis der Herstellung
und Erhaltung der Vetriebsanlcigen und Betriebsmittel und die fachmännische
Beurteilung ihrer mechanischen Leistungsfähigkeit hier von so hohem Wert


Zu dein Streit über die preußische Staatseisenbahnverwaltung

oder von der juristischen Vertretung des Eisenbahufiskus und der Eisenbahn¬
verwaltung, also von den Arbeiten sogenannter Syndici, ist hier überhaupt
nicht zu reden.

Es ist uns niemals bekannt geworden, daß Juristen zur Eisenbahn über¬
getreten wären, weil sie dort für ihre juristischen Fähigkeiten und Kenntnisse
el» geeignetes Feld erwartet hätten, und wenn erfreulicherweise recht viele
frühere Juristen im Eisenbahndienst hervorragendes geleistet haben, so hatten
sie das nach unsern Ersahrungen so gut wie niemals einer ausgezeichneten
juristischen Befähigung zu verdanken, sondern sie waren eben für diese Art
von Arbeiten von Haus aus besonders beanlagt, hatten meistens praktisches
Organisationstalent und hätten als Juristen vielleicht recht mäßiges geleistet.
Dabei bestreiten wir nicht, daß die Vorbildung bis zum Assessor den spätern
jungen Eisenbahnverwaltungsbcamten eine in vielen Beziehungen treffliche
Unterlage geben kam?, auf der sie sich verhältnismäßig leicht in ihr neues
Fach einarbeiten können; aber wir möchten diese juristische Unterlage doch im
Hinblick auf die Aufgaben des Eisenbahndienstes nicht viel höher schätzen als
die Kenntnisse, die sich ein Mensch mit guter Allgemeinbildung, zum Beispiel
im Speditivnsfach und andern kaufmännischen Fächern oder auch im Post-
dienst, als Offizier, als Architekt und als Ingenieur bis zu seinem fünfund-
zwanzigsten oder dreißigsten Jahre erwerben kann.

Mit der Gegenüberstellung der Juristen und der Techniker wird die
brennendste Streit- und Zeitfrage auf unserm Gebiete berührt. Hie Assessor!
hie Baumeister! lautet das Feldgeschrei in dem etwas einseitig geführten An¬
griffskriege gegen die bestehende Organisation. Von andern Vorbildungsarten
sprechen die Angreifer nie, sie halten sie wohl überhaupt für ganz undenkbar.
Will man in diesem unerquicklichen Streit ein einigermaßen unparteiisches
Urteil gewinnen, so ist vor allem eins nicht aus den Augen zu verlieren.
Der Baumeister, der eine große Spinnerei oder Weberei oder eine chemische
Fabrik baut, und der Ingenieur, der die Maschine» dazu liefert, aufstellt und
imstande hält, ist nicht ohne weiteres zur Verwaltung, der technischen wie
der kaufmännische», eines solchen Etablissements befähigt. Kaum anders steht
es in der Eiseubahnverwaltung. Weder der Architekt noch der Maschinen¬
ingenieur bringt als solcher mit der bestandnen Staatsprüfung eine besondre
Schulung für den höhern Verwaltungsdienst mit in den Eisenbahndienst. Er
ist der sachverständige Hersteller, Pfleger und Beurteiler der Betriebsanlagen
und Betriebsmittel, aber die Kunst, den Betrieb selbst seinen Zwecken ent¬
sprechend zu leiten, also die eigentliche Verwaltung, hat er nicht gelernt. Sein
Fach bleibt immer ein Hilfsfach, es setzt seinem Wesen nach eine über ihm
stehende Betriebsleitung voraus. Nun ist freilich die Kenntnis der Herstellung
und Erhaltung der Vetriebsanlcigen und Betriebsmittel und die fachmännische
Beurteilung ihrer mechanischen Leistungsfähigkeit hier von so hohem Wert


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[0568] Zu dein Streit über die preußische Staatseisenbahnverwaltung oder von der juristischen Vertretung des Eisenbahufiskus und der Eisenbahn¬ verwaltung, also von den Arbeiten sogenannter Syndici, ist hier überhaupt nicht zu reden. Es ist uns niemals bekannt geworden, daß Juristen zur Eisenbahn über¬ getreten wären, weil sie dort für ihre juristischen Fähigkeiten und Kenntnisse el» geeignetes Feld erwartet hätten, und wenn erfreulicherweise recht viele frühere Juristen im Eisenbahndienst hervorragendes geleistet haben, so hatten sie das nach unsern Ersahrungen so gut wie niemals einer ausgezeichneten juristischen Befähigung zu verdanken, sondern sie waren eben für diese Art von Arbeiten von Haus aus besonders beanlagt, hatten meistens praktisches Organisationstalent und hätten als Juristen vielleicht recht mäßiges geleistet. Dabei bestreiten wir nicht, daß die Vorbildung bis zum Assessor den spätern jungen Eisenbahnverwaltungsbcamten eine in vielen Beziehungen treffliche Unterlage geben kam?, auf der sie sich verhältnismäßig leicht in ihr neues Fach einarbeiten können; aber wir möchten diese juristische Unterlage doch im Hinblick auf die Aufgaben des Eisenbahndienstes nicht viel höher schätzen als die Kenntnisse, die sich ein Mensch mit guter Allgemeinbildung, zum Beispiel im Speditivnsfach und andern kaufmännischen Fächern oder auch im Post- dienst, als Offizier, als Architekt und als Ingenieur bis zu seinem fünfund- zwanzigsten oder dreißigsten Jahre erwerben kann. Mit der Gegenüberstellung der Juristen und der Techniker wird die brennendste Streit- und Zeitfrage auf unserm Gebiete berührt. Hie Assessor! hie Baumeister! lautet das Feldgeschrei in dem etwas einseitig geführten An¬ griffskriege gegen die bestehende Organisation. Von andern Vorbildungsarten sprechen die Angreifer nie, sie halten sie wohl überhaupt für ganz undenkbar. Will man in diesem unerquicklichen Streit ein einigermaßen unparteiisches Urteil gewinnen, so ist vor allem eins nicht aus den Augen zu verlieren. Der Baumeister, der eine große Spinnerei oder Weberei oder eine chemische Fabrik baut, und der Ingenieur, der die Maschine» dazu liefert, aufstellt und imstande hält, ist nicht ohne weiteres zur Verwaltung, der technischen wie der kaufmännische», eines solchen Etablissements befähigt. Kaum anders steht es in der Eiseubahnverwaltung. Weder der Architekt noch der Maschinen¬ ingenieur bringt als solcher mit der bestandnen Staatsprüfung eine besondre Schulung für den höhern Verwaltungsdienst mit in den Eisenbahndienst. Er ist der sachverständige Hersteller, Pfleger und Beurteiler der Betriebsanlagen und Betriebsmittel, aber die Kunst, den Betrieb selbst seinen Zwecken ent¬ sprechend zu leiten, also die eigentliche Verwaltung, hat er nicht gelernt. Sein Fach bleibt immer ein Hilfsfach, es setzt seinem Wesen nach eine über ihm stehende Betriebsleitung voraus. Nun ist freilich die Kenntnis der Herstellung und Erhaltung der Vetriebsanlcigen und Betriebsmittel und die fachmännische Beurteilung ihrer mechanischen Leistungsfähigkeit hier von so hohem Wert

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/568>, abgerufen am 24.07.2024.