Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.Einiges von der deutschen Rechtseinheit Damit wird es künftig anders werden. Im März 1896 ist in Eisenach*) Seitdem hatte sich natürlich in der juristischen Welt ein heftiger Streit 7 Die wichtigste Seite der Frage ist und bleibt immer wieder das Ver¬ *) Vgl. Friedberg, Die künftige Gestaltung des deutschen Rochtsstudiums nach den Be¬
schlüssen der Eisenacher Konferenz, Leipzig, 1896. Einiges von der deutschen Rechtseinheit Damit wird es künftig anders werden. Im März 1896 ist in Eisenach*) Seitdem hatte sich natürlich in der juristischen Welt ein heftiger Streit 7 Die wichtigste Seite der Frage ist und bleibt immer wieder das Ver¬ *) Vgl. Friedberg, Die künftige Gestaltung des deutschen Rochtsstudiums nach den Be¬
schlüssen der Eisenacher Konferenz, Leipzig, 1896. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0557" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226143"/> <fw type="header" place="top"> Einiges von der deutschen Rechtseinheit</fw><lb/> <p xml:id="ID_1402"> Damit wird es künftig anders werden. Im März 1896 ist in Eisenach*)<lb/> eine Konferenz sämtlicher deutschen Rechtsfakultäten (mit Ausnahme von Stra߬<lb/> burg) zusammengetreten, um über die künftige Gestaltung des deutschen Rechts¬<lb/> studiums zu beraten; fünfundsechzig ordentliche juristische Professoren waren<lb/> erschienen, und es wird in dem angeführten Bericht ausdrücklich hervor¬<lb/> gehoben, daß auch die Mitglieder des Kongresses, die sich als Gegner des<lb/> Entwurfs bethätigt hatten, sich doch „voll und ganz"(!) auf den Boden des<lb/> Gesetzbuches gestellt haben, sobald dieses vorliegen werde. Nach den Be¬<lb/> schlüssen der Konferenz soll „das bürgerliche Gesetzbuch in Zukunft als das<lb/> Zentrum der privatrechtlichen Studien angesehen werden," und das römische<lb/> Recht wird in eine „propädeutische" Vorlesung über die römisch-rechtlichen<lb/> Grundlagen des geltenden Rechts verwiesen. Diese Rolle wird man dem<lb/> römischen Recht auf der Universität umso unbedenklicher gönnen dürfen, als<lb/> daneben eine gleiche Vorlesung über die deutsch-rechtlichen Grundlagen gestellt<lb/> wird. Die Bedeutung dieser Beschlüsse liegt darin, daß sie einstimmig gefaßt<lb/> worden sind; nach dem Schlußwort des Berichts ist „die Eisencicher Konferenz<lb/> der deutschen Rechtslehrer von dem Gefühle durchdrungen gewesen, durch die<lb/> von ihr mit einer in den Annalen der deutschen Universitäten noch nie da¬<lb/> gewesenen Einmütigkeit gefaßten Beschlüsse eine wichtige und eine nationale<lb/> That vollbracht zu haben." Abgesehen vom Satzbau, wird man das uur<lb/> freudig unterschreiben können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1403"> Seitdem hatte sich natürlich in der juristischen Welt ein heftiger Streit<lb/> darüber erhoben, wie weit man das römische Recht für die Ausbildung des<lb/> jungen Juristen entbehren könne. Aber auch dieser Streit gehört schon der<lb/> Vergangenheit an; durch die allgemeine Verfügung vom 18. Januar 1397,<lb/> betreffend die erste juristische Prüfung, hat der Justizminister die Beschlüsse<lb/> der Eisenacher Konferenz als Erfordernisse eines „ordnungsmäßigen Rechts¬<lb/> studiums" anerkannt und sie damit praktisch zur maßgebenden Grundlage<lb/> für die Gestaltung des künftigen Lehrplans der preußischen Universitäten ge¬<lb/> macht.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> 7</head><lb/> <p xml:id="ID_1404" next="#ID_1405"> Die wichtigste Seite der Frage ist und bleibt immer wieder das Ver¬<lb/> hältnis des bürgerlichen Gesetzbuchs zum deutschen Volkstum, die Frage, in¬<lb/> wiefern die Rechtseinheit dazu beitragen wird, die Entfremdung zwischen der<lb/> Jurisprudenz, hauptsächlich der privatrechtlichen, und der in ungelehrten<lb/> Kreisen sich äußernden „Volksseele" zu beseitigen. Die Thatsache dieser Ent¬<lb/> fremdung steht seit der Rezeption außer Zweifel: das Allgemeine Landrecht<lb/> ist gewiß sowohl seiner Sprache als seinem Geiste nach volkstümlich im besten</p><lb/> <note xml:id="FID_59" place="foot"> *) Vgl. Friedberg, Die künftige Gestaltung des deutschen Rochtsstudiums nach den Be¬<lb/> schlüssen der Eisenacher Konferenz, Leipzig, 1896.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0557]
Einiges von der deutschen Rechtseinheit
Damit wird es künftig anders werden. Im März 1896 ist in Eisenach*)
eine Konferenz sämtlicher deutschen Rechtsfakultäten (mit Ausnahme von Stra߬
burg) zusammengetreten, um über die künftige Gestaltung des deutschen Rechts¬
studiums zu beraten; fünfundsechzig ordentliche juristische Professoren waren
erschienen, und es wird in dem angeführten Bericht ausdrücklich hervor¬
gehoben, daß auch die Mitglieder des Kongresses, die sich als Gegner des
Entwurfs bethätigt hatten, sich doch „voll und ganz"(!) auf den Boden des
Gesetzbuches gestellt haben, sobald dieses vorliegen werde. Nach den Be¬
schlüssen der Konferenz soll „das bürgerliche Gesetzbuch in Zukunft als das
Zentrum der privatrechtlichen Studien angesehen werden," und das römische
Recht wird in eine „propädeutische" Vorlesung über die römisch-rechtlichen
Grundlagen des geltenden Rechts verwiesen. Diese Rolle wird man dem
römischen Recht auf der Universität umso unbedenklicher gönnen dürfen, als
daneben eine gleiche Vorlesung über die deutsch-rechtlichen Grundlagen gestellt
wird. Die Bedeutung dieser Beschlüsse liegt darin, daß sie einstimmig gefaßt
worden sind; nach dem Schlußwort des Berichts ist „die Eisencicher Konferenz
der deutschen Rechtslehrer von dem Gefühle durchdrungen gewesen, durch die
von ihr mit einer in den Annalen der deutschen Universitäten noch nie da¬
gewesenen Einmütigkeit gefaßten Beschlüsse eine wichtige und eine nationale
That vollbracht zu haben." Abgesehen vom Satzbau, wird man das uur
freudig unterschreiben können.
Seitdem hatte sich natürlich in der juristischen Welt ein heftiger Streit
darüber erhoben, wie weit man das römische Recht für die Ausbildung des
jungen Juristen entbehren könne. Aber auch dieser Streit gehört schon der
Vergangenheit an; durch die allgemeine Verfügung vom 18. Januar 1397,
betreffend die erste juristische Prüfung, hat der Justizminister die Beschlüsse
der Eisenacher Konferenz als Erfordernisse eines „ordnungsmäßigen Rechts¬
studiums" anerkannt und sie damit praktisch zur maßgebenden Grundlage
für die Gestaltung des künftigen Lehrplans der preußischen Universitäten ge¬
macht.
7
Die wichtigste Seite der Frage ist und bleibt immer wieder das Ver¬
hältnis des bürgerlichen Gesetzbuchs zum deutschen Volkstum, die Frage, in¬
wiefern die Rechtseinheit dazu beitragen wird, die Entfremdung zwischen der
Jurisprudenz, hauptsächlich der privatrechtlichen, und der in ungelehrten
Kreisen sich äußernden „Volksseele" zu beseitigen. Die Thatsache dieser Ent¬
fremdung steht seit der Rezeption außer Zweifel: das Allgemeine Landrecht
ist gewiß sowohl seiner Sprache als seinem Geiste nach volkstümlich im besten
*) Vgl. Friedberg, Die künftige Gestaltung des deutschen Rochtsstudiums nach den Be¬
schlüssen der Eisenacher Konferenz, Leipzig, 1896.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |