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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Die Alten und die Jungen in der Flottenfrage

Wor etwa einem halben Jahrhundert, als Prinz Adalbert von
Preußen mit klarem Blick kräftig für die Schaffung einer selb¬
ständigen Flotte eintrat, begann eine Denkschrift eines Generals
über Marineangelegenheiten mit den Worten: "Da das Wasser
bekanntlich nicht unser Element ist." Man sollte nun denken,
daß man im deutschen Reiche heute doch überall etwas weiter gekommen sei.
Die Zunahme der Gewerbthätigkeit im ganzen Lande, der riesig entwickelte
Weltverkehr hat ja inzwischen besonders dem jüngern Geschlecht über die Be¬
deutung der Seemacht die Augen geöffnet. Aber unter den Graubärten, die
die Entwicklung Preußens und Deutschlands zur ersten Landmacht des euro¬
päischen Festlandes miterlebt und miterstrcbt oder miterstritten haben, sind doch
immer noch einzelne auf ihre militärischen Lorbeer" so stolz, daß sie meinen,
die Zukunft des Reichs sei durch die Landmacht allein hinreichend gesichert.
Den Ansichten dieser Alten, die in ihrer Jugend den Traum von einer starken
deutschen Flotte noch nicht mitträumten, sondern die von Kindesbeinen an in
dem Soldaten den einzigen Vaterlandsverteidiger sahen, giebt ein langer Aufsatz
der Schlesischen Volkszeitung vom 15. Juli Ausdruck: "Zur Marinefrage."
Der Verfasser unterzeichnet sich mit dem astrologischen Zeichen für den Pla¬
neten Mars. Abgesehen von einigen parteipolitischer, also unschönen Schach¬
zügen atmet der Aufsatz Überzeugungstreue und ist in ruhigem Ton gehalten:
zwei schätzenswerte Eigenschaften, die bei den Gegnern der Flotte bisher recht
selten zu finden waren und deshalb umso angenehmer berühren. Dabei ist er
aber voll von Irrtümern.

Mars irrt sich gleich zu Anfang, wenn er sagt, daß schon in der nächsten
Session des Reichstags sehr starke Forderungen für die Marine an das Land
herantreten würden. Einmalige sehr starke Bewilligungen können der Marine


Grenzboten III 1807 31


Die Alten und die Jungen in der Flottenfrage

Wor etwa einem halben Jahrhundert, als Prinz Adalbert von
Preußen mit klarem Blick kräftig für die Schaffung einer selb¬
ständigen Flotte eintrat, begann eine Denkschrift eines Generals
über Marineangelegenheiten mit den Worten: „Da das Wasser
bekanntlich nicht unser Element ist." Man sollte nun denken,
daß man im deutschen Reiche heute doch überall etwas weiter gekommen sei.
Die Zunahme der Gewerbthätigkeit im ganzen Lande, der riesig entwickelte
Weltverkehr hat ja inzwischen besonders dem jüngern Geschlecht über die Be¬
deutung der Seemacht die Augen geöffnet. Aber unter den Graubärten, die
die Entwicklung Preußens und Deutschlands zur ersten Landmacht des euro¬
päischen Festlandes miterlebt und miterstrcbt oder miterstritten haben, sind doch
immer noch einzelne auf ihre militärischen Lorbeer» so stolz, daß sie meinen,
die Zukunft des Reichs sei durch die Landmacht allein hinreichend gesichert.
Den Ansichten dieser Alten, die in ihrer Jugend den Traum von einer starken
deutschen Flotte noch nicht mitträumten, sondern die von Kindesbeinen an in
dem Soldaten den einzigen Vaterlandsverteidiger sahen, giebt ein langer Aufsatz
der Schlesischen Volkszeitung vom 15. Juli Ausdruck: „Zur Marinefrage."
Der Verfasser unterzeichnet sich mit dem astrologischen Zeichen für den Pla¬
neten Mars. Abgesehen von einigen parteipolitischer, also unschönen Schach¬
zügen atmet der Aufsatz Überzeugungstreue und ist in ruhigem Ton gehalten:
zwei schätzenswerte Eigenschaften, die bei den Gegnern der Flotte bisher recht
selten zu finden waren und deshalb umso angenehmer berühren. Dabei ist er
aber voll von Irrtümern.

Mars irrt sich gleich zu Anfang, wenn er sagt, daß schon in der nächsten
Session des Reichstags sehr starke Forderungen für die Marine an das Land
herantreten würden. Einmalige sehr starke Bewilligungen können der Marine


Grenzboten III 1807 31
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[0249] [Abbildung] Die Alten und die Jungen in der Flottenfrage Wor etwa einem halben Jahrhundert, als Prinz Adalbert von Preußen mit klarem Blick kräftig für die Schaffung einer selb¬ ständigen Flotte eintrat, begann eine Denkschrift eines Generals über Marineangelegenheiten mit den Worten: „Da das Wasser bekanntlich nicht unser Element ist." Man sollte nun denken, daß man im deutschen Reiche heute doch überall etwas weiter gekommen sei. Die Zunahme der Gewerbthätigkeit im ganzen Lande, der riesig entwickelte Weltverkehr hat ja inzwischen besonders dem jüngern Geschlecht über die Be¬ deutung der Seemacht die Augen geöffnet. Aber unter den Graubärten, die die Entwicklung Preußens und Deutschlands zur ersten Landmacht des euro¬ päischen Festlandes miterlebt und miterstrcbt oder miterstritten haben, sind doch immer noch einzelne auf ihre militärischen Lorbeer» so stolz, daß sie meinen, die Zukunft des Reichs sei durch die Landmacht allein hinreichend gesichert. Den Ansichten dieser Alten, die in ihrer Jugend den Traum von einer starken deutschen Flotte noch nicht mitträumten, sondern die von Kindesbeinen an in dem Soldaten den einzigen Vaterlandsverteidiger sahen, giebt ein langer Aufsatz der Schlesischen Volkszeitung vom 15. Juli Ausdruck: „Zur Marinefrage." Der Verfasser unterzeichnet sich mit dem astrologischen Zeichen für den Pla¬ neten Mars. Abgesehen von einigen parteipolitischer, also unschönen Schach¬ zügen atmet der Aufsatz Überzeugungstreue und ist in ruhigem Ton gehalten: zwei schätzenswerte Eigenschaften, die bei den Gegnern der Flotte bisher recht selten zu finden waren und deshalb umso angenehmer berühren. Dabei ist er aber voll von Irrtümern. Mars irrt sich gleich zu Anfang, wenn er sagt, daß schon in der nächsten Session des Reichstags sehr starke Forderungen für die Marine an das Land herantreten würden. Einmalige sehr starke Bewilligungen können der Marine Grenzboten III 1807 31

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/249>, abgerufen am 27.12.2024.