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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Litteratur

besprochnen Gasthaussternchen, rin denen wir sehr einverstanden sind. Meyer will
bequem sein für das große und größte Publikum, dem zuliebe er auch gelegentlich
etwas mehr in die Breite geht, als dem einfachen Touristen lieb ist, dessen Ideal
der gedrängte, mehr der Natur als der Kultur zugewandte Trautwein bleibt. Bei
Trautwein fesseln die vortrefflichen Schilderungen der landschaftlichen An- und
Aussichten, Meyer ist im allgemeinen unterhaltend und reich an geschichtlichen An¬
gaben, Baedeker sucht sowohl dem Reisenden als dem Bergsteiger gerecht zu werden
und hat den gedrängtesten Ausdruck.

Was nach unsrer Auffassung allen dreien abgeht, das ist die geographische,
landschaftliche und geschichtliche Orientirung. Wie wohl thäte es dem Norddeutschen,
der "gen Franken fahren" will, wenn er in feinem Reifehandbuch eine kurze
Schilderung der Eigentümlichkeit des alten Frankenlandes fände; er würde noch
aufmerksamer um sich schauen und vieles besser genießen. In dieser Beziehung
sind die Meyerschen Führer durch die deutschen Mittelgebirge zu loben. Der
neue Harzftthrer hat eine Einleitung über den Ban, das Klima, den Bergbau, die
Geschichte des Harzes und die Hnrzbewohner, die sehr lehrreich ist. Wir möchten,
daß sich die Verfasser der jedes Jahr sich vermehrenden Reiseführer durch einzelne
deutsche Landschaften diese Einleitung zum Muster nahmen. Dieser Litteraturzweig
liegt sehr im Argen. Eine glänzende Ausnahme, ein Muster eines Mittelgebirgs-
führers in jeder Beziehung ist der Fichtelgebirgsführcr von A. Schmidt, der
ebenso zuverlässig in den Orts- und Wegangaben, wie liebevoll und eingehend in
der Allgemeinschilderung ist. Das ist ein Buch, das uns nicht bloß in diesem
Gebirge wandern, sondern Land nud Leute gründlich verstehen lehrt. Allerdings
ist es aus der intimsten Bekanntschaft mit dem Gebirge herausgewachsen. Der
Verfasser gehört eiuer Geschlcchterreihe von Fichtelgebirgsforschern an.

Zum Schluß ein Vorschlag zur Güte: Wenn unsre Reiseführer mit der Zeit
einen seltenen Grad von Vollkommenheit im Praktischen erreicht haben, wäre es Wohl
angebracht, den Text auch vou der ästhetischen Seite her etwas schärfer ins Auge
zu fassen, wo dann so manche Geschmacklosigkeit zu beseitigen wäre. Ein häßlicher
Vergleich wie der des herrlichen Wettersteingebirges mit einem hohlen Zahn Meyer,
Süddeutschland, S. 268) wäre z. B. sofort auszumerzen.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Will), Grunow in Leipzig, -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Litteratur

besprochnen Gasthaussternchen, rin denen wir sehr einverstanden sind. Meyer will
bequem sein für das große und größte Publikum, dem zuliebe er auch gelegentlich
etwas mehr in die Breite geht, als dem einfachen Touristen lieb ist, dessen Ideal
der gedrängte, mehr der Natur als der Kultur zugewandte Trautwein bleibt. Bei
Trautwein fesseln die vortrefflichen Schilderungen der landschaftlichen An- und
Aussichten, Meyer ist im allgemeinen unterhaltend und reich an geschichtlichen An¬
gaben, Baedeker sucht sowohl dem Reisenden als dem Bergsteiger gerecht zu werden
und hat den gedrängtesten Ausdruck.

Was nach unsrer Auffassung allen dreien abgeht, das ist die geographische,
landschaftliche und geschichtliche Orientirung. Wie wohl thäte es dem Norddeutschen,
der „gen Franken fahren" will, wenn er in feinem Reifehandbuch eine kurze
Schilderung der Eigentümlichkeit des alten Frankenlandes fände; er würde noch
aufmerksamer um sich schauen und vieles besser genießen. In dieser Beziehung
sind die Meyerschen Führer durch die deutschen Mittelgebirge zu loben. Der
neue Harzftthrer hat eine Einleitung über den Ban, das Klima, den Bergbau, die
Geschichte des Harzes und die Hnrzbewohner, die sehr lehrreich ist. Wir möchten,
daß sich die Verfasser der jedes Jahr sich vermehrenden Reiseführer durch einzelne
deutsche Landschaften diese Einleitung zum Muster nahmen. Dieser Litteraturzweig
liegt sehr im Argen. Eine glänzende Ausnahme, ein Muster eines Mittelgebirgs-
führers in jeder Beziehung ist der Fichtelgebirgsführcr von A. Schmidt, der
ebenso zuverlässig in den Orts- und Wegangaben, wie liebevoll und eingehend in
der Allgemeinschilderung ist. Das ist ein Buch, das uns nicht bloß in diesem
Gebirge wandern, sondern Land nud Leute gründlich verstehen lehrt. Allerdings
ist es aus der intimsten Bekanntschaft mit dem Gebirge herausgewachsen. Der
Verfasser gehört eiuer Geschlcchterreihe von Fichtelgebirgsforschern an.

Zum Schluß ein Vorschlag zur Güte: Wenn unsre Reiseführer mit der Zeit
einen seltenen Grad von Vollkommenheit im Praktischen erreicht haben, wäre es Wohl
angebracht, den Text auch vou der ästhetischen Seite her etwas schärfer ins Auge
zu fassen, wo dann so manche Geschmacklosigkeit zu beseitigen wäre. Ein häßlicher
Vergleich wie der des herrlichen Wettersteingebirges mit einem hohlen Zahn Meyer,
Süddeutschland, S. 268) wäre z. B. sofort auszumerzen.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Will), Grunow in Leipzig, — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0248] Litteratur besprochnen Gasthaussternchen, rin denen wir sehr einverstanden sind. Meyer will bequem sein für das große und größte Publikum, dem zuliebe er auch gelegentlich etwas mehr in die Breite geht, als dem einfachen Touristen lieb ist, dessen Ideal der gedrängte, mehr der Natur als der Kultur zugewandte Trautwein bleibt. Bei Trautwein fesseln die vortrefflichen Schilderungen der landschaftlichen An- und Aussichten, Meyer ist im allgemeinen unterhaltend und reich an geschichtlichen An¬ gaben, Baedeker sucht sowohl dem Reisenden als dem Bergsteiger gerecht zu werden und hat den gedrängtesten Ausdruck. Was nach unsrer Auffassung allen dreien abgeht, das ist die geographische, landschaftliche und geschichtliche Orientirung. Wie wohl thäte es dem Norddeutschen, der „gen Franken fahren" will, wenn er in feinem Reifehandbuch eine kurze Schilderung der Eigentümlichkeit des alten Frankenlandes fände; er würde noch aufmerksamer um sich schauen und vieles besser genießen. In dieser Beziehung sind die Meyerschen Führer durch die deutschen Mittelgebirge zu loben. Der neue Harzftthrer hat eine Einleitung über den Ban, das Klima, den Bergbau, die Geschichte des Harzes und die Hnrzbewohner, die sehr lehrreich ist. Wir möchten, daß sich die Verfasser der jedes Jahr sich vermehrenden Reiseführer durch einzelne deutsche Landschaften diese Einleitung zum Muster nahmen. Dieser Litteraturzweig liegt sehr im Argen. Eine glänzende Ausnahme, ein Muster eines Mittelgebirgs- führers in jeder Beziehung ist der Fichtelgebirgsführcr von A. Schmidt, der ebenso zuverlässig in den Orts- und Wegangaben, wie liebevoll und eingehend in der Allgemeinschilderung ist. Das ist ein Buch, das uns nicht bloß in diesem Gebirge wandern, sondern Land nud Leute gründlich verstehen lehrt. Allerdings ist es aus der intimsten Bekanntschaft mit dem Gebirge herausgewachsen. Der Verfasser gehört eiuer Geschlcchterreihe von Fichtelgebirgsforschern an. Zum Schluß ein Vorschlag zur Güte: Wenn unsre Reiseführer mit der Zeit einen seltenen Grad von Vollkommenheit im Praktischen erreicht haben, wäre es Wohl angebracht, den Text auch vou der ästhetischen Seite her etwas schärfer ins Auge zu fassen, wo dann so manche Geschmacklosigkeit zu beseitigen wäre. Ein häßlicher Vergleich wie der des herrlichen Wettersteingebirges mit einem hohlen Zahn Meyer, Süddeutschland, S. 268) wäre z. B. sofort auszumerzen. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Will), Grunow in Leipzig, — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/248>, abgerufen am 29.06.2024.