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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Lazzaroni

überstehenden Norddeutschen zurückbleiben werden. Es war unter diesen Um¬
ständen mindestens ein alberner Mißgriff, daß im Februar ein großes Berliner
fortschrittliches Blatt im Anschluß an die Kaisermanöver und an die Feier von
Kaisers Geburtstag in München einen Angriff gegen das bairische Offizierkorps
brachte, der bei seiner Ungeschicklichkeit noch den weitern Nachteil hatte, auf
gänzlicher Unkenntnis zu beruhen. Dergleichen Preßerzeugnisse werden im
Norden meist nicht beachtet, machen aber in Baiern immer wieder böses Blut,
und vielleicht ist das auch ihr Zweck.

Man sollte doch die Dinge in Baiern sich ruhig entwickeln lassen, denn
ihre Führung liegt jetzt in den besten Händen. Die Überzeugung von der
Notwendigkeit des engsten nationalen Zusammenschlusses besteht in den leitenden
Kreisen und wird von Berlin aus eifrig gefördert. Die bairischen Soldaten
werden aus den Kaisermanövern das Gefühl der Kameradschaft und die Achtung
vor den "Preußen" mit nach Hause bringen, und das kann nur die besten
Früchte tragen. Im übrigen ist das bairische Volk seinem Königshause treu
und wird allezeit zu ihm und mit ihm zu Deutschland halten. Wie oft ist
nicht gerade dieses Gefühl der Treue benutzt worden, um gegen "Preußen"
zu Hetzen! Das fällt nun weg. Mehr verlangt Deutschland nicht, weiter
braucht die Gleichmacherei nicht zu gehen. Die deutschen Stämme sollen gar
nicht mit einander verschmelzen, sondern möglichst ihre Eigenart bewahren und
behalten, nur soll nicht die Nörgelsucht und partikularistische Beschränktheit
Gegensätze und Feindseligkeiten daraus herleiten. Je mehr die deutschen Stämme
einander kennen lernen, desto weniger werden sich hierzu Handhaben bieten, und
deshalb bilden die diesjährigen Kaisermanöver einen Fortschritt gegen früher,
der manche trübe Thatsache auf nationalem Boden wettmachen wird.




Lazzaroni
Max Stock von

eit mehr als zwei Jahrtausenden lockt die Germanen der Drang
nach Süden über die Alpen nach dem schönen Italien. Das
Ringen, Werden und Vergehen von Völkern und Staaten, eine
Geschichte, entscheidend für die Entwicklung der Menschheit, liegt
zwischen der Zeit, wo unsre barbarischen Vorfahren, von Hunger
und Frost erbittert, auf ihren Schilden die schneebedeckten Südabhänge der
Alpen unter gierigen Kriegsgeheul hinabglitten, und den Reisen des modernen


Lazzaroni

überstehenden Norddeutschen zurückbleiben werden. Es war unter diesen Um¬
ständen mindestens ein alberner Mißgriff, daß im Februar ein großes Berliner
fortschrittliches Blatt im Anschluß an die Kaisermanöver und an die Feier von
Kaisers Geburtstag in München einen Angriff gegen das bairische Offizierkorps
brachte, der bei seiner Ungeschicklichkeit noch den weitern Nachteil hatte, auf
gänzlicher Unkenntnis zu beruhen. Dergleichen Preßerzeugnisse werden im
Norden meist nicht beachtet, machen aber in Baiern immer wieder böses Blut,
und vielleicht ist das auch ihr Zweck.

Man sollte doch die Dinge in Baiern sich ruhig entwickeln lassen, denn
ihre Führung liegt jetzt in den besten Händen. Die Überzeugung von der
Notwendigkeit des engsten nationalen Zusammenschlusses besteht in den leitenden
Kreisen und wird von Berlin aus eifrig gefördert. Die bairischen Soldaten
werden aus den Kaisermanövern das Gefühl der Kameradschaft und die Achtung
vor den „Preußen" mit nach Hause bringen, und das kann nur die besten
Früchte tragen. Im übrigen ist das bairische Volk seinem Königshause treu
und wird allezeit zu ihm und mit ihm zu Deutschland halten. Wie oft ist
nicht gerade dieses Gefühl der Treue benutzt worden, um gegen „Preußen"
zu Hetzen! Das fällt nun weg. Mehr verlangt Deutschland nicht, weiter
braucht die Gleichmacherei nicht zu gehen. Die deutschen Stämme sollen gar
nicht mit einander verschmelzen, sondern möglichst ihre Eigenart bewahren und
behalten, nur soll nicht die Nörgelsucht und partikularistische Beschränktheit
Gegensätze und Feindseligkeiten daraus herleiten. Je mehr die deutschen Stämme
einander kennen lernen, desto weniger werden sich hierzu Handhaben bieten, und
deshalb bilden die diesjährigen Kaisermanöver einen Fortschritt gegen früher,
der manche trübe Thatsache auf nationalem Boden wettmachen wird.




Lazzaroni
Max Stock von

eit mehr als zwei Jahrtausenden lockt die Germanen der Drang
nach Süden über die Alpen nach dem schönen Italien. Das
Ringen, Werden und Vergehen von Völkern und Staaten, eine
Geschichte, entscheidend für die Entwicklung der Menschheit, liegt
zwischen der Zeit, wo unsre barbarischen Vorfahren, von Hunger
und Frost erbittert, auf ihren Schilden die schneebedeckten Südabhänge der
Alpen unter gierigen Kriegsgeheul hinabglitten, und den Reisen des modernen


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[0114] Lazzaroni überstehenden Norddeutschen zurückbleiben werden. Es war unter diesen Um¬ ständen mindestens ein alberner Mißgriff, daß im Februar ein großes Berliner fortschrittliches Blatt im Anschluß an die Kaisermanöver und an die Feier von Kaisers Geburtstag in München einen Angriff gegen das bairische Offizierkorps brachte, der bei seiner Ungeschicklichkeit noch den weitern Nachteil hatte, auf gänzlicher Unkenntnis zu beruhen. Dergleichen Preßerzeugnisse werden im Norden meist nicht beachtet, machen aber in Baiern immer wieder böses Blut, und vielleicht ist das auch ihr Zweck. Man sollte doch die Dinge in Baiern sich ruhig entwickeln lassen, denn ihre Führung liegt jetzt in den besten Händen. Die Überzeugung von der Notwendigkeit des engsten nationalen Zusammenschlusses besteht in den leitenden Kreisen und wird von Berlin aus eifrig gefördert. Die bairischen Soldaten werden aus den Kaisermanövern das Gefühl der Kameradschaft und die Achtung vor den „Preußen" mit nach Hause bringen, und das kann nur die besten Früchte tragen. Im übrigen ist das bairische Volk seinem Königshause treu und wird allezeit zu ihm und mit ihm zu Deutschland halten. Wie oft ist nicht gerade dieses Gefühl der Treue benutzt worden, um gegen „Preußen" zu Hetzen! Das fällt nun weg. Mehr verlangt Deutschland nicht, weiter braucht die Gleichmacherei nicht zu gehen. Die deutschen Stämme sollen gar nicht mit einander verschmelzen, sondern möglichst ihre Eigenart bewahren und behalten, nur soll nicht die Nörgelsucht und partikularistische Beschränktheit Gegensätze und Feindseligkeiten daraus herleiten. Je mehr die deutschen Stämme einander kennen lernen, desto weniger werden sich hierzu Handhaben bieten, und deshalb bilden die diesjährigen Kaisermanöver einen Fortschritt gegen früher, der manche trübe Thatsache auf nationalem Boden wettmachen wird. Lazzaroni Max Stock von eit mehr als zwei Jahrtausenden lockt die Germanen der Drang nach Süden über die Alpen nach dem schönen Italien. Das Ringen, Werden und Vergehen von Völkern und Staaten, eine Geschichte, entscheidend für die Entwicklung der Menschheit, liegt zwischen der Zeit, wo unsre barbarischen Vorfahren, von Hunger und Frost erbittert, auf ihren Schilden die schneebedeckten Südabhänge der Alpen unter gierigen Kriegsgeheul hinabglitten, und den Reisen des modernen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/114>, abgerufen am 27.12.2024.