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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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München und Konstanz

Landgemeindeordnungen übergegangen, ohne auf ernstlichen Widerstand zu
stoßen. Auch sür die Gemeindeordnung vom 11. März 1850 wurde zur Be¬
gründung der Dreiteilung angeführt, daß in der Regel drei Hauptschichten der
Bevölkerung nach dem Maße ihres Vermögens zu unterscheiden seien, deren
Angehörige auch in den übrigen Verhältnissen am meisten mit einander gemein
hätten. Daneben wurde die Dreiteilung noch durch solgende Anschauung als
gerechtfertigt angesehen: wenn zugegeben werde, daß dem, der einen zehn-,
hundert- oder tausendfach höhern Beitrag zu den Kosten des Gemeindewesens
zu leisten habe, auch ein größerer Anteil an der ihn besteuernden und das
Gemeindevermögen verwaltenden Vertretung gebühre als dem, der nur den
einfachen Beitrag entrichte, so ergebe sich von selbst die Notwendigkeit, eine
mittlere Abteilung zu bilden, die den Ärmsten und Reichsten gleich nahe stehe.

Diese Auffassung geht nicht von einer erkennbaren Unterscheidung von
drei Hauptschichten der Bevölkerung aus, sondern steht nur unten die Ärmsten
und oben die Reichsten, und dazwischen die große Masse derer, die weder zu
den Reichsten noch zu den Ärmsten gerechnet werden können.

(Schluß folgt)




München und Konstanz
(Fortsetzung)

utsprach also meine Haltung den neuerem gegenüber den Ansichten
und Wünschen des Münchner Komitees (so nannte sich die
leitende Körperschaft, weil es eine anerkannte Pfarrei nicht gab),
so galt das doch weniger von meiner Auffassung der gesamten
Lage, die ich am Schlüsse meiner "Wandlungen" dargelegt habe.
Die leitenden Männer waren noch zu sehr erfüllt von den hohen Erwartungen
des Jahres 1870, als daß sie sich zu meiner Auffassung der Altkatholikeu-
gemeinschaft als einer Nothütte für obdachlos gewordne hätten bequemen können,
und war vielleicht der eine oder der andre damals schon so weit, so ließ er
sichs doch nicht anmerken. Ebenso wenig dürfte meine Auffassung von der
Aufgabe des Deutschen Merkur allgemeinen Beifall gefunden haben. Als er
gegründet wurde, war seine Aufgabe dnrch seine Entstehung gegeben: Be¬
kämpfung der vatikanischen Dekrete und des Geistes, aus dem sie geflossen
waren. Das konnte doch aber nicht sofortgehen, denn erstens nützte es nichts
weiter -- man stand vor der vollendeten Thatsache, daß der Vatikanismus
auf der ganzen Linie gesiegt hatte --, und zweitens war schon alles gesagt


München und Konstanz

Landgemeindeordnungen übergegangen, ohne auf ernstlichen Widerstand zu
stoßen. Auch sür die Gemeindeordnung vom 11. März 1850 wurde zur Be¬
gründung der Dreiteilung angeführt, daß in der Regel drei Hauptschichten der
Bevölkerung nach dem Maße ihres Vermögens zu unterscheiden seien, deren
Angehörige auch in den übrigen Verhältnissen am meisten mit einander gemein
hätten. Daneben wurde die Dreiteilung noch durch solgende Anschauung als
gerechtfertigt angesehen: wenn zugegeben werde, daß dem, der einen zehn-,
hundert- oder tausendfach höhern Beitrag zu den Kosten des Gemeindewesens
zu leisten habe, auch ein größerer Anteil an der ihn besteuernden und das
Gemeindevermögen verwaltenden Vertretung gebühre als dem, der nur den
einfachen Beitrag entrichte, so ergebe sich von selbst die Notwendigkeit, eine
mittlere Abteilung zu bilden, die den Ärmsten und Reichsten gleich nahe stehe.

Diese Auffassung geht nicht von einer erkennbaren Unterscheidung von
drei Hauptschichten der Bevölkerung aus, sondern steht nur unten die Ärmsten
und oben die Reichsten, und dazwischen die große Masse derer, die weder zu
den Reichsten noch zu den Ärmsten gerechnet werden können.

(Schluß folgt)




München und Konstanz
(Fortsetzung)

utsprach also meine Haltung den neuerem gegenüber den Ansichten
und Wünschen des Münchner Komitees (so nannte sich die
leitende Körperschaft, weil es eine anerkannte Pfarrei nicht gab),
so galt das doch weniger von meiner Auffassung der gesamten
Lage, die ich am Schlüsse meiner „Wandlungen" dargelegt habe.
Die leitenden Männer waren noch zu sehr erfüllt von den hohen Erwartungen
des Jahres 1870, als daß sie sich zu meiner Auffassung der Altkatholikeu-
gemeinschaft als einer Nothütte für obdachlos gewordne hätten bequemen können,
und war vielleicht der eine oder der andre damals schon so weit, so ließ er
sichs doch nicht anmerken. Ebenso wenig dürfte meine Auffassung von der
Aufgabe des Deutschen Merkur allgemeinen Beifall gefunden haben. Als er
gegründet wurde, war seine Aufgabe dnrch seine Entstehung gegeben: Be¬
kämpfung der vatikanischen Dekrete und des Geistes, aus dem sie geflossen
waren. Das konnte doch aber nicht sofortgehen, denn erstens nützte es nichts
weiter — man stand vor der vollendeten Thatsache, daß der Vatikanismus
auf der ganzen Linie gesiegt hatte —, und zweitens war schon alles gesagt


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[0322] München und Konstanz Landgemeindeordnungen übergegangen, ohne auf ernstlichen Widerstand zu stoßen. Auch sür die Gemeindeordnung vom 11. März 1850 wurde zur Be¬ gründung der Dreiteilung angeführt, daß in der Regel drei Hauptschichten der Bevölkerung nach dem Maße ihres Vermögens zu unterscheiden seien, deren Angehörige auch in den übrigen Verhältnissen am meisten mit einander gemein hätten. Daneben wurde die Dreiteilung noch durch solgende Anschauung als gerechtfertigt angesehen: wenn zugegeben werde, daß dem, der einen zehn-, hundert- oder tausendfach höhern Beitrag zu den Kosten des Gemeindewesens zu leisten habe, auch ein größerer Anteil an der ihn besteuernden und das Gemeindevermögen verwaltenden Vertretung gebühre als dem, der nur den einfachen Beitrag entrichte, so ergebe sich von selbst die Notwendigkeit, eine mittlere Abteilung zu bilden, die den Ärmsten und Reichsten gleich nahe stehe. Diese Auffassung geht nicht von einer erkennbaren Unterscheidung von drei Hauptschichten der Bevölkerung aus, sondern steht nur unten die Ärmsten und oben die Reichsten, und dazwischen die große Masse derer, die weder zu den Reichsten noch zu den Ärmsten gerechnet werden können. (Schluß folgt) München und Konstanz (Fortsetzung) utsprach also meine Haltung den neuerem gegenüber den Ansichten und Wünschen des Münchner Komitees (so nannte sich die leitende Körperschaft, weil es eine anerkannte Pfarrei nicht gab), so galt das doch weniger von meiner Auffassung der gesamten Lage, die ich am Schlüsse meiner „Wandlungen" dargelegt habe. Die leitenden Männer waren noch zu sehr erfüllt von den hohen Erwartungen des Jahres 1870, als daß sie sich zu meiner Auffassung der Altkatholikeu- gemeinschaft als einer Nothütte für obdachlos gewordne hätten bequemen können, und war vielleicht der eine oder der andre damals schon so weit, so ließ er sichs doch nicht anmerken. Ebenso wenig dürfte meine Auffassung von der Aufgabe des Deutschen Merkur allgemeinen Beifall gefunden haben. Als er gegründet wurde, war seine Aufgabe dnrch seine Entstehung gegeben: Be¬ kämpfung der vatikanischen Dekrete und des Geistes, aus dem sie geflossen waren. Das konnte doch aber nicht sofortgehen, denn erstens nützte es nichts weiter — man stand vor der vollendeten Thatsache, daß der Vatikanismus auf der ganzen Linie gesiegt hatte —, und zweitens war schon alles gesagt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/322>, abgerufen am 23.07.2024.